Edgeworth
Ein Haus und seine HüterIm Jahr 1885 bestimmt der Hausherr Duncan wie die Familie Weihnachten zu verbringen hat. Seine Frau Ellen und seine Kinder werden rumkommandiert. Andere Menschen vor den Kopf zu stoßen fällt Duncan leicht ...
Im Jahr 1885 bestimmt der Hausherr Duncan wie die Familie Weihnachten zu verbringen hat. Seine Frau Ellen und seine Kinder werden rumkommandiert. Andere Menschen vor den Kopf zu stoßen fällt Duncan leicht und er merkt noch nicht mal etwas davon. Als seine Frau Ellen erkrankt und nur wenig später stirbt, ist Duncan zunächst wie der reuige Sünder. Doch nur wenig später bringt er eine neue Frau heim, ohne auch nur die geringste Rücksicht auch seine Kinder zu nehmen, die kaum jünger sind als ihre neue Stiefmutter. Die Neue versucht sich mit allen Familienmitgliedern gut zu stellen. Und die Höflichkeit gebietet, so zu tun als ob.
Im viktorianischen England tickten die Uhren noch anders. Der Herr hatte im Haus das Sagen und egal wie verletzend er auftrat, recht hatte er trotzdem. Ob seine Frau so darunter litt, dass sie es nicht mal wagte, von ihrer angegriffenen Gesundheit zu berichten. Hätte sie noch länger leben können, wenn sie früher in Behandlung gewesen wäre? Wahrscheinlich ist das etwas, das die Kinder sich fragen. Oder der wegen des nicht vorhandenen Stammhalters designierte Erbe, der einfach abserviert wird als die um Freundlichkeit bemühte junge Frau einen echten Erben zur Welt bringt.
Bei diesem Hörbuch bringt der Vortragende Sebastian Walch mit den stimmlichen Nuancen, die er anwendet, den aus heutiger Sicht niedrigen Charakter Duncans, seine Blasiertheit, seine Bornierheit ausgesprochen gut zur Geltung. Mit dieser viktorianischen Zeit möchte man nicht tauschen. Das Getuschel im Dorf, die falschen Schmeicheleien. Meist wird im Roman geredet, was dem Hörbuch und seinem einfühlsamen Sprecher natürlich sehr entgegenkommt. Bereits im Jahr 1935 ist dieser Roman erstmals erschienen. Und doch empfindet man die Lektüre nicht als altertümlich oder altmodisch. Schon manche Geschichten von Goethe könnten durchaus als aktuell angesehen werden und so ist es auch hier. Die Erzählung über die Familienbande zwischen den Edgeworths und über die Beziehungen zu ihren Verwandten und Nachbarn könnte auch in der Gegenwart angesiedelt sein. Gewisse Charakterstudien scheinen zeitlos zu sein. Die Menschen werden halt nicht besser.
Die Farben des Covers sind sehr schön gestaltet. Wie in eine Kristallkugel scheint man ins Leben der Edgeworths zu blicken.