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Veröffentlicht am 29.07.2022

Ein Krimi!

Bretonische Nächte
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Kadegs 89jährige Tante und Ziehmutter stirbt auf der Terrasse ihres geliebten Hauses. Aus sentimentalen Gründen sucht Kadeg die Abtei auf, um seiner Tante zu gedenken. Seine Kollegen müssen entsetzt erfahren, ...

Kadegs 89jährige Tante und Ziehmutter stirbt auf der Terrasse ihres geliebten Hauses. Aus sentimentalen Gründen sucht Kadeg die Abtei auf, um seiner Tante zu gedenken. Seine Kollegen müssen entsetzt erfahren, dass Kadeg auf dem Grundstück niedergeschlagen und schwer verletzt wurde. Kommissar Dupin macht sich sofort auf und zum Glück kann er erreichen, dass er und die Kollegen gemeinsam mit der örtlichen Polizei ermitteln dürfen. Nachdem sie sich überzeugt haben, dass Kadeg den Umständen entsprechend relativ wohlauf ist, beginnen sie an der Abtei mit den Befragungen derer, die sich zuletzt auf dem Grundstück der Verstorbenen auf gehalten haben.

Kommissar Dupins elfter Fall hat für ihn und seine Kollegen eine sehr persönliche Note. Einer der ihren, ihr Kadeg, wurde angegriffen und sie alle machen sich große Sorgen. Umso energischer beginnen sie mit ihren Ermittlungen. Und doch müssen sie behutsam vorgehen. Schließlich sind viele der Zeugen genauso trauernd wie Kadeg. Sie haben das Herz der Familie verloren, die für ihr Alter eigentlich noch gut drauf war. Allerdings gab es Zeichen des Todes, zum Beispiel wurde eine Elster gesichtet. Sie waren deshalb nicht ganz so überrascht über den plötzlichen Herztot der alten Dame. Kommissar Dupin jedoch hat ein ungutes Gefühl.

Endlich mal wieder ein ordentlicher Krimi. Zurecht ist dieser Roman auf Platz Eins der Paperback-Bestenliste gelandet. Nur zu Beginn könnte es etwas schneller vorangehen. Doch die tollen Beschreibungen der bretonischen Landschaften, ihrer liebenswerten Einwohner mit ihren Eigenheiten und den Traditionen, die lebendig sind wie kaum woanders sonst. Hat man einige der Verfilmungen gesehen, entstehen bald die entsprechenden Bilder vor den Augen. Ein gleichzeitiges Wiederlesen und gedankliches Wiedersehen mit lieb gewonnenen Figuren, das Freude macht. Kommissar Dupin und sein Autor sind tolle Botschafter für die Bretagne. Beim Lesen der Bücher fühlt man sich wie auf Besuch bei Freunden. Dass Dupin einen perfekt in die Landschaft eingefügten Kriminalfall zu lösen hat, ist noch das größte Plus. Ein Roman, den man inhaliert, gefesselt von der Frage, wieso Kadeg so brutal angegriffen wurde.

Veröffentlicht am 27.07.2022

Brandgefahr

Der Anfang von morgen
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Ihr Haus haben sie vermietet und nun verbringen Didrik, seine Frau und die drei Kinder die Tage in einem Sommerhaus. Es herrscht eine Hitzewelle und die Waldbrandgefahr steigt schon seit Längerem. Nun ...

Ihr Haus haben sie vermietet und nun verbringen Didrik, seine Frau und die drei Kinder die Tage in einem Sommerhaus. Es herrscht eine Hitzewelle und die Waldbrandgefahr steigt schon seit Längerem. Nun sind Brände ausgebrochen und nicht mehr unter Kontrolle. Die Familie will nach Stockholm zurück. Entsetzt müssen sie feststellen, dass die Zivilisation schneller wegbricht als sie es für möglich gehalten hätten. Die Straßen sind verstopft, Sammelplätze kaum zu erreichen und da niemand mit der Katastrophe gerechnet hat, werden auch schnell die Vorräte knapp. Zwar helfen sich Menschen gegenseitig, aber viele sind sich selbst die Nächsten.

Aus Sicht von Didrik, seiner jungen Geliebten Melissa, dem ohne Halt dahin treibenden André und Didriks Tochter Vilja bekommt man einen Einblick wie sie diese Ausnahmesituation einer wirklich bedrohlichen Naturkatastrophe erleben. In Schweden, einem Land, welches sich vor derartigen Ereignissen einigermaßen sicher geglaubt hatte. Doch der Klimawandel macht auch vor der Wohlfahrtsgesellschaft nicht halt. Die Vier reagieren sehr unterschiedlich und suchen verschiedene Wege, sich an die außergewöhnliche Lage anzupassen. Je länger es dauert, desto eher bildet sich wieder eine Art Normalität, die allerdings mit der Welt vorher nicht zu vergleichen ist. Kann die Gesellschaft in diesem Ausnahmezustand bestehen? Zumindest kann sie es versuchen.

