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Veröffentlicht am 01.04.2022

Ferienhaus am See

Die Überlebenden
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Die drei Brüder Nils, Benjamin und Pierre fahren nach Jahren zum ersten Mal wieder zu dem Ferienhaus am See. Sie wollen den letzten Wunsch ihrer verstorbenen Mutter erfüllen, die wollte, dass ihre Asche ...

Die drei Brüder Nils, Benjamin und Pierre fahren nach Jahren zum ersten Mal wieder zu dem Ferienhaus am See. Sie wollen den letzten Wunsch ihrer verstorbenen Mutter erfüllen, die wollte, dass ihre Asche dort verstreut wird. Das Verhältnis unter den Brüdern ist eher oberflächlich und kühl. Doch die Zeit nach dem Tod der Mutter ist für alle aufreibend und Erinnerungen an die Sommertage am See werden geweckt. Nicht nur gute Erinnerungen, denn die Kinder wussten selten, wie ihre Eltern im nächsten Moment reagieren würden. Und doch gab es schöne Momente, nur sind sie irgendwie weg.

Ihre Kindheit war nicht ganz leicht, denn hundertprozentig verlassen konnten sie sich auf ihre Eltern nicht. Besonders die Launen der Mutter waren manchmal schwer zu ertragen. Als sie noch jünger waren, haben sie zusammengehalten. Beim Wettschwimmen zum Beispiel, achteten die Älteren darauf, dass Pierre, der Jüngste, sicher zum Ufer gelangt. Natürlich wurde dann dafür gesorgt, dass er Letzter wurde, aber sicher zu hause. Nach und nach verschwand dieser Zusammenhalt. Durchs Älter werden vielleicht? Die Reisen hörten auf. Die Brüder lebten ihr eigenes Leben. Doch nun hat der Tod der Mutter sie wieder zusammen gebracht, wenn auch vielleicht nicht vereint.

Diese Familiengeschichte besticht durch die Worte und ihre Protagonisten, etwas weniger durch das Cover, das zwar zur Handlung passt, aber doch eher unscheinbar wirkt. Dafür nehmen die einleitenden Worte des Autors einen gleich für das Buch ein und man findet schnell Zugang zu den drei Brüdern mit ihren Ecken und Kanten. Über die Eltern wird wenig erklärt, vielleicht reicht eine allumfassende Erklärung, auch für das Auseinanderdriften der Brüder, der ganzen Familie. Nach und nach entspinnt sich eine packende und tragische Erzählung einer Familie. Das Schicksal der Familienmitglieder wird berührend, wobei die Erzählweise vielleicht etwas fordernd wirkt, aber sehr zum besonderen Reiz dieses Romans beiträgt.

Veröffentlicht am 26.03.2022

Grenzfang

Der Holländer
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Eine Pensionierung ist auch nicht mehr das, was es mal war. Auf ihrer letzten Patrouillenfahrt will sich Geeske Dobbenga eigentlich von ihrer Mannschaft verabschieden und eine ruhige Fahrt in den Holländisch-Deutschen ...

Eine Pensionierung ist auch nicht mehr das, was es mal war. Auf ihrer letzten Patrouillenfahrt will sich Geeske Dobbenga eigentlich von ihrer Mannschaft verabschieden und eine ruhige Fahrt in den Holländisch-Deutschen Gewässern verbringen. Doch auf einer Sandbank, von der wirklich umstritten ist, zu welchem Staatsgebiet sie gehört, entdecken sie eine Leiche. Die müssen sie mitnehmen, sonst würde sie von der steigenden Flut davongetragen. Es stellt sich heraus, dass es sich bei dem Toten um den bekannten deutschen Wattwanderer Klaus Smyrna handelt. Sein Kollege Peter Lattewitz kommt völlig entkräftet auf Borkum an. Das Trio hätte Aaron Reinhard komplettieren sollen.

Drei erfahrene Wattwanderer, Aaron hat sogar ein Buch über seine Wanderungen veröffentlicht, wollten eigentlich den gefährlichen Weg zu Fuß nach Borkum wagen. Doch Aaron zieht es vor bei seiner kranken Frau in England zu bleiben. Doch die Wettervorhersage für die Wanderung ist günstig und wann wird eine solche Gelegenheit sich noch einmal bieten? Peter und Klaus wagen den Weg und nur Peter kommt lebend, aber sehr traumatisiert zurück. Um noch größeres Zuständigkeitsgerangel zu vermeiden, ermittelt Kommissar Liewe Cupido, dessen Vater Niederländer war, ohne es an die große Glocke zu hängen. Denn der Tod von Klaus Smyrna gibt einige Rätsel auf.

Anscheinend hat der Autor hier den Start einer Reihe hingelegt und der ist sehr gelungen. Die nickeligen Grenzstreitigkeiten zwischen den holländischen und deutschen Polizeibehörden erscheinen realistisch, geben dem Roman aber auch eine gewisse Leichtigkeit, weil sie mitunter zum Schmunzeln einladen. Der tragische und rätselhafte Tod des Wattwanderers erfordert schon genauere Nachforschungen und denen ist der schweigsame Cupido gemeinsam mit seiner pragmatischen Kollegin Dobbenga gut gewachsen. Die Beschreibungen des Watts, dass für unerfahrene und wie man hier liest manchmal auch für erfahrene Wattwanderer sehr gefährlich werden kann, sind sehr stimmungsvoll und zeugen von genauer Recherche oder auch guter Kenntnis des Autors. Dieser Kriminalroman besticht durch sein sympathisches Personal und durch die lebendigen und authentischen Beschreibungen sowohl der Landschaft, der Menschen und des Watts.

Veröffentlicht am 10.03.2022

Mops with no Name

Miss Merkel: Mord auf dem Friedhof
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Da ist sie wieder: Miss Merkel schiebt den Kinderwagen durch die Uckermark, ihr Mops ist natürlich mit dabei. Nur Achim ist mit einem Freund zu einem Wanderurlaub aufgebrochen. Wie schon bekannt, ist das ...

Da ist sie wieder: Miss Merkel schiebt den Kinderwagen durch die Uckermark, ihr Mops ist natürlich mit dabei. Nur Achim ist mit einem Freund zu einem Wanderurlaub aufgebrochen. Wie schon bekannt, ist das Rentnerdasein manchmal etwas trist. Angela ist deshalb sehr angetan als sie den Steinmetz und Bestatter Kurt Kunkel trifft. Mit ihm kann sie über Shakespeare reden und Kunkel, den sie bald insgeheim Aramis nennt, sieht auch noch gut aus. Doch dann findet ihr Mops auf dem Friedhof eine Leiche. Nur die Füße ragen aus der Erde. Nun sind Angelas Lebensgeister vollends geweckt. Es gibt wieder etwas zu ermitteln.

Obwohl der Autor eigentlich keine Reihen schreibt, ist Miss Merkel wieder da. Und sie hat nichts von ihrem Charme verloren. Glücklicherweise sind auch einige Figuren wieder mit von der Partie, die man im ersten Teil schon lieb gewonnen hatte. Die junge Erbin Marie, deren kleiner Sohn Adrian von Angela durch die Gegend geschoben wird. Angelas Personenschützer Mike, der diesmal richtig gefordert wird. Neu ist dagegen die Kuh Luise. Gerne büxt sie mal aus und landet dabei unversehens auf dem Friedhof. Nur Achim macht sich am Anfang etwas rar, mit ihm führt Angela aber jeden Tag um die gleiche Zeit ein Video-Telefonat.

Wenn man in diesen Zeiten ein Buch sucht, das Freude macht, könnte man hier genau richtig liegen. Miss Merkel und ihre Mitstreiter gehen mit Energie ans Werk und lassen sich bei ihren Nachforschungen in der Bestatterszene nicht so leicht abwimmeln. Wobei bei diesem Gespinst aus feinsinnigen Anspielungen, lustigen Momenten und Gefühlsverwirrungen der Fall vielleicht nicht ganz so wichtig ist. Miss Merkel macht gute Laune und Nana Spier als Sprecherin dieses Hörbuchs verstärkt dies noch. Man denke nur an ein Gespräch zwischen Angela und ihrem Mops, das die Vorleserin bestens interpretiert. Miss Merkel - immer wieder gerne.

Veröffentlicht am 04.02.2022

Das Brot

Wir sind das Licht
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In der Wohngruppe Klang und Liebe wohnen Melodie, ihre Schwester Elisabeth, Muriel und Petrus. Sind auf der Suche und auf diesem Weg wollen sie entsagen. Besonders Melodie ist der Meinung, dass sie den ...

In der Wohngruppe Klang und Liebe wohnen Melodie, ihre Schwester Elisabeth, Muriel und Petrus. Sind auf der Suche und auf diesem Weg wollen sie entsagen. Besonders Melodie ist der Meinung, dass sie den richtigen Weg eingeschlagen haben. Doch eines Abends verspürt Elisabeth das Bedürfnis, sich hinzulegen. Ihr wird alles zu viel. Elisabeth stirbt. Und der Arzt, der den Totenschein ausstellen soll, kann keinen natürlichen Tod bescheinigen. Die drei verbliebenen Hausbewohner werden vorläufig festgenommen. Damit hat die Polizei zwei Tage Zeit, um herauszufinden wieso Elisabeth vor der Zeit gestorben ist.

Aus wirklich sehr verschiedenen Perspektiven schildert die Autorin das Geschehen. Und lernen der Leser Melodie kennen, die nach dem Scheitern nie wieder richtig auf die Füße gekommen ist und nun den Vorsitz genießt. Ebenfalls zu treffen ist Muriel, die sich nicht mehr im Einzelnen an den Abend erinnern kann. Und Petrus, der mit seiner Wut beschäftigt ist, er konnte nicht bemerken, dass es Elisabeth nicht wohl war. Kann die Polizei überhaupt eine Chance haben, hier Licht ins Dunkel zu bringen? Besonders die Beamtin Lies engagiert sich, sie fühlt sich in bestimmten Momenten an ihre Tochter erinnert, die ihr viel Kummer bereitet.

Dieser Roman ist irgendwie kurios, ungewöhnlich und außergewöhnlich. Gerade die unterschiedlichen Perspektiven, die die Autorin wählt; darunter unter anderem ein Brot; machen die Handlung sehr speziell und damit fesselnd. Für Menschen, die gerne Kriminalromane lesen, hat dieses Werk einen gewissen Reiz, nur könnte der Ausklang als etwas zu offen empfunden werden. Dennoch ist das Lesevergnügen groß, diesen Roman muss man möglicherweise einmal entdecken und dann nochmal genießen. Auch wenn die handelnden Personen vielleicht als eher eigen auftreten, so ist die Art wie man sich ihnen annähert fast schon genial. Dieser Roman besticht wahrhaftig durch seine wunderbare Form, ein Feuerwerk an Anreizen fürs Denkorgan.

Veröffentlicht am 02.01.2022

Das Cottage

Das Versprechen
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Die 13jährige Amor denkt, dass Eltern eigentlich unsterblich sein sollten. Und doch stirbt ihre Mutter mit nur vierzig Jahren an Krebs. Amor wird aus dem Internat heimgeholt, ihre Schwester Astrid ist ...

Die 13jährige Amor denkt, dass Eltern eigentlich unsterblich sein sollten. Und doch stirbt ihre Mutter mit nur vierzig Jahren an Krebs. Amor wird aus dem Internat heimgeholt, ihre Schwester Astrid ist daheim und der älteste der Geschwister Anton, der seinen Militärdienst ableistet, bekommt sieben Tage Urlaub. Auf der Farm der Swarts versammeln sich Familie und Freunde der Toten. Im Jahr 1986 gibt es erste Unruhen zwischen Schwarzen und Weißen. Der Verstorbenen war es ein Anliegen, dass Salome, ihr schwarzes Hausmädchen, das Cottage, in dem sie lebt, bekommen soll. Auf dem Sterbebett verspricht ihr Mann, er wird dafür sorgen, dass das Haus und ein Stück Land an Salome übergehen.

Über mehrere Jahrzehnte berichtet der Autor vom Niedergang der eigentlich wohlhabenden Familie Swart. Die Mutter Rachel schien die Familie zusammengehalten zu haben. Nach ihrem Tod vermögen die Überlebenden es nicht, eine Gemeinsamkeit zu finden. Der Vater, früher ein Schwerenöter hat sich schon vor einer Weile der Kirche zugewandt. Anton ist wegen des Wehrdiensts nicht zu hause, Astrid vergnügt sich lieber mit ihrem Freund und Amor, die Jüngste, ist so schockiert vom Tod ihrer Mutter, dass sie das zunächst nicht wahrhaben will. Das Versprechen gerät in Vergessenheit. Schließlich wird Mandela aus der Haft entlassen und Süd Afrika zur Demokratie;

Mit schlichten, aber prägnanten Worten bringt der Autor auch Lesern, die nicht direkt im System der Apartheid groß geworden sind, diese Zeit des Umbruchs nahe. Die Strukturen der weißen Familien werden aufgebrochen, während die der Ureinwohner nicht sofort in die Bresche springen können, sie waren ja viel zu lange unterdrückt und klein gehalten. Doch auch ihre Strukturen brechen auf, so dass eine eigentlich sehr positive Entwicklung erstmal zu Unruhen und Tumulten führt. Gebannt verfolgt man wie von einer einst vermutlich stolzen Familie beinahe nichts mehr bleibt. Immer wieder wünscht man, das Versprechen würde nicht beiseite geschoben und immer wieder geflissentlich vergessen werden. Was man freiwillig und mit guten Gründen gibt, birgt die Chance, eine Gemeinschaft erzeugen, die allen zugute kommen könnte.

Ein herausragender und wohl zurecht preisgekrönter Roman über eine Zeit eines radikalen Umbruchs.