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Veröffentlicht am 15.07.2023

Die Dozentin

Komplizin
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Sarah Lai ist nicht die erste in der Familie, die studiert hat. Nein, ihre Eltern, die ein chinesisches Restaurant führen, haben allen ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglicht. Doch Sarah ist seit ...

Sarah Lai ist nicht die erste in der Familie, die studiert hat. Nein, ihre Eltern, die ein chinesisches Restaurant führen, haben allen ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglicht. Doch Sarah ist seit ihrer Kindheit liebt sie das Kino und den Film. Deshalb hat sie an der Columbia in diesem Bereich studiert. Mit ihrer asiatischen Herkunft ist es nicht so leicht, eine Stelle zu finden. Mit Glück findet Sarah einen Praktikumsplatz bei einer Filmproduktionsfirma. Es läuft alles ganz gut bis ein aufwendiger Film produziert werden soll und ein Geldgeber gebraucht wird. Zehn Jahre später ist Sarah schon lange raus. Sie arbeitet als Dozentin, um ihren Studenten das Drehbuchschreiben beizubringen.

Sarahs Geschichte beginnt ungefähr 2006. Eine Zeit, in der noch die alten Regeln herrschen. Film hat Glamour, ist aber auch ein hartes Geschäft. Manchmal geht es nicht nach dem künstlerischen Anspruch, sondern nachdem, was der Geldgeber bestimmt oder vielleicht noch, was dem Massenpublikum gefallen könnte. Für Idealismus bleibt keine Zeit. Und Sarah will mit dem Strom schwimmen. Sie lässt sich sämtliche Arbeiten aufdrängen und sieht über unangenehme Situationen hinweg. Sie lässt sich locken, denn sie hat Ziele. Vielleicht will sie selbst einmal verantwortliche Produzentin sein. Verschließt sie ihre Augen zu viel?

Spannend ist, dass Sarah in der Rückschau berichtet. Ihre Karriere ist dahin, als einfache Dozentin mit desinteressierten Studenten ist sie in der Bedeutungslosigkeit versunken. Gebannt folgt man Sarahs Gesprächen mit einem jungen Journalisten der New York Times. Die MeToo-Debatte ist in vollem Gange. Was hat Sarah zu dem Thema zu sagen. Sie hat eine gewisse Distanz und eine etwas überraschende Sicht auf die Dinge. Ihr innerer Kampf um die Frage, wie offen sie dem Reporter gegenüber sein kann, ist gut nachvollziehbar geschildert. Ob man das Filmgeschäft nach der Lektüre noch mag, kann bezweifelt werden. Hoffentlich hat sich heute etwas geändert. Die Debatte ist wahrscheinlich noch längst nicht abgeschlossen, doch niemand sollte sich subtil zu irgendetwas gezwungen sehen, nur weil negative Folgen im Beruf gefürchtet werden müssen. Ein interessanter Roman mit einer ungewöhnlichen Sichtweise auf ein drängendes Thema unserer Zeit.

Veröffentlicht am 14.07.2023

Devotion - Hingabe

Die Sammlerin der verlorenen Wörter
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Noch bevor sie lesen kann darf Esme mit ins Scriptorium. Ihre Mutter ist schon verstorben und wird von ihrem Vater immer noch vermisst. Doch er unternimmt alles, damit es seiner kleinen Esme an nichts ...

Noch bevor sie lesen kann darf Esme mit ins Scriptorium. Ihre Mutter ist schon verstorben und wird von ihrem Vater immer noch vermisst. Doch er unternimmt alles, damit es seiner kleinen Esme an nichts fehlt. Oft sitzt sie unter dem Schreibtisch und beobachtet die Schuhe ihres Vaters und seiner Kollegen. Diese arbeiten daran, das neue Oxford Englisch Dictionary zusammenzustellen. Eine schier unendliche Aufgabe, denn die Worte werden mit ihren unterschiedlichen Bedeutungen erklärt, ihre Herkunft erläutert und es werden Zitate als Beleg ihrer Existenz gegeben. So findet Esme schon früh zu den Wörtern, aber sie merkt auch, dass manche Wörter einfach verloren gehen.

Ein Denkmal für ein Wörterbuch, welch ein schönes Thema, wenn man selbst den Wörtern und Worten verbunden ist. Einen großen Teil ihrer Kindheit verbringt Esme am Arbeitsplatz ihres Vaters, sie kennt die Männer, die über die Wörter bestimmen, die ins Dictionary dürfen. Es kann aber auch sein, dass ein Wort, welches auf seinem Belegzettel zu Boden fällt, in ihrer geheimen Truhe landet. Dort bewahrt Esme im Laufe ihres Lebens die verlorenen Wörter auf, aber auch Wörter, die sie selbst sucht, und Frauenwörter, die es wohl nie ins Wörterbuch schaffen werden. Esme hat ein behütetes Leben, aber um den Wechsel des 19. auf das 20. Jahrhundert bemerkt auch sie, wie sich die Welt ändert.

Man möchte aufhören, wenn es am Schönsten ist. Immer langsamer wendet man die Seiten, weil man möchte, dass die Zeit für Esme stehen bleibt. Ihr Leben mit den Wörtern berührt und ihr Leben mit den Menschen macht manchmal traurig, ist manchmal lehrreich und machmal süß. Esme hätte viel mehr von der Süße des Lebens verdient. Doch ihre verlorenen Wörter werden überdauern, wenn vielleicht auch nicht in der Realität, so doch im Herzen der Leser. Vielleicht hat ja auch das eine oder andere Wort inzwischen auch ins ehemals so von Männern geprägte Oxford Englisch Dictionary geschafft. Die web.site des OED kann gerne empfohlen werden, ein Lesezeichen ist schnell gesetzt. Ein wunderbares Buch über eine beeindruckende Frau, eine ereignisreiche Zeit und eine Hommage an die Wörter. Einfach klasse.

Veröffentlicht am 13.07.2023

Aotearoa

6 Tote
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Die Polizistin Hana Westerman tut ihren Dienst in Auckland. Ihre siebzehnjährige Tochter Addison, die bei ihrem Vater lebt, probiert sich als Künstlerin und Sängerin aus. Hana und ihr Ex-Mann Jaye werden ...

Die Polizistin Hana Westerman tut ihren Dienst in Auckland. Ihre siebzehnjährige Tochter Addison, die bei ihrem Vater lebt, probiert sich als Künstlerin und Sängerin aus. Hana und ihr Ex-Mann Jaye werden werden auch die Wache gerufen. Es scheint so als habe Addison diesmal über die Stränge geschlagen. Bald darauf entdeckt Hana einen Toten, der in einem geheimen Raum versteckt ist. Er wurde mit gefesselten Händen und Füßen aufgehängt. Ein Mord, für den es kein Motiv zu geben scheint. Allerdings muss sie bald feststellen, dass die die Nachforschungen zu dem Todesfall sie auch mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontieren werden.

Laut Klappentext soll dies der erste Fall für Hana Westerman sein, wobei man gespannt sein darf, was für eine Überleitung der Autor wählen wird. Hana gehört zu den Maori und schon als junge Frau stand es für sie fest, dass das der richtige Beruf für sie ist. Sie hat gelernt in ihrem Beruf nach vorne zu blicken und immer den nächsten schwierigen Fall zu lösen. Dass sie jedoch wegen ihrer Herkunft und der Kolonialgeschichte Neuseelands einmal an ihren Idealen zweifeln würde, damit hat sie nicht gerechnet. Doch Hana Westerman will und muss sich stellen. Jaye, der nicht nur ihr Ex, sondern auch ihr Chef ist, ist in die Ermittlungen eingebunden.

Mit Detective Senior Sergeant Hana Westerman betritt eine sehr interessante Ermittlerin die Bühne, wobei Auckland auch ein tolles Setting ist. Während des Lesens ist festzustellen, wie wenig über die Geschichte Neuseelands und ihrer Einwohner bekannt ist. Auch am anderen Ende der Welt sind die Kolonialmächte sehr rücksichtslos und unachtsam mit denen umgegangen, die eigentlich eher da waren. Erst in der heutigen Zeit wird Eigentum zurückgegeben, allerdings bei weitem nicht in dem Umfang, der angemessen wäre. Und Hana hat den Weg zu den Weißen gewählt, was ihre Familie nicht vollständig verstehen kann. Dieser Widerspruch zwischen der Tradition ihrer Herkunft und den Ansprüchen des von Weißen geprägten Polizeidienstes trägt diesen Roman. Es dauert ein Weilchen, bis das erkennbar wird, doch dann hat man einen ausgesprochen packenden Kriminalroman, der so lehrreich ist, dass man gerne bald mit dem nächsten Fall weiterlernen möchte. Ein sehr gelungener Reihenstart.

Veröffentlicht am 11.07.2023

Ein letzter Wunsch

Nebelopfer
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Der Häftling Cord Johannsen hat Krebs und er möchte seinen Sohn noch ein letztes Mal sehen. Vor Jahren ist der Junge, der inzwischen erwachsen ist, dem Mord an seiner Mutter und seinen zwei Brüdern nur ...

Der Häftling Cord Johannsen hat Krebs und er möchte seinen Sohn noch ein letztes Mal sehen. Vor Jahren ist der Junge, der inzwischen erwachsen ist, dem Mord an seiner Mutter und seinen zwei Brüdern nur knapp entkommen. Sein Vater wurde als Täter beschuldigt und verurteilt. Der Fall gilt als abgeschlossen, bis eine Leiche erhängt an einem alten Galgenbaum gefunden wird. An dem Toten ist ein Schriftstück befestigt, auf dem steht, er Tote habe beim damaligen Prozess eine Falschaussage gemacht. Bjarne Haverkorn und seine Kollegin Frieda Paulsen beginnen mit der Suche nach dem Mörder.

Im fünften Fall von Frieda Paulsen und Bjarne Haverkorn deuten sich einige Veränderungen an. Ein neuer Kollege kommt ins Team und Bjarne muss immer häufiger daran denken, dass es bis zu seiner Pensionierung nicht mehr lange dauert. Frieda versucht, ihrem Freund Torben nach seiner schweren Verletzung eine Stütze zu sein. Doch die Ermittlungen nehmen viel ihrer Zeit in Anspruch. Schwierig ist es mit ihrem Chef, der keinen Zusammenhang mit dem Mord und den alten Mordfällen sehen will. Ein gelöster Fall ist gelöst, sie sollen sich lieber auf die laufende Untersuchung konzentrieren. Doch bei Bjarne und Frieda keimt der Verdacht auf, Cord Johannsen könnte unschuldig sein.

Bei den Hörbüchern dieser Reihe ist man an Michael Mendl gewöhnt und so ist man etwas überrascht, diesmal eine Frauenstimme zu hören. Das muss man ein wenig verdauen, um dann festzustellen, dass Chris Nonnast auch einen sehr guten Vortrag zum Besten gibt. Wie schon erwähnt, gibt es auch im Ermittlerteam einige Veränderungen, die den Gedanken aufkommen lassen, die Reihe könne zum Ende kommen. Zum Glück ist aber ein sechster Band angekündigt. Der Fall mit seinen Verwicklungen ist spannend. Die Frage, ob bei den alten Mordfällen tatsächlich ein Justizirrtum geschah, wird so angegangen, dass man immer wissen will, was damals wirklich passiert ist. Hat diese alte Sache etwas mit dem neuen Mord zu tun? Schön, wie die beiden Handlungsstränge sich entwickeln. Dieses ermitteln in alle Richtungen ist sehr gut beschrieben.. Vielleicht nicht der packendste Fall der Reihe, doch von Bjarne Haverkorn und Frieda Paulsen liest man immer wieder gerne.

Veröffentlicht am 09.07.2023

Das Schwert

Wattenmeergrab
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Mal wieder hat Tamme Hansen ein glückliches Händchen. Im Watt bei der Insel Pellworm findet er ein antikes Schwert. Was das wohl wert ist? Aber wie es sich gehört, gibt er es bei den Behörden ab. Kurz ...

Mal wieder hat Tamme Hansen ein glückliches Händchen. Im Watt bei der Insel Pellworm findet er ein antikes Schwert. Was das wohl wert ist? Aber wie es sich gehört, gibt er es bei den Behörden ab. Kurz darauf wird garnicht so weit von der Fundstelle des Schwertes eine tote Frau entdeckt. Inselpolizist Jan Benden eilt mit Bauer Claas Hamkens und seinem Friesen Knut los, um die Leiche zu bergen. Benden ist froh, dass sein selbst ernannter Assistent Tamme zu einer Familienfeier auf dem Festland ist. Bald stellt sich heraus, dass die Tote die Ehefrau eines bekannten Immobilienmoguls ist.

In diesem dritten Band der Reihe um Inselpolizist Jan Benden und seinen krimiverrückten Kumpel Tamme Hansen gekommen es die beiden mit einem verzwickten Fall zu tun. Eigentlich gehört die Verstorbene zu den Reichen und Schönen. Wer sollte ein Motiv haben? Natürlich gerät der Ehemann unter Verdacht, der allerdings hat ein wasserdichtes Alibi. Tamme, der, nachdem er von dem Leichenfund erfahren hat, sofort nach Pellworm zurückgekehrt ist, phantasiert von einem Auftragskiller. Und er hat auch schon einen Verdächtigen. Jan, der aus anderen Gründen wirklich ein Hühnchen mit Tamme zu rupfen hat, findet das dann doch ein wenig sehr abwegig.

Wie nach zwei Vorgängerbänden schon gewohnt ist dies ein richtiger gute Laune Krimi. Tamme Hansen ist ein liebenswertes Original. Seine kriminalistischen Fähigkeiten schätzt er selbst recht hoch ein, was Jan nicht immer nachvollziehen kann. Doch auch Jan muss seine Kompetenzen manchmal etwas dehnen, meist ist er aber so schlau, dies mit seiner Vorgesetzten und der Kripo in Flensburg abzusprechen. Die Kabbeleien zwischen Jan und Tamme machen einen großen Teil des Charmes dieser Reihe aus. Doch auch der Fall ist spannend und es ist nicht alles so offensichtlich wie man zu Beginn vielleicht meint. Der Roman ist gerade richtig, um sich gedanklich den Nordseewind um die Nase wehen zu lassen.