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Veröffentlicht am 15.09.2016

Vorhersehbar, aber schön geschrieben.

Lügenmauer. Irland-Krimi (Ein Emma-Vaughan-Krimi 1)
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Im irischen Sligo wird der Pfarrer Charles Fitzpatrick erdrosselt aufgefunden. In dem kleinen Städtchen an der Nordwestküste beginnen sodann die Mordermittlungen. Doch wer könnte dem betagten Herren das ...

Im irischen Sligo wird der Pfarrer Charles Fitzpatrick erdrosselt aufgefunden. In dem kleinen Städtchen an der Nordwestküste beginnen sodann die Mordermittlungen. Doch wer könnte dem betagten Herren das Leben genommen haben? Emma Vaughan, die ermittelnde Polizistin bei der Garda, erhält nur auf die wenigsten ihrer Fragen eine Antwort – vielmehr herrscht in dem typisch irisch, typisch kirchlich, geprägten Sligo erdrückendes Schweigen.
Nur nach und nach bröckelt das Bild des perfekten und von allen geliebten Kirchenmannes, der auf seinen Missionarsreisen Großes geleistet haben soll… Nach einer Weile kommt die Frage auf, ob die IRA etwas mit dem Verbrechen zu tun haben könnte, doch scheint Strangulation kaum deren bevorzugte Methode. Liegt die Lösung des Falls vielleicht in den sechziger Jahren? In einer Unterkunft für „gefallene Mädchen“, die ihr Kind dort austrugen?

Bei „Lügenmauer“ handelt es sich um Emma Vaughans ersten Fall auf der grünen Insel, sodass man alle Charaktere – Kollegen wie auch Verwandte – sehr gut kennenlernt. Leider ist die Geschichte sehr vorhersehbar, weswegen ich schon nach den ersten Kapiteln in groben Zügen wusste, weswegen und durch wen der Mord geschah. Nach und nach konnte man immer genauer vorhersehen, was als nächstes passieren würde. Lediglich der letzte Teil des Endes, welcher sich nicht mehr wirklich mit dem Fall an sich befasst, war für mich keineswegs abzusehen – und auch meines Erachtens ein noch größerer Makel als die Vorhersehbarkeit… Denn diesen Part konnte ich nicht wirklich nachvollziehen und habe mich über ihn auch geärgert…
Mir hat an dem Buch jedoch besonders gefallen, dass einige Kommentare von Emma, die – bissig oder ironisch – immer wieder für Schmunzeln sorgen. Diese waren auch der größte Ansporn zum Weiterlesen und jedes Mal ein echtes Highlight.
Was man dem Buch ebenso zu Gute halten muss ist, dass immer wieder die Geschichte Irlands, Geflogenheiten der Iren oder Ähnliches in die Geschichte mit eingewoben wurden, was dem Ganzen mehr interessante Elemente einhaucht.

Auch wenn die Spannung etwas fehlte, fühlte ich mich bei der Lektüre unterhalten.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Vielseitige Erklärungen!

Traditionelle Europäische Medizin
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Dieses Buch befasst sich ganzheitlich mit der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM), welche sich im Verlauf von ca. drei Jahrtausenden entwickelt haben soll.
Ausgehend von vier Typen, den Phlegmatikern, ...

Dieses Buch befasst sich ganzheitlich mit der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM), welche sich im Verlauf von ca. drei Jahrtausenden entwickelt haben soll.
Ausgehend von vier Typen, den Phlegmatikern, den Sanguinikern, den Cholerikern und den Melancholikern sollen die einzigartigen Charakterzüge, die dem Typen entsprechende körperliche Konstitution, usw. betrachtet werden, um eine ganzheitliche Behandlung zu ermöglichen.
Zu Beginn des Buches wird erklärt, was TEM ist und deren Entwicklung in mehreren medizingeschichtlichen Etappen erläutert, wobei ebenso Einflüsse anderer Kulturen angeführt werden. Auch wird die TEM heute erklärt – schon in dem ersten Abschnitt dieses Unterkapitels wird deutlich gemacht, wie wichtig die Weiterentwicklung der westlichen Heilkunst doch sei.
Mir hat dieses Kapitel sehr gefallen, da es sehr spannend ist, wie sich im Laufe der Zeit verschiedene Behandlungsmethoden und Überzeugungen durchgesetzt und Kulturen einander beeinflusst haben. Sehr interessant finde ich auch den Ansatz, die Möglichkeiten der Natur an sich als therapeutisches und präventives Mittel einzusetzten (Pflanzenheilkunde, Baum- und Pilzheilkunde, Wasseranwendungen, Massagetechniken, uvm.) oder mit Gymnastik den Organismus zu stärken. Herausgestellt wird ebenfalls, dass die Achtung vor Natur und Individuum im Vordergrund stünde.
Nach diesem war ich auf das nächste Kapitel sehr gespannt. In „Die Basis der TEM – Die Säftelehre“ werden die möglichen Konstellationen von trocken und feucht sowie kalt und warm vorgestellt und erklärt. Auch die vier Säfte und die durch sie jeweils repräsentierten Funktionsprinzipien werden ausgiebig erläutert. So finden sich gleichermaßen Angaben zu den Säften (Humores), ihren Funktionen und Nahrungsqualitäten in diesem Abschnitt.
Im Folgenden wird auf die Elemente eingegangen, sodass auch das Zusammenspiel innerer und äußerer Faktoren zum Ausdruck kommt. Auch werden die Elemente, ausführlich erklärt, mit dem Vorangegangenen in Verbindung gebracht.
Das nächste Kapitel befasst sich dann mit den „Rhytmen in der TEM“, also dem Lebensrhytmus samt verschiedener Lebensabschnitte, dem Jahresrhytmus und dem Tageszyklus.
Anschließend geht es um die Lebensregeln in der TEM. Die Unterkapitel („Licht und Luft“, „Speise und Trank“, „Arbeit – Bewegung – Ruhe und Entspannung“, „Schlafen und wachen“, „Absonderungen und Ausscheidungen“, „Anregung des Gemütes“) sind alle sehr verständlich ausgeführt. Sehr interessant fand ich den Aspekt, dass Bewegung regelmäßig, in der Natur, vielfältig, an der frischen Luft und mit Konzentration stattfinden sollte.
Als nächstes werden die „fünf Säulen des Lebens nach Pfarrer Kneipp“ unter Betrachtung sehr vieler Aspekte vorgestellt. Dann werden im Kapitel „Naturheilkundliche Maßnahmen in der TEM“ die „Biochemie nach Wilhelm Heinrich Schüßler“, „Kneipp’sche Wasseranwendungen nach Dr. Heinz Schiller“, „Fasten nach Hildegard von Bingen“ sowie „weitere naturheilkundliche Möglichkeiten“ vorgestellt und ausführlich erklärt.
Danach werden „die Temperamente in der TEM“ besonders intensiv beschrieben – von der Beschreibung des Temperamentes, über Körpermerkmale, den Charakter, die Stimmungslage, die soziale sowie mentale Kompetenz, die Verdauung, den Stoffwechsel, über den Schlaf, die Entgleisungen, bis hin zu allgemeinen Tipps, Bewegung, Wydaübungen, Ernährung, Heilpflanzen und physikalischen Hausmittel – was für eine Bandbreite!

Das Buch ist sehr ansprechend gestaltet: Viele Farbfotos lockern die Texte auf, durch Stichwortlisten erhält man schnell einen Überblick, Tabellen veranschaulichen Zusammenhänge leicht verständlich, farblich anders unterlegte Abschnitte kündigen Übungen an, welche mit Zeichnungen illustriert werden, Darstellungen werden zum Erklären von Zusammenhängen und Ähnlichem angebracht. Von der Gestaltung her ist dieses Werk wirklich ganz ganz toll. Man wird nicht müde weiterzublättern und zu -lesen.
Das liegt auch an den kurz gehaltenen Abschnitten, welche sehr verständlich geschrieben sind. Auch die ausführlichen Erklärungen sprechen sicherlich für das Buch.
Was mir ebenfalls zusagt, sind die vielen Rezepte, Anwendungstipps und so weiter, die jeden Abschnitt abrunden. So findet man wirklich zu jedem Thema umfassende Informationen und Tipps.
Allerding muss ich gestehen, dass mich die Säftelehre an sich einfach nicht überzeugen konnte… Meines Erachtens kann man einen Menschen schon rein Äußerlich in den allerseltensten Fällen einem von vier Typen zuordnen… Von seiner Erscheinung dann auch noch auf seinen Charakter, seine Verdauung und zu bevorzugende Lebensmittel zu schließen, halte ich für nicht ganz so verlässlich… Auch fällt mir die Zuordnung der Attribute kalt, warm, feucht und trocken zu bestimmten Lebensmitteln oder Alterstufen schwer… Das liegt aber, so konnte ich feststellen, nicht am Buch, sondern an dem vorgestellten Ansatz an sich.
Das Buch hält voll und ganz, was es verspricht: Es erklärt die Grundsätze der TEM sehr ausführlich und verständlich und zeigt verschiedene Aspekte auf. Von der Gestaltung des Buches bin ich, wie bereits erwähnt, ganz angetan. Allerdings konnten mich einige Aspekte der TEM, auch wenn mir eine ganzheitliche Betrachtung und der Wunsch nach Balance gefallen, nicht überzeugen.

Kein Makel des Buches also, weswegen ich es jedem, der sich über die Traditionelle Europäische Medizin informieren möchte, empfehlen kann. Mit diesem Werk ist man sicherlich bestens beraten und es dürfte kaum eine Frage offen bleiben.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein beeindruckend lebendiges Sachbuch!

Berlin 1936
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16 Tage lang im August 1936, vom 1. bis zum 16.8., bietet sich dem Berlin des Dritten Reiches die Möglichkeit, die Diktatur in den Hintergrund zu rücken, um sich der Welt bestmöglich zu präsentieren. Statt ...

16 Tage lang im August 1936, vom 1. bis zum 16.8., bietet sich dem Berlin des Dritten Reiches die Möglichkeit, die Diktatur in den Hintergrund zu rücken, um sich der Welt bestmöglich zu präsentieren. Statt zu Hetzschriften wird die Presse zu fairen Berichterstattungen angehalten – weder soll auf Siege Deutschlands verstärkt hingewiesen, noch sollen sie unter den Tisch gekehrt werden. Vielmehr beeindruckt als abgeschreckt werden rund hunderttausend Gäste durch den großen Aufwand, die sorgfältige Planung und den reibungslosen Ablauf. Auch das Aufgebot an eindrucksvollen Inszenierungen ist schon allein bei der Eröffnungsfeier pompös: Erstmalig findet ein olympischer Fackellauf zur Eröffnung statt, der mit einer Länge von 246 Metern zu den größten jemals gebauten Luftfahrzeugen gehörende Zeppelin „Hindenburg“ zieht über dem Stadion seine Runden, während unten in der Arena das Olympische Synphonie-Orchester große Stücke vertont. Ebenso viel Arbeit und Mühe wird im weiteren Verlauf der Spiele in eine gute Selbstdarstellung investiert: Von den zahlreichen Kameraleuten, die das Geschehen mit ungewohnt großen Geräten aus spektakulären Perspektiven unter der Regie von Leni Riefenstahl in über vierhunderttausend Metern Filmmaterial festhalten, sodass ein zweiteiliger Kinofilm – der Kassenschlager schlechthin – entsteht, über das überwältigende Stