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Veröffentlicht am 14.05.2021

Streitkonsens

Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit
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Vielleicht kennt man den YouTube Kanal maiLab und hat eines oder mehrere der Videos gesehen. Dann wird man natürlich neugierig darauf, wie die Autorin ihre eingängigen, auch für Laien gut verständlichen ...

Vielleicht kennt man den YouTube Kanal maiLab und hat eines oder mehrere der Videos gesehen. Dann wird man natürlich neugierig darauf, wie die Autorin ihre eingängigen, auch für Laien gut verständlichen Videos, in Schriftform bringt. Doch vielleicht will sie das ja auch garnicht. Diese Frage ist recht schnell beantwortet, so ungefähr nach den ersten paar Sätzen. Ihre gradlinige, deutliche und dabei von der Wissenschaft geprägte Art kommt auch in Schriftform sehr sympathisch rüber und man startet mit der eigentlichen Lektüre. Man beschäftigt sich mit Themen wie der Gewaltbereitschaft von Gamern oder der Möglichkeit der Freigabe von Drogen und der unterschiedlichen Bezahlung von Frauen und Männern. Man lernt über Methoden, die weiterbringen und von wissenschaftlich konstruktivem Streit. Immer hat man die offene sympathische Wissenschaftlerin vor Augen, die für das, was sie sich zur Aufgabe gemacht hat, lebt.

Die Wissenschaft ist nicht dröge und auch, wenn man als Laie nicht hundertprozentig alles versteht, so versteht man doch das Meiste und wird vielleicht einige Themen durch einen anderen Filter sehen. Eine Art wissenschaftlicher Diskurs in seiner Sachlichkeit könnte eine Erholung gegenüber der heutigen Aufgeregtheit bieten, in der jeder Recht hat und keiner zuhört. Einem anderen seine Position gönnen, sie, wo sie in die Irre geht, sachlich widerlegen und den Versuch starten, bei allen Differenzen etwas Gemeinsames zu finden, wie viel entspannter könnte alles sein. Wahrscheinlich wird durch dieses Buch die Welt nicht gerettet, aber der interessierte Leser kann durch die möglicherweise auch wiederholte Lektüre etwas klüger werden. Von der Kultur des Umgangs kann man sich zumindest eine Scheibe abschneiden. Dieses Buch kann gerne in Griffnähe bleiben, die behandelten Themen werden so schnell ihre Aktualität nicht verlieren und die Methoden sind sicherlich zeitlos und können durch Auffrischung noch besser im Gedächtnis verankert werden.

Veröffentlicht am 13.05.2021

Beste Freundin

Letzte Ehre
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Die 16jährige Finja ist verschwunden. Ist sie abgehauen, ist ein Unglück geschehen oder ist sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Die Lage ist unklar. Ihr Verschwinden wurde nicht gleich gemeldet. Vielleicht ...

Die 16jährige Finja ist verschwunden. Ist sie abgehauen, ist ein Unglück geschehen oder ist sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Die Lage ist unklar. Ihr Verschwinden wurde nicht gleich gemeldet. Vielleicht ist sie auch zu ihrem leiblichen Vater unterwegs. Kommissarin Fariza Nasri vernimmt die Mutter, den Stiefvater, die Freunde. Können sich die Ereignisse so abgespielt haben, wie sie erzählt werden? Die Polizistin wird misstrauisch und bohrt weiter nach. Irgendwie findet sie nicht die Geschichte, nach der sie gesucht hat, sondern eine ganz andere. Doch diese andere ist schlimmer.

Nachdem Kommissarin Nasri in die Provinz versetzt wurde, hat sie eine zweite Chance bekommen. Sie ermittelt wieder bei der Kriminalpolizei. Immer noch ist es ihr erstes Anliegen, den Opfern zu ihrem Recht zu verhelfen. Selbst wenn diese verstorben sind soll ihnen Gerechtigkeit widerfahren. Dabei geht die Beamtin äußerst einfühlsam und aufmerksam vor. Sie nimmt auf, was die Menschen ihr anvertrauen, sie wiegt sie, sie wägt ab. Und irgendwann kommt der zündende Gedanke. Doch manchmal kann sich Fariza nicht bremsen. Und dann gerät ihre Rückversetzung in Gefahr, denn im Kommissariat sind ihr nicht alle wohlgesonnen. Kann sie gleichzeitig sich selbst treu bleiben und ihre Stelle behalten?

Dieser sehr düstere Kriminalroman lockt einen in einen Irrgarten aus dunklen Machenschaften, unausgesprochenen Gedanken und unterschwelligen Gefühlen. War Fariza Nasri ihr Weg vorbestimmt? Eine melancholische Frau, die immerhin zwei enge Freundinnen hat, von denen eine ihre Beste ist. Ihr untrügliches Einfühlungsvermögen führt sie häufiger zum Täter, macht sie aber seltsamerweise nicht beliebt bei ihren Kollegen. Fast schon widerwillig wird ihre Leistung anerkannt. Es schein, als werde lieber jede Gelegenheit genutzt, sie zu diskreditieren. Zwar wünscht man sich manchmal etwas Gradlinigkeit. Allerdings versteht es der Autor dennoch einen in den Bann zu ziehen, indem er den Ereignissen einfach ihren Lauf lässt. Ein düsterer Mahlstrom, dem man unweigerlich ausgeliefert ist.

Veröffentlicht am 09.05.2021

Reopening

Kleine Wunder um Mitternacht
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Am 13. September wird Namiyas Gemischtwaren für eine einizige Nacht wiedereröffnet. Und davon wie es dazu kommt erzählt dieses Buch. Als die Frau von Herrn Namiya verstirbt verlässt ihn der Lebensmut. ...

Am 13. September wird Namiyas Gemischtwaren für eine einizige Nacht wiedereröffnet. Und davon wie es dazu kommt erzählt dieses Buch. Als die Frau von Herrn Namiya verstirbt verlässt ihn der Lebensmut. Er ist kurz davor aufzugeben. Eher aus Spaß beginnen die Kinder aus der Nachbarschaft, Herrn Namiya um Rat zu bitten. Der alte Herr blüht wieder auf und schon bald werden auf ernsthafte Fragen an ihn herangetragen. Herr Namiya widmet sich jeder Frage mit Liebe und Respekt. Und als viele Jahre später scheint sein Geist immer noch in seinem Laden zu wirken. Das bekommen drei junge Einbrecher zu spüren, die sich hier verstecken.

Der Autor Keigo Higashino ist bisher eher mit seinen ausgeklügelten Kriminalromanen bekannt. Nun aber überrascht er mit einem Gesellschaftsroman mit einer leicht fantastischen Note. Das Buch beginnt in der Gegenwart in dem Moment, wo die Einbrecher den alten Laden erreichen. Dieser wirkt, obwohl schon lange geschlossen, noch sehr frisch. Sehr überrascht sind die jungen Männer als plötzlich ein Brief durch den Briefschlitz fällt. Sollen sie den Brief lesen oder gar beantworten? Und was ist mit dem alten Herrn, dem der Laden einmal gehört hat? Wird diese Nacht auch das Leben der drei Einbrecher verändern?

Klar, kein Krimi, aber doch eine äußerst spannende Geschichte um die Ratschläge eines alten Herrn, der unerwartet das Leben vieler Menschen beeinflusst. Nicht immer wird sein Rat genau befolgt, doch immer bewirkt er etwas zum Positiven. Der alte Herr Namiya schreibt mit dem Herzen und auch wenn sie ihn nie gekannt haben, so fühlen die drei Eindringliche auch seinen liebevollen Geist. Mit diesem herzerwärmenden Roman berührt Keigo Higashino seine Leser. Gerade in der heutigen Phase möchte man manchmal in eine schönere Welt entfliehen und sich mit positiven Vibes umgeben. Dieser wunderbare Roman bietet dazu die beste Gelegenheit. Man taucht ein, fühlt mit den Protagonisten und schließt das Buch mit Sonne im Herzen.

Veröffentlicht am 02.05.2021

Tödliche Nacht

Tod in stiller Nacht
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Die Journalistin Jeanette Thiels wird am zweiten Weihnachtstag im Garten des Hotels, in dem sie sich einquartiert hatte, tot aufgefunden. Kommissar Thomas Andreasson, der gerade mit seiner Familie auf ...

Die Journalistin Jeanette Thiels wird am zweiten Weihnachtstag im Garten des Hotels, in dem sie sich einquartiert hatte, tot aufgefunden. Kommissar Thomas Andreasson, der gerade mit seiner Familie auf den Inseln weilt, fährt mit dem Taxiboot nach Sandhamn, um festzustellen, ob es sich um einen Unfall oder Schlimmeres gehandelt haben könnte. Die Tote sieht zwar sehr friedlich aus, aber ihr Zimmer scheint durchsucht worden zu sein. Also entscheidet Thomas, dass die Sache genauer untersucht werden sollte. Bald stellt sich heraus, dass sich die Journalistin sowohl durch ihre Arbeit als auch im Privaten Feinde gemacht hatte.

In seinem sechsten Fall geht es Thomas Andreasson, Frau und Tochter angesichts eines Schicksalsschlags, den sie erlitten hatten, recht gut. Vielleicht macht gerade sein privates Glück Thomas empfänglicher für das Leid anderer oder die Ungerechtigkeit in der Welt. Jedenfalls bereitet ihm schon der Fundort der Leiche Unbehagen. Und dies verschlimmert sich beim Anblick des durchwühlten Zimmers. Dennoch erscheint es zunächst kaum vorstellbar, dass diese unbescholtene Frau einen Anlass gegeben haben könnte, sie umzubringen. Natürlich stellt sich im Laufe der Untersuchung heraus, dass Jeanette Thiels einen vielschichtigen Charakter hatte, mit dem sie aneckte und für den sie gemocht wurde.

Wenn man eine Weile mit der Lektüre dieser Reihe pausiert hat, freut man sich zunächst alte Bekannte wieder zu treffen. Es ist schön zu lesen, wie sich Thomas und Pernilla eingerichtet haben. Schnell kommt man zum Fall einer verängstigten Frau, die sich auf Sandhamn sicher glaubte. Gefesselt taucht man in die Geschichte einer Frau ein, die trotz ihrer großen journalistischen Leistungen, in der Familie nicht so gut zurechtkam und beruflich einigen mit unbequemen Fragen auf die Füße getreten ist. Spannend auch wie Thomas Andreasson und seine Kollegen an den Fall herangehen und immer neue mögliche Zusammenhänge ausgraben. Diese Reihe liest man gerne und die Pause bis zum nächsten Band wird wesentlich kürzer ausfallen.

Veröffentlicht am 01.05.2021

Der Einsame

Der Winter des Propheten
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Vor Jahren hat der Student Elias seine Mutter verloren und nun muss er die Nachricht verkraften, dass sein Vater bei einem Anschlag ums Leben gekommen ist. Auch die zweite Frau von Anders ist am Boden ...

Vor Jahren hat der Student Elias seine Mutter verloren und nun muss er die Nachricht verkraften, dass sein Vater bei einem Anschlag ums Leben gekommen ist. Auch die zweite Frau von Anders ist am Boden zerstört. Eine enge Kollegin des Vaters Ylva Grey kommt war bei dem Anschlag in der Nähe, sie musste Anders identifizieren. Ylva trifft sich mit Elias und Marie-Louise, um ihnen ein paar persönliche Sachen zu bringen. Sowohl Ylva als auch Elias haben den Eindruck, dass mit dem ganzen Szenario irgendetwas nicht stimmt. Zunächst noch getrennt und später gemeinsam versuchen sie herauszufinden, wie es zu diesem Anschlag kommen konnte.

Bei diesem Thriller handelt es sich um den ersten Band einer dreiteiligen Reihe um Elias Krantz, der in seiner Jugend der „Prophet“ genannt wurde. Ein Spitzname, den er nicht mal mochte. Elias kämpft nicht nur mit seiner Trauer um den Vater, er hat auch noch ein anderes Problem, mit dem er sich niemandem anvertrauen kann. Das macht den Verlust des Vaters noch größer. Und die Situation ist überhaupt sehr unheimlich, denn Anders Unterlagen sind von seinem Arbeitsplatz verschwunden und wurden auch von daheim abgeholt. Was soll da geheim gehalten werden und wer hat ein Interesse an der Geheimhaltung?

Elias wirkt ein wenig wie der einsame Wolf, seine Eltern sind nicht mehr. Doch bevor sich Elias lösen kann, will er unbedingt wissen, an was sein Vater gearbeitet hat und wieso er sterben musste. Wie kommt Elias in dieser absoluten Ausnahmesituation zurecht, findet er Hilfe und Unterstützung? Und Ylva? Auch sie muss den Tod von Anders verarbeiten und gleichzeitig weiter ihre Frau stehen. Man fühlt mit den Protagonisten, die durch die Trauer gezeichnet sind und sich durch die Umstände bedingt schneller anpassen müssen und kaum Abschied nehmen können. Über allem liegt die kühle Stimmung der dunklen Jahreszeit. Auch wenn es in diesem Roman zu ein paar Todesfällen kommt, die von außen betrachtet nicht hätten sein müssen, so ist dieses Buch doch ausgesprochen fesselnd. Man kann einfach nicht erraten, wer da wie und wieso verstrickt ist. Man muss eben weiterlesen.