Der Ansatz dieses Romans ist an Aktualität kaum zu überbieten. Wie man auch hier im letzten Jahr an der Flutkatastrophe gemerkt hat, ist man nirgendwo gefeit vor einem dramatischen und für möglicherweise große Teile der Bevölkerung sehr bedrohlichen Ereignis. Leider ist es schwierig, den Protagonisten wirklich zu folgen, da sie weder in ihren Reaktionen noch in ihren Ansichten wirklich sympathisch werden. Eine Ausnahme bildet Vilja, die tatsächlich an der Situation zu wachsen scheint. Dass sich die Zeiträume, in der die handelnden Personen begleitet werden, teilweise überschneiden, ist ein interessanter Ansatz, aus dem der Roman allerdings nicht so viel Spannung ziehen kann. Leider hält der Roman nicht ganz, was die Neugier weckende Beschreibung verspricht. Dafür ist die Thematik des Buches mit dem Cover gut dargestellt.

Veröffentlicht am 26.07.2022

Poetische Mathematik

Lehne deine Einsamkeit sanft an meine
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Wie schön wenn Rakel für jemanden ein Mirakel wäre. Schon als Kind liebt sie die Zahlen und die Musik. Ihr Vater ist Wissenschaftler genau wie ihre Mutter. Die hat ihre Karriere ihrer kleinen Tochter geopfert, ...

Wie schön wenn Rakel für jemanden ein Mirakel wäre. Schon als Kind liebt sie die Zahlen und die Musik. Ihr Vater ist Wissenschaftler genau wie ihre Mutter. Die hat ihre Karriere ihrer kleinen Tochter geopfert, wie sie betont. Mit Neunzehn zieht Rakel nach Oslo, um dort zu studieren. Mit ihrem Zahlenverständnis und ihrer Lust, mathematische Rätsel zu lösen, fällt sie schnell auf. Ein Professor erkennt nicht nur ihr herausragendes Talent, sondern auch ihre außergewöhnliche Persönlichkeit. Rakel glaubt, einen Seelenverwandten gefunden zu haben. Keiner sonst versteht sie so gut wie Jakob. Sie möchte am Liebsten immer mit ihm zusammen sein.

Rakel und Jakob ergänzen sich, ihre Ausdrucksweise, ihre Liebe zur Mathematik, ihre Vorliebe für bestimmte Romane und Gedichte. Sie sind sich nahe, fast als hätten sie endlich jemanden gefunden, dem sie ihre tiefsten Empfindungen offenbaren könnten. Rakel, die ihrem eigenen Bekunden nie Freunde hatte, ist jedoch recht unerfahren. Und obwohl Jakob noch verheiratet ist, glaubt Rakel fest daran, dass sie irgendwann für immer zusammensein werden. Bis die Kinder groß sind, will sie getreulich auf ihn warten und auf eine enge Beziehung verzichten. Ein Trost sind ihr die Gespräche über eine der ersten Frauen, die Mathematikerin war, Sofja Kowalewkaja.

Man muss nicht Mathematik studiert haben, um diesen Roman genießen zu können. Auch wenn man sich einen klareren Abschluss wünschen würde, so saugt man doch jeden Satz, jedes Wort dieses berührenden Werkes auf. Die poetische Sprache vermag zu begeistern. Rakels Persönlichkeit macht einen mit ihrer ungewöhnlichen, aber sehr ansprechenden Weise zu denken und zu fühlen bekannt. Sehr direkt fühlt sie, um die Ecke denkt sie, sie ist so schnell im Denken, dass man nur staunen kann. Dabei bleibt sie empfindsam und zart. Dagegen ist Jakob eben nur ein Mann, der zwar auch Intelligenz besitzt, aber nicht die letzte Qualität. Und so entwickelt sich die anrührende und manchmal süße Liebesgeschichte zu einer Beziehung, die doch eher als erhofft in der Realität ankommt. Dieser melancholische Roman über eine Liebe, die nicht für die Ewigkeit gemacht ist, berührt das Herz.

Veröffentlicht am 25.07.2022

Unruhen

Amelia
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Amelia ist noch ein Kind als die Unruhen Ende der 1960er in Nordirland beginnen. Doch natürlich bekommt auch sie mit, dass die Zeit gefährlich ist. Umso stärker behütet sie ihre Schatzkiste, in der sie ...

Amelia ist noch ein Kind als die Unruhen Ende der 1960er in Nordirland beginnen. Doch natürlich bekommt auch sie mit, dass die Zeit gefährlich ist. Umso stärker behütet sie ihre Schatzkiste, in der sie ihre liebsten und wertvollsten Sachen gesammelt hat. Als ihr Bruder ihren heiligen Besitz, siebenunddreißig Gummigeschosse der britischen Armee, entwendet, ist sie schockiert. Doch dies ist nur der erste Schock, den sie zu überstehen hat. Da ist der Verwandte aus England, der im Einsatz für England quasi zum Feind wird, die Freundin, die stirbt oder die, die Bomben legt, der Kumpel, der mit Mühe entkommt.

Über fast dreißig Jahre spannt sich diese Lebensgeschichte eines Kindes, das zur Jugendlichen und zur Frau wird, immer unter dem Eindruck der Auseinandersetzungen zwischen Iren und Englandfreunden. Da kann es gefährlich werden, einfach nur vor die Tür zu gehen. Und wenn sich mal ein Silberstreif im persönlichen Leben der streitbaren und intelligenten Amelia abzeichnet, dann kann es auch sie selbst sein, die die Chance nicht wahrnehmen kann. Wird Amelia es schaffen, ihr eigenes Leben zu überstehen? Während die Kämpfe ohne Unterlass weitergehen, scheint es auch mit Amelia immer weiter bergab zu gehen.

Für jemanden, der selbst eine doch eher ruhige und unaufgeregte Kindheit und Jugend hatte, kann sich dieser Roman zu einer echten Tour de Force entwickeln. Amelia verteidigt sich, ist schlau, sie schlägt, sie ist alkoholsüchtig, sie isst lieber nicht, sie ist in England. Sehr plakativ werden ihre Lebensphasen geschildert und wenn man denkt und hofft, es kann nicht noch schlimmer werden, wird es schlimmer. Für so halbwegs normale Spießer ist es manchmal nicht leicht zu ertragen, was einem hier zugemutet wird. Man freut sich selbst überraschend am eigenen eher langweiligen Leben. Wie schön, dass man einfach mal in Urlaub fahren konnte, einfach arbeiten, das Leben nach den Möglichkeiten gestalten. Wenn man es vorher vielleicht nicht zu schätzen wusste, nun ist man doch dankbar. Man fragt sich manchmal, wieso Amelia so ist, sie scheint auf eine Art viel ertragen zu können, doch scheint ihr die Resilienz zu fehlen. Sehr eindrücklich ist dagegen die Schilderung, der Gefahr, die über allen schwebt. Bei jedem Schritt muss mit einem Geschoss gerechnet werden oder einer Bombe, die einem um die Ohren fliegt. Das gilt wohl für beide Seiten und man wünschte, sie seinen froh, dass dies überwunden schien. So sicher kann man sich da nicht mehr sein.

Veröffentlicht am 23.07.2022

Die Lage

RCE
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Die Lage ist aussichtslos und die Stimmung ist ohne Hoffnung. Die wenigen Reichen werfen mit Phrasen um sich, um schließlich noch mehr Geld zu scheffeln und den weniger Begüterten einzureden, man tue schon ...

Die Lage ist aussichtslos und die Stimmung ist ohne Hoffnung. Die wenigen Reichen werfen mit Phrasen um sich, um schließlich noch mehr Geld zu scheffeln und den weniger Begüterten einzureden, man tue schon das Beste. Für die Gruppe von Freunden um Ben, die schon einmal versucht haben die Welt zu retten, mittelfristig allerdings gescheitert sind, ist es an der Zeit die Situation zu verändern. Doch können einige noch immer relativ junge Nerds die Welt verändern? Schließlich ist der Versuch schon einmal schief gegangen und die Menschen scheinen noch träger und desinteressierter geworden zu sein.

Entvölkerte Landschaften, zu wenige Arbeitsplätze, leere Regale, heruntergekommene Häuser oder gar keine Häuser, Ausbeutung in den raren Jobs, Europa eine Festung der Überalterung. Gruselig. Kein Wunder, dass die Reichen sich lieber mit dem Kapital, dem Shareholder-Value beschäftigen. Sie bleiben unter sich und ihre Lobbyisten blasen den Politikern, die auch lieber nichts mit der Welt da draußen zu tun haben wollen, schon die richtigen Sätze ein, die zu der richtigen Politik führen. Dann werden die Reichen noch reicher und die Armen noch abhängiger. Die Freunde haben sich das nun lange genug angeschaut, so langsam ist es Zeit, etwas zu unternehmen.

Seit GRM sind einige Jahre vergangen. Die Menschheit steckt weiter in einer Krise, wie kann es erstrebenswert sein, freiwillig das Leben aufzugeben? Kein Wunder, dass Ben sich an seine alten Freunde erinnert und sie gemeinsam einen Plan aufstellen, durch den sich alles ändern soll. Muss es schlimmer werden, damit es besser werden kann? Manchmal ist es so. Auch wenn die Form schon aus GRM bekannt ist, schafft es die Autorin wieder, ihre Leser zu fesseln. Die Beschreibung der überbordenden Macht der Algorithmen, der lenkbaren Individuen, die eigentlich keine individuellen Persönlichkeiten mehr sind, denn anstatt sich zu treffen, hängen sie lieber an ihren sozialen Geräten oder in ihren sozialen Netzen, wo sie am liebsten denen glauben, die unglaublichsten Geschichten erzählen. In so einer Welt möchte man nicht leben, man fragt sich allerdings, ob man nicht schon relativ nahe dran ist. Kann die Menschheit, die so hoffnungslos ist, bewegt werden, etwas zu ändern? Und mit welchen Mitteln? Auch wenn dieser Roman vielleicht nicht ganz den Esprit von GRM hat, so bearbeitet die Autorin diese spannende Frage mit packenden Worten. Wieder hält sie der Gesellschaft einen Spiegel vor. Schön, wenn dies zum Nachdenken anregte.