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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.08.2022

Kann mit seinen überraschenden Wendungen punkten

Das Therapiezimmer
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Das Buch ist ein Thriller der ohne viel Gewalt und Blut auskommt und stattdessen auf die psychologischen Elemente setzt. Die meiste Zeit über funktioniert das sehr gut, lediglich im letzten Drittel flacht ...

Das Buch ist ein Thriller der ohne viel Gewalt und Blut auskommt und stattdessen auf die psychologischen Elemente setzt. Die meiste Zeit über funktioniert das sehr gut, lediglich im letzten Drittel flacht die Spannung etwas ab, hier hätte man die Handlung etwas straffen und beschleunigen können.

Die Anzahl der Charaktere ist sehr übersichtlich, sie wechseln sich mit der Erzählung ab und auch für kurze Ausflüge in die Vergangenheit ist Platz. Die beiden Protagonisten Annie und Sam fand ich allerdings optisch zu perfekt. Sie die großartige Frau nach der sich alle umdrehen, er der Herzensbrecher dem alle zu Füßen liegen, das typische amerikanische Traumpärchen, das war mir etwas zu weichgewaschen. Charakterlich hat die Autorin dann zum Glück einige Schwächen eingebaut, die das wieder etwas ausgeglichen haben.

Richtig gut haben mir die Plottwists gefallen. Der Autorin gelingt es hervorragend den Leser falsche Annahmen treffen zu lassen. Nach etwa einem Drittel gibt es eine Wendung, die mich komplett umgehauen hat. Ich musste mich an der Stelle erstmal sammeln und alles was ich davor gelesen und beurteilt hatte nochmal neu überdenken. Jedes Wort mehr wäre zu viel verraten, ich sage dazu nur noch: schon lange hat mich kein Buch mehr so großartig überrascht!

Fazit:
Die Geschichte für sich alleine ist recht unspektakulär, doch das fällt kaum ins Gewicht, da die absolut unerwarteten Plot-Twists das locker wettmachen können.

Veröffentlicht am 30.07.2022

Ein Leben im Müll

Vertraute Welt
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Der Autor verwendet im Buch keine Namen, alle Protagonisten werden mit ihren Spitznamen bezeichnet. So erleben wir, wie Glupschaug mit seiner Mutter (die ebenfalls namenslos bleibt) von den Bergslums zur ...

Der Autor verwendet im Buch keine Namen, alle Protagonisten werden mit ihren Spitznamen bezeichnet. So erleben wir, wie Glupschaug mit seiner Mutter (die ebenfalls namenslos bleibt) von den Bergslums zur Blumeninsel übersiedelt und sich den Müllsammlern anschließt. Die Mutter findet schnell einen neuen Lebenspartner und Glupschaug erhält einen jüngeren Stiefbruder namens Glatzfleck. Ihr Leben ist nicht leicht, die Kinder haben zwar die Möglichkeit zur Schule zu gehen, aber da sich die Erwachsenen nicht wirklich darum kümmern was der Nachwuchs treibt wird die meiste Zeit geschwänzt.

Die Themen Müll und Wegwerfgesellschaft sind sehr aktuell, wir leben in einer Zeit, wo massenweise Lebensmittel verschwendet werden und fast grenzenlos Müll produziert wird. Vieles das noch repariert oder wiederverwendet werden könnte landet auf dem Müll, oft ist es einfacher und bequemer Neues zu kaufen als Altes zu verwerten. Hwang Sok-yong beschreibt das Leben auf der Müllkippe sehr greifbar, man hat die ärmlichen Hütten, das tägliche Wühlen im Dreck und den Schmutz und den Gestank vor Augen. Trotzdem hatte ich an manchen Stellen das Gefühl nicht zu verstehen, was er mit einer Szene eigentlich vermitteln will.

Es gibt auch ein paar übersinnliche Elemente, die für mich nicht wirklich in die Geschichte passen wollten und sich für mich daher etwas seltsam anfühlten.

Auch der Spannungsbogen ist nicht durchgängig vorhanden. Vor allem in der Mitte gibt es größere Durchhänger, wo die Geschichte nur noch vor sich hinplätschert und ich mich irgendwann auch zum Weiterlesen zwingen musste. Gerne hätte ich gesagt, dass das Ende dafür entschädigt hat, doch das war nur zum Teil der Fall. Insgesamt lässt mich das Buch damit zwiegespalten zurück. Einerseits ist es eine sehr eindringliche Geschichte, über deren Inhalt und die Protagonisten ich noch lange nachgedacht habe, andererseits hat das Buch mich im Mittelteil fast verloren.

Fazit:
Das Buch hatte ich schon eine Weile auf dem Wunschzettel und auch recht hohe Erwartungen an die Geschichte. Nicht alle meine Erwartungen konnten erfüllt werden, dennoch hat es mich zum Nachdenken angeregt wie oft man doch etwas wegwirft das eigentlich noch „gut“ ist.

Veröffentlicht am 27.07.2022

Ein Buch das noch lange im Kopf bleibt

Was auf das Ende folgt
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Schon „Von hier bis zum Anfang“ hat mir sehr gut gefallen, doch Whitakers neuestes Werk (das ja eigentlich sein Debütroman ist) übertrifft das nochmal! Obwohl es um ein Verbrechen geht, darf man aber keinen ...

Schon „Von hier bis zum Anfang“ hat mir sehr gut gefallen, doch Whitakers neuestes Werk (das ja eigentlich sein Debütroman ist) übertrifft das nochmal! Obwohl es um ein Verbrechen geht, darf man aber keinen Thriller erwarten. Es ist ein Buch das Zeit fordert und verdient, der Leser wird mit tollen Charakteren und absolut unerwarteten Auflösungen belohnt. Dafür ist aber Geduld nötig.

Der Großteil des Buches gibt einen Einblick in die Kleinstadt und seine Bewohner. Die einzelnen Kapitel sind in mehrere Abschnitte unterteilt, bei denen aus der Perspektive verschiedener Einwohner geschrieben wird. Dadurch kommen insgesamt sehr viele Personen zusammen und manchmal muss man kurz nachdenken, über wen man gerade liest. Ich habe mich aber trotzdem immer sehr gut zurechtgefunden, konnte allen Handlungssträngen folgen und habe das Beziehungsgeflecht recht schnell verstanden. Die vielen Personen sind nötig, um zu vermitteln, wie die Stadt mit dem Verschwinden des Kleinkinds umgeht und vor welchen privaten Herausforderungen die Bewohner stehen. Recht schnell kann man die Namen auseinanderhalten und hat das Gefühl, diese Menschen zu kennen. Und sie bleiben einem auch nach Beendigung des Buches noch im Gedächtnis.

Da ist beispielsweise der Jugendliche Manny, der von einer Karriere als Kleinstadt-Mafioso träumt und bei einer versuchten Schutzgelderpressung schon mal an der Bürokratie scheitert. Polizist Jim ist noch immer verzweifelt auf der Suche nach Spuren zu Harrys Verschwinden, dabei kann er bald Beruf und Gefühle nicht mehr trennen, ist er doch schon seit langem in Harrys Mutter verliebt. Jared hingegen ist auf der Flucht vor der Vergangenheit und bleibt nie zu lange am selben Ort. Und der stark übergewichtige Jerry ist geistig etwas zurückgeblieben und geht Konversation wie auch den meisten seiner Mitmenschen am liebsten aus dem Weg. Das waren nur ein paar der Personen, es gibt noch einige mehr, jeden mit einer eigenen Geschichte. Aber lasst euch davon nicht einschüchtern, wie gesagt kann man den Überblick gut behalten und jede der Personen ist eine Bereicherung für die Geschichte!

Chris Whitaker vermittelt die Emotionen seiner Protagonisten absolut glaubhaft. Tragik, Dramatik, Liebe - es ist alles dabei, von allem genau in der richtigen Dosierung. An manchen Stellen haben mir allerdings konkretere Beschreibungen des Aussehens der Personen ein wenig gefehlt, nicht bei allen von ihnen hatte ich ein Bild im Kopf.

Mit am besten hat mir gefallen, wie Whitaker mit den Vorurteilen des Lesers spielt. Nur allzu schnell traut man jemandem zu, dass er oder sie ein Kleinkind entführen würde. Stück für Stück erhält man einen Einblick in das Leben der Menschen und steckt sie dabei nur allzu gerne in Schubladen. Am Ende dann löst sich alles auf, nicht nur das Verschwinden von Harry, sondern auch wie falsch man die Menschen doch eigentlich eingeschätzt hat und was wirklich hinter ihren Handlungen lag. Die letzten 150 Seiten habe ich verschlungen, ich musste einfach wissen, wie alles entwirrt und aufgelöst wird, eher konnte ich nicht zu Lesen aufhören!

Fazit
Grandios und fesselnd erzählt, mit einer Vielzahl faszinierender Charaktere. Nur selten schafft es ein Buch gleichzeitig so schmerzhaft tragisch und so erfrischend unterhaltsam zu sein.

Veröffentlicht am 23.07.2022

Brutal und spannend

Der Zoom-Killer (Tom-Bachmann-Serie 2)
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Beim Buch handelt es sich um den zweiten Fall für Ermittler Tom Bachmann. Kennengelernt haben wir ihn bereits in “Der Blutkünstler”. An sich kann man beide Bücher unabhängig voneinander lesen, da über ...

Beim Buch handelt es sich um den zweiten Fall für Ermittler Tom Bachmann. Kennengelernt haben wir ihn bereits in “Der Blutkünstler”. An sich kann man beide Bücher unabhängig voneinander lesen, da über die Reihe hinweg aber auch die Hintergrundgeschichte von Tom erzählt wird, ist es sehr sinnvoll auch den ersten Band zu lesen.

Das Buch ist wirklich sehr brutal, mit expliziten Beschreibungen der Verstümmelungen der Opfer. Wer sich nicht sicher ist, ob sein Magen das verträgt, dem empfehle ich einen Blick in die Leseprobe. Bereits auf den ersten Seiten passiert ein detailliert beschriebener Mord - und die Ausführlichkeit und die Detailtiefe der Beschreibungen der restlichen Taten steigern sich noch. Ich muss zugeben: an manchen Stellen waren mir die Beschreibungen etwas zu detailreich und ich habe mir so manche Szene lieber nicht allzu bildlich vorgestellt.

Durch die kurzen Kapitel und den flüssigen Schreibstil liest sich das Buch sehr schnell. Es gibt verschiedene Handlungsstränge, neben Tom Bachmann findet auch die Perspektive seines Kindheitsfreundes Aaron und die des Täter Platz. Und natürlich gibt es auch wieder ein paar Rückblenden in Toms Kindheit mit seinem psychopathischen Vater. Durch die vielen Handlungen und Erzählungen abseits der Hauptstory rückte allerdings der Zoom-Killer ein wenig in den Hintergrund, das fand ich etwas schade.

Das Finale hat mich mit seiner Direktheit und Kürze an den Vorgängerband erinnert. Und auch beim zweiten Band bleibe ich dabei: ein paar Seiten mehr und etwas zusätzliche Dramatik wären an dieser Stelle toll gewesen.

Fazit
Eine gute Fortsetzung, die wieder gezielt einige Handlungsstränge für den nächsten Band offen lässt. Ich werde der Reihe auf jeden Fall treu bleiben, erhoffe mir aber, dass der Autor bei den nächsten Fällen auch die Raffiniertheit des Täters und nicht nur die Brutalität steigert.

Veröffentlicht am 23.07.2022

Ein toller Roman, aber kaum ein Krimi

Samson und Nadjeschda
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Das Buch fängt sehr vielversprechend und spannend an: Samson verliert den Vater, schlägt sich eine Weile durchs Leben und landet schließlich bei der Miliz. Ab dort stockt die Geschichte dann aber etwas, ...

Das Buch fängt sehr vielversprechend und spannend an: Samson verliert den Vater, schlägt sich eine Weile durchs Leben und landet schließlich bei der Miliz. Ab dort stockt die Geschichte dann aber etwas, zumindest was den Krimi-Anteil angeht. Die Ermittlungen selbst beginnen so richtig erst nach der Hälfte, für einen Krimi ist das schon recht spät.

Überhaupt ist das Buch mehr Gesellschaftsstudie als Kriminalroman. Die Zeit kurz nach der russischen Revolution mit den harten Lebensbedingungen, der Korruption und dem Chaos beschreibt Kurkow sehr eindringlich. Es ist eine Zeit des Umbruchs, die von den Menschen viel fordert, Gewalt ist so alltäglich wie knappe Lebensmittel. Ich habe von Kurkow schon “Graue Bienen” gelesen und war davon sehr begeistert, auch in “Samson und Nadjeschda” gelingt es ihm wieder das harte und oft triste Leben der Menschen auf eine gut verdauliche Weise zu beschreiben. Und wieder liegt es wieder am Protagonisten: Samson hat eine sehr positive, manchmal sogar etwas einfältige, Art und versucht immer das Beste aus seiner Lage zu machen. Das macht die ganzen niederdrückenden Lebensumstände erträglicher.

Obwohl im Titel und Klappentext benannt, spiel Nadjeschda nur eine nebensächliche Rolle, an den Ermittlungen ist sie gar nicht beteiligt.

Es ist ein sehr ungewöhnlicher und definitiv kein typischer Krimi, der großartig geschrieben ist und viel über die damalige Zeit und die Menschen vermittelt. An manchen Stellen wird das Buch sogar etwas phantastisch: Samson hat sein abgeschnittenes Ohr aufbewahrt und schon bald entwickelt es ein Eigenleben und lässt ihn hören was im direkten Umfeld passiert, auch wenn Samson selbst gar nicht in der Nähe ist.

Fazit
Über die Wirren der russischen Revolution zu lesen ist sehr spannend, aber so ganz kann das Buch nicht halten, was das Cover verspricht: einen Kriminalroman. Es ist mehr ein historischer Roman mit kleineren Krimi-Elementen.