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Veröffentlicht am 08.01.2020

Sommerhütte

Wisting und der fensterlose Raum
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Der Politiker Bernhard Clausen ist einem Herzleiden erlegen. Beim Sichten seiner Unterlagen macht ein Parteifreund eine unerwartete Entdeckung. Kommissar Wisting wird danach mit der Bildung einer Sonderkommission ...

Der Politiker Bernhard Clausen ist einem Herzleiden erlegen. Beim Sichten seiner Unterlagen macht ein Parteifreund eine unerwartete Entdeckung. Kommissar Wisting wird danach mit der Bildung einer Sonderkommission betraut. Er und seine Kollegen sollen herausfinden, wie die Summe von 80 Millionen Kronen in den Besitz des Politikers kommen konnte. Spuren gibt es wenige und der Tod Clausens hatte eindeutig natürliche Ursachen. Wisting zieht auch seine Tochter Line hinzu. Die Journalistin bekommt vielleicht unbefangenere Antworten als er. Als Wisting alte Fallakten hinzuziehen will, sind diese schon bei seinem alten Bekannten Adrian Stiller von der Abteilung Cold Cases.

Zum zweiten Mal ermitteln Wisting und Line in Zusammenarbeit mit der Abteilung für ungelöste Fälle. Die Suche nach der Herkunft des Geldes führt letztlich zu gleich zwei alten Fällen, wobei allerdings nicht sofort ein Zusammenhang ausgemacht werden kann. Da die Ermittlungen der Öffentlichkeit nicht bekannt werden sollen, hat Wisting die Möglichkeit seine Sonderkommission in seinem Haus zu installieren. Das kommt auch seiner Rolle als Teilzeit Opa für seine kleine Enkelin Amalie zupass. So hat Line die Möglichkeit tiefer in die Nachforschungen einzusteigen. Sie trifft sich mit Stiller, um Informationen auszutauschen. Dieser wird bald misstrauisch. Weiß Line etwa mehr als er?

Gerade die Ermittlungen zum Ursprung des Geldes sind ausgesprochen einfallsreich und überraschend. Auch zu erfahren, wie die die verschiedenen Fäden verstrickt sind, fesselt ungemein. Zwar hatte wäre auch vorstellbar, das Stiller ein größerer Anteil hätte zugestanden werden können und das Ende wird dann etwas plötzlich erreicht. Das hindert einen jedoch nicht, sich in die Lektüre zu vertiefen und diesen packenden Kriminalroman in fast einem Rutsch zu verschlingen. Jørn Lier Horst ist einer, der sein Handwerk versteht und sein Publikum immer mit packenden Lektüren verwöhnt.

Veröffentlicht am 05.01.2020

Lazy Summer

Sweet Sorrow
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Charlie hat gerade keine gute Phase. Durch die Trennung seiner Eltern hat er die Lust an der Schule verloren. Nun war der letzte Schultag und auf seine Prüfungen kann er nicht bauen. Zwar kommen die Ergebnisse ...

Charlie hat gerade keine gute Phase. Durch die Trennung seiner Eltern hat er die Lust an der Schule verloren. Nun war der letzte Schultag und auf seine Prüfungen kann er nicht bauen. Zwar kommen die Ergebnisse erst am Ende des Sommers, aber Charlie weiß einfach, das war nichts. Seine Schwester ist mit der Mutter bei dem neuen Lover eingezogen und er musste bei seinem depressiven Vater bleiben. Es könnte wirklich alles besser sein. Das Lesen wird ihm ein Trost und eines Nachmittags, als Charlie sich auf seine Lieblingswiese zurückgezogen hat, fällt ihm die wunderbare Fran Fisher vor die Füße.

Mit Frans Auftauchen beginnt Charlies Abenteuer des Sommers, sie bringt ihn dazu, bei einer Shakespeare Produktion von „Romeo und Julia“ mitzumachen. Was für eine Zeit steht den jungen Leuten bevor. Besonders für Charlie bedeutet es ein Ausbrechen aus dem trüben Alltag, in dem er sich mehr als Betreuer seines Vaters vorkommt als dessen Sohn. Na klar, eigentlich will er nur mit Fran ausgehen und nichts mit der Theatergruppe zu tun haben. Nach und nach jedoch beschäftigt er sich doch mit dem Text. Wobei die Übungen mit Fran sehr hilfreich sind und natürlich helfen sie auch, Charlies Wunsch nach mehr Zeit mit Fran zu erfüllen.

So lazy ist der Sommer garnicht. Das soll den jungen Leuten erstmal einer nachmachen, sich in ein Stück von Shakespeare zu vertiefen, es zu interpretieren. Mit leichter Hand zeichnet der Autor ein bezauberndes Bild eines jungen Mannes, der aus der Zeit heraustritt und den Sommer seines Lebens erlebt. Eine Auszeit, die zu Beginn unendlich scheint, deren Ende doch irgendwann naht und die der Realität weichen muss. Fast überirdisch schön scheint dieser Sommer und auch sehr wichtig, denn kein junger Mensch sollte sich um seinen Vater so kümmern müssen wie Charlie. Manchmal verlangt das Leben einfach zu viel von jungen Menschen. Bewundernswert mit welcher Kraft Charlie seine Chance für ein eigenes Leben ergreift. Die emotionalen und witzigen Dialoge zwischen ihm und Fran machen so viel Spaß beim der Lektüre, dass man das Buch am liebsten gleich noch einmal lesen möchte.

Ein Coming-of-Age Roman, in dem genau die richtige Portion Süße und Realität gemischt sind. Ein Roman zum Verlieben.

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Veröffentlicht am 04.01.2020

Aufstand

Juni 53
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Die noch junge DDR sollte eigentlich ein aufstrebender Staat sein. Der Sozialismus ist zum Guten für alle Menschen, sie werden versorgt und ihre Arbeitsleistung läuft nach Plan. Doch die Menschen sind ...

Die noch junge DDR sollte eigentlich ein aufstrebender Staat sein. Der Sozialismus ist zum Guten für alle Menschen, sie werden versorgt und ihre Arbeitsleistung läuft nach Plan. Doch die Menschen sind nicht zufrieden. Das Plansoll ist zu hoch und der Lohn ist nicht besonders hoch. Um den siebzehnten Juni 1953 kommt es zu Aufständen, die niedergeschlagen werden. Kommissar Max Heller, dessen Chef von einem Neuen vertreten wird, bekommt die Aufklärung eines Mordes übertragen. In einer Fabrik für Glasfaserprodukte wird ein Mitarbeiter in einem Behälter für die gefährlichen Fasern tot aufgefunden.

Max Heller und besonders seine Frau Karin leiden an der DDR. Immer wieder kommt der Gedanke, zu ihrem Sohn Erwin in den Westen zu gehen. So wie viele andere Menschen das Land verlassen. Dass die Aufstände niedergeschlagen werden und die vermeintlichen Rädelsführer von dem Staatssicherheitsdienst verhaftet werden, bestärkt sie eher. Schließlich blicken sie einer ungewissen Zukunft entgegen. Die Gesundheit der alten Frau Marquard, die sie aufgenommen hat, wird immer schwächer. Hellers Position bei der Polizei ist auch nicht die Beste, da er sich weigert in die Partei einzutreten. Und ihr jüngerer Sohn Klaus hat sich dermaßen dem neuen Staat verschrieben, dass er keinen guten Kontakt mehr zu seinen Eltern hat.

Mit diesem fünften Band um Kommissar Max Heller thematisiert Frank Goldammer den Arbeiteraufstand vom 17. Juni. Der Mordfall in der Fabrik gerät dabei fast etwas ins Hintertreffen. Die Beschreibung des Lebens in der jungen DDR ist allerdings sehr fesselnd. Die Durchdringung des alltäglichen Lebens und Arbeitens durch die Politik, die Formung der Menschen durch den Staat, das wird durch die Schilderungen sehr plastisch. Schauderhaft wie da schon wieder ein Staat in seine Bürger hinein manipuliert. Wobei sich natürlich auch die Frage stellt, ob die Menschen im Westen nicht auch gesteuert werden, nur etwas subtiler. Aus heutiger Sicht wirkt diese Sicherheit, die der Staat verteilt, eher bedrohlich. Dennoch ist verständlich, dass etliche Menschen in der DDR ein gutes Leben führten. Ihnen fehlte nicht viel außer der Freiheit, die heute manchmal überhaupt nicht mehr geschätzt wird. Gerade indem der Autor aufzeigt, wie es damals war oder zumindest gewesen sein könnte, liegt die besondere Qualität dieses Romans. Es wäre schön, wenn es eine ehrliche Erinnerung gäbe, die Gutes und Ungutes aufzeigt.

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Veröffentlicht am 24.12.2019

Ulaanbaatar PD

Der Mongole - Das Grab in der Steppe
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Kommissar Yeruldelgger Khaltar Guichyguinnkhens Name bedeutet „Geschenk der Fülle der Familie der Hündin mit dreckiger Visage“ Er soll künftig Yeruldelgger genannt werden. Eben jener Yeruldelgger, Kommissar ...

Kommissar Yeruldelgger Khaltar Guichyguinnkhens Name bedeutet „Geschenk der Fülle der Familie der Hündin mit dreckiger Visage“ Er soll künftig Yeruldelgger genannt werden. Eben jener Yeruldelgger, Kommissar in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar, wird in die zwei Autostunden entfernte Steppe gerufen. Die dort kampierenden Nomaden haben ein Kinderdreirad gefunden. Schon will sich der Kommissar verärgert wegen der Kleinigkeit aufregen, da taucht die zusammengekrümmte Kinderhand unter dem kleinen Gefährt auf. Nachdem der Älteste dem Kommissar die Seele des toten Kindes anvertraut hat, übernimmt Yeruldelgger die Aufgabe, den Tod des kleinen Mädchens aufzuklären. Unterdessen untersucht seine Partnerin Oyun einen Tatort, an dem drei Chinesen brutal ermordet wurden.

Eigentlich ist Yeruldelgger ein gebrochener Mann. Vor fünf Jahren wurde eine eigene kleine Tochter, nachdem sie entführt wurde, getötet. Seine ältere Tochter hat sich von ihm abgewandt und seine Ehe ist in die Brüche gegangen. Etwas anderes als Polizist kann Yeruldelgger nicht mehr, doch darin ist er gut. Nicht immer hat er sich bei den Ermittlungen im Griff, doch mit seiner instinktiven Verbindung zwischen dem modernen Stadtleben und seiner Herkunft von den Nomaden der Steppe, durchschaut er manche Verbrecher eher als seine Kollegen. Diese beiden neuen Fälle stellen ihn jedoch vor ungeahnte Probleme, denn so langsam muss er sich seiner Vergangenheit stellen.

Allein schon wegen des aus hiesiger Sicht abgelegenen Ortes macht dieser Kriminalroman auf sich aufmerksam. Das allein würde vielleicht nicht ausreichen, um die immer in über 600 Seiten zu verschlingen. Doch die Mischung aus Information, Lokalkolorit, spannendem Fall und faszinierenden Charakteren ist ausgesprochen gelungen. Man bekommt schon einen Spiegel vorgehalten, wenn man feststellt, dass die Menschen in der Steppe auch nicht hinter dem Mond leben. Und auch die Auswüchse ihrer Interpretation der europäischen Vergangenheit werden verständlich. Für die Fülle, die dieser packende Krimi bietet, reichen die 600 Seiten so gerade aus. Und wer sich dafür interessiert, in diese unbekannte Welt einzutauchen, die doch nicht so total anders erscheint, wird diesen Roman einmal begonnen kaum aus der Hand legen können.

Veröffentlicht am 08.12.2019

Außergewöhnliche

Vicious - Das Böse in uns
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Victor Vale und Eliot Cardale lernen sich an der Lockland University kennen. Sie sind hochintelligente Medizinstudenten und Freunde. Aber nicht so richtige Freunde. Und nun müssen sie ihre Abschlussarbeiten ...

Victor Vale und Eliot Cardale lernen sich an der Lockland University kennen. Sie sind hochintelligente Medizinstudenten und Freunde. Aber nicht so richtige Freunde. Und nun müssen sie ihre Abschlussarbeiten abgeben. Eli will mit seinem Thema provozieren und ruft damit Geister, die er eigentlich nicht wecken wollte. Und nun wollen sowohl er als auch Victor sterben, um zu leben, um außergewöhnlich zu werden. Eliot meint nämlich, es müsse Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten geben und er wollte die Gesetzmäßigkeiten finden, aus den die Außergewöhnlichen entstehen. Victor geht einen ketzerischen Schritt weiter. Kann man diese außergewöhnlichen Fähigkeiten erwerben?

Irgendwie gelingt das Experiment, aber zu einem hohen Preis. Mit der Freundschaft der jungen Männer ist es vorbei. Und jeder für sich muss feststellen, dass etwas fehlt. Jahre vergehen und beide haben sehr unterschiedliche Wege beschritten. Vergessen haben sie sich aber nie und beide haben beschlossen, dass es besser für die Menschheit ist, wenn der jeweils andere endgültig und für immer aus dem Verkehr gezogen wird. Zwischen Vergangenheit und Gegenwart pendelt die Handlungsebene dieser auf eine Trilogie angelegte Geschichte. Im weitesten Sinne fühlt man sich vielleicht an Jekyll und Hyde erinnert, denn die außerordentlichen sind eher keine Stubentiger.

Alte Freunde und neue Freunde, alte Feinde und neue Feinde. Toleranz und Auslöschung. Victor und Ele starten an einem Ausgangspunkt und entwickeln sich doch ganz unterschiedlich. Zum fünften Gebot (Du sollst nicht töten) haben sie eine sehr eigene Einstellung. Doch wie der Titel dieses Pageturners schon andeutet, sowohl Eli als auch Vic sind vicious, sie tragen Böses in sich. Doch irgendwie schafft es die Autorin Sympathien zu wecken. Vielleicht schlägt man sich auf eine Seite, auf jeden Fall aber erwartet einen atemberaubende Spannung und reichlich wenig Entsetzen über Menschen, die einfach weggefetzt werden. Dennoch kann man den Roman einmal begonnen nicht mehr aus den Händen legen. Viel zu schnell ist deshalb das Ende erreicht und es bleibt nichts anderes als auf den nächsten Band zu warten.

Außerordentlich spannend und nichts für schwache Nerven.

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