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Veröffentlicht am 09.06.2019

New in Town

Fünf Sterne für dich
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Mit seiner Tochter ist Konrad Michaelsen von Köln nach Hamburg gezogen. Mathilda ist also neu an der Schule. Pia Flemming ist zum ersten Mal als Klassenlehrerin eingesetzt. Sie beschließt für ihre 7d gleich ...

Mit seiner Tochter ist Konrad Michaelsen von Köln nach Hamburg gezogen. Mathilda ist also neu an der Schule. Pia Flemming ist zum ersten Mal als Klassenlehrerin eingesetzt. Sie beschließt für ihre 7d gleich mal einen Elternabend durchzuführen. Dorthin macht sich Konrad auf den Weg, dem als alleinerziehender Vater das Wohl seiner Tochter sehr am Herzen liegt. Etwas überrascht ist er von Pia, dem zweiten Klassenlehrer Tom Wohlfahrt und einigen anderen Eltern. Konrad Michaelsen, dessen Broterwerb darin besteht, Renzensionen nach Kundenwunsch zu schreiben, kann nicht umhin sich über einige Anwesende einige Notizen zu machen.

Man muss sich vorstellen, wie Konrad im Renzensionsstil über seine Mitmenschen parliert, da kriegt man ein Grinsen nicht aus dem Gesicht. Doch nicht nur lustig geht es zu in diesem Familienroman mit Herz. Denn Konrad hatte durchaus einen Grund, Köln zu verlassen. Einen Grund, von dem Mathilda nichts wissen soll. Und auch Pia ist nicht die Gipfelstürmerin, in ihrem ersten Einsatz als Klassenlehrerin muss sie sich erst finden und so leicht machen es ihr Eltern und Kinder nicht. Doch beherzt nimmt sie ihre Aufgabe an. Und wie man bald erfahren muss, können Kinder doch manchmal recht grausam sein. Man denke da nur an die eigentlich harmlose Sitzordnung, mit der es aber durchaus echte Probleme geben kann. Und Neue in der Klasse werden auch genau unter die Lupe genommen.

Wie bei einem Bild; mit wenigen Federstrichen schafft es die Autorin, die Stimmung ihrer handelnden Personen zu umreißen. Wenn die 12jährige Mathilda erste Pubertätslaunen an den Tag legt, ihr Vater hilflos amüsiert stolz reagiert, kann man sich bestens vorstellen, was da läuft. Vielleicht erinnert man sich an die eigene Jugend oder hat selbst Kinder, mit denen man da durch musste. Oder Pia Flemming in ihrer neuen Rolle als Klassenlehrerin, natürlich etwas unsicher, aber doch kreativ und ideenreich. Und die unterschwelligen oder manchmal auch gar nicht so unterschwelligen Strömungen in der Klasse geben dem Roman gewiss viel Lebensechtheit. Es ist nicht immer nur lustig wie im echten Leben. Gekonnt hält die Autorin die Balance zwischen heiteren und ernsten Phasen, wobei sie den Leser nach und nach immer mehr in den Bann ihrer Geschichte zieht.

Veröffentlicht am 07.06.2019

Lebensfülle

Ich, Maximilian, Kaiser der Welt
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In jungen Jahren ist Maximilian ein einfacher Mann, der eine einfache Frau liebt. Dass sein Vater Friedrich III Kaiser des Heiligen Römischen Reiches ist, stört zunächst nicht. Allerdings ist Friedrich ...

In jungen Jahren ist Maximilian ein einfacher Mann, der eine einfache Frau liebt. Dass sein Vater Friedrich III Kaiser des Heiligen Römischen Reiches ist, stört zunächst nicht. Allerdings ist Friedrich ein großer Ränkeschmied, der Reiche lieber mittels Ehegelübden erobert als durch Kriege. Und sein Hof ist zwar verschwenderisch aber nicht reich, auch deshalb kann eine Eheschließung manchmal sinnvoll sein. Im jugendlichen Ungestüm möchte Maximilian alle Konventionen über Bord werfen und seine Rosina heiraten. Die Ehe mit Marie von Burgund möchte er nicht eingehen und nur zögernd macht er sich auf den Weg.

Auch ein künftiger König und Kaiser ist erstmal nur ein Mensch. Und so kämpft er bei Ritterspielen und verliebt sich in die junge Rosina mit den großen Augen und den wilden schwarzen Locken. Bald allerdings wird er vom Vater an die Staatsräson erinnert. Da gibt es Kämpfe auszufechten, sich Vorteile zu verschaffen im europäischen Machtgefüge. Versprechen gelten da nicht immer viel, so manches Wort wird gebrochen. Immer ist das Haus Habsburg in Geldnot und es muss nach Verbündeten und Geldgebern gesucht werden. Die Königskinder sind da häufig nur Spielbälle der Macht. Irgendwie schafft es Maximilian, sich treu zu bleiben.

Lebendig und spannend wird Maximilians Aufstieg zur Macht dargestellt. So viel passiert in dieser nicht allzu langen Zeit, dass man staunt, was alles in so ein Leben passt. Und dabei sind die Könige und Königskinder doch auch Menschen mit Eigenschaften, die sie mehr oder weniger liebenswert erscheinen lassen. Da wird geliebt, gelitten, intrigiert und gekämpft. Das Streben nach Geld und Macht ist allgegenwärtig. Am Ende des Buches gibt der Autor einen Überblick darüber, was historisch belegt ist. Und das ist eine ganze Menge, was bestätigt, dass in Maximilians Leben eine ganze Menge los war. Das ganze ist in so packende Worte gekleidet, dass die Lektüre wahrhaft kurzweilig und doch lehrreich ist.

Veröffentlicht am 03.06.2019

Insekten der Sehnsucht

Makarionissi oder Die Insel der Seligen
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In einem kleinen griechischen Bergdorf sind die Zeiten vorbei, in denen die Salzstraße Reichtum und Wohlstand brachte. Die alte Maria hat noch Teile der guten Zeichen kennengelernt und für ihre Familie ...

In einem kleinen griechischen Bergdorf sind die Zeiten vorbei, in denen die Salzstraße Reichtum und Wohlstand brachte. Die alte Maria hat noch Teile der guten Zeichen kennengelernt und für ihre Familie möchte sie diese erhalten. Dabei spinnt sie die Fäden, was sich nicht immer zum Besten der Versponnenen auswirkt. Ein besonderes Anliegen ist es für sie, dass die Kinder ihrer Töchter heiraten. Eleni und Lefti sind in ihrer Kindheit ein Herz und eine Seele. Doch Eleni möchte lieber eine Heldin sein als heiraten. Sie engagiert sich politisch, was sie kurzzeitig ins Gefängnis bringt. Es bleibt ihr nur die Heirat mit Lefti, mit dem sie gemeinsam nach Deutschland geht.

Letztlich über fünf Generationen spannt sich diese herzerwärmende Familiengeschichte, begonnen mit Maria, deren Töchter, Elenie und Lefti, Elenis Tochter Aspasía, deren Söhne Iannis und Manolis. Sie sind mit bei den ersten Griechen, die es nach Deutschland verschlägt. Ein Arbeitsvertrag ist in den 1960ern die heiß ersehnte Eintrittskarte. Während es Lefti, der sich schon immer durch Pünktlichkeit ausgezeichnet hat, nach einiger Zeit und nachdem er seine Deutschlehrerin Trudi näher kennengelernt hat, zöge es Eleni eher in die Welt der Politik, wäre da nicht der charmante Musiker Otto. Unter diesen Umständen ist die junge Ehe zum Scheitern verurteilt.

Mit viel Wärme und Herzlichkeit beschreibt die Autorin die Geschichte einer griechisch-internationalen Familie beginnend ungefähr 1956 bis in die heutigen Tage. Temperamentvoll sind die Familienmitglieder, manchmal etwas überschäumend im Ausdruck, aber zurückhaltend mit Gefühlen. Man sieht förmlich wie Eleni mit wilder Lockenpracht durchs Leben stürmt und Lefti eher ruhig nach seinem Glück sucht. Manchmal sind es Sekunden, die dem Leben eine andere Wendung geben. Schweren Zeiten folgen glückliche Tage geradeso wie im echten Leben. Neue Erdenbürger werden willkommen geheißen und von anderen heißt es Abschied nehmen. An manchem zerbricht die Familie fast, doch immer ist ein gewisser Zusammenhalt zu spüren. Und wenn man irgendwann das Buch zuschlägt im Bedauern, dass man gerne noch weitergelesen hätte, ist man doch bestens unterhalten von dieser Reise durch verschiedene Generationen und etliche Länder der Welt.

Veröffentlicht am 02.06.2019

Wasserstop

Dry
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Sie sind eine fröhliche Familie Alyssa, ihr Bruder Garrett, die Eltern und Kingston, der Hund. In Südkalifornien herrscht Wasserknappheit, es soll gespart werden, beim Duschen und Rasen sprengen. Als jedoch ...

Sie sind eine fröhliche Familie Alyssa, ihr Bruder Garrett, die Eltern und Kingston, der Hund. In Südkalifornien herrscht Wasserknappheit, es soll gespart werden, beim Duschen und Rasen sprengen. Als jedoch die Nachbarstaaten Kaliforniens dafür sorgen, dass der Colorado sein Ziel im Golf von Kalifornien nicht mehr erreicht, sieht sich die Regierung gezwungen, das Wasser abzustellen bis sich die Lage geklärt hat. Und nun stehen sie vor einer Situation, in der kein Wasser aus dem Hahn kommt. Schnell machen sich die Jugendlichen mit ihrem Onkel zusammen auf den Weg zum Supermarkt, um die Wasservorräte aufzufüllen. Schnell waren sie, aber nicht schnell genug. Gerade noch ein paar Säcke voller Eis können sie mit nach hause nehmen.

Es ist ja schon seltsam, wenn das Wasser angekündigt für ein paar Stunden abgestellt wird, weil etwas repariert werden muss. Wie mag es da erst sein, wenn unangekündigt nichts mehr passiert, wenn man den Wasserhahn bewegt. Nicht lange dauert es, bis die Menschen sich auf sich selbst zurückziehen. Das Hauen und Stechen um die restlichen Wasservorräte beginnt. Geteilt wird nicht. Wer nicht teilt ist böse und wer doch teilt ist ein Idiot. Schnell verrohen die Menschen und das System droht zu zerbrechen. Mit solch einer Situation sollte kein junger Mensch konfrontiert werden. Umso ernster ist das Thema zu nehmen, da ein kleiner Blick ins www genügt, um festzustellen, dass dieses Horrorszenario nicht so fern von jeder Wirklichkeit ist.

Hat man das Buch beendet, atmet man erstmal auf und geht zum Wasserhahn, um für einen kurzen Moment dem Rauschen zu lauschen. Man überlegt sich, die Vorräte für einen hoffentlich nie eintretenden Notfall aufzufüllen und ist schockiert, wie schnell etliche der Menschen, ihre Menschlichkeit verlieren. Sehr realitätsnah beschreiben die Autoren die Auswirkungen einer Katastrophe, die zunächst nicht einmal als solche erkannt wird. Was ist so eine kleine Wasserknappheit schon gegen einen Hurricane. Doch wer es nicht in die Nachrichten schafft, bekommt auch keine Hilfe. Zwar glaubt man, so schlimm wird es schon nicht werden, doch schnell wird man eines Schlimmeren belehrt. Aus Sicht der verschiedenen Jugendlichen bekommt man geschildert, wie ihre Situation immer dramatischer wird. Und mit jeder weiteren Wendung zum weniger Guten, hält man mehr die Luft an und hofft, es möge sich noch zum Besseren wenden.

Dieser Jugendroman ist zwar recht drastisch, aber ausgesprochen spannend, realistisch und wartet mit einem rasanten Finale auf.

Veröffentlicht am 31.05.2019

Turing

Maschinen wie ich
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Er hat einen, er hätte lieber eine Eve gehabt, aber wenigstens hat er einen Adam ergattert. Fast sein ganzes Geld ist dabei draufgegangen. Charlie Friend beginnt mit der Aufladung und Programmierung seines ...

Er hat einen, er hätte lieber eine Eve gehabt, aber wenigstens hat er einen Adam ergattert. Fast sein ganzes Geld ist dabei draufgegangen. Charlie Friend beginnt mit der Aufladung und Programmierung seines Maschinenmenschen Adam. Seine Nachbarin Miranda bezieht er mit ein, insgeheim möchte er eine intensivere Beziehung zu ihr. Charlies Konzept geht auf, Miranda und er kommen sich näher. Doch Adam, eigentlich eine Maschine, entwickelt bald eigenwillige Züge. Sollte er etwa ein Auge auf Mrianda geworfen haben? Können künstliche Wesen das überhaupt? Bald schon scheint Adam Charlie auszustechen und Charlie nimmt ihm das Versprechen ab, dass seine Freundschaft zu Miranda platonisch bleiben muss.

In einem etwas anderen England Anfang der 1980er Jahre. Der bekannte Wissenschaftler Alan Turing ist nicht früh gestorben, Computer und Internet sind viel früher entwickelt worden und Maschinen haben die Arbeit vieler Menschen übernommen. Die Eltern des Anfangdreißigers Charlie sind bereits verstorben, das Erbe durchgebracht, der letzte Rest für den Erwerb des Adams aufgewendet. Miranda, Anfang Zwanzig, sorgt sich um ihren kranken Vater und scheint in manchen Momenten sehr in sich zurückgezogen. Zu ihnen kommt einer der ersten 25 Adams und Eves. Das Zusammenleben mit der Maschine entwickelt sich anders als erwartet, denn Adam entpuppt sich schnell, er ist kein reiner Befehlsempfänger. Er saugt Informationen auf und hat ganz eigene Moralvorstellungen.

Mal wieder auf seine ganz eigene Art wirft der Autor einen Blick auf die Welt. Nur ist es diesmal eine Welt, die wir nur so ungefähr kennen. Irgendwie sind es die 1980er, irgendwie auch nicht. Schon das gibt der Lektüre einen besonderen Reiz, jedem Wiedererkennungseffekt wohnt auch etwas Fremdes inne. Hinzu kommt die Auseinandersetzung mit künstlicher Intelligenz wie es sie heute - man möchte sagen zum Glück - noch nicht gibt. Mehr als einmal schaudert es einen bei dem Gedanken, wie so eine fast menschliche Maschine agiert. Sind Menschen nicht bald überflüssig. Adam ist derjenige, der den Durchblick zu haben scheint, der körperlich kräftig ist und moralisch eine Instanz bildet. Charlie und Miranda wirken dagegen manchmal etwas unzulänglich in ihren Entscheidungen, sprunghaft in ihren Gedanken und Emotionen. Wer mag bei dieser Aussicht auf die Zukunft nicht verzweifeln. Doch Ian McEwan wählt einen anderen Weg, der der Menschheit eine Hoffnung gibt, die auch ertragen werden muss.

Mit diesem ausgesprochen intelligenten Werk macht der Autor seinen geneigten Lesern die große Freude, ein hochaktuelles Thema aufzuarbeiten und mit seinen Schlüssen zu überzeugen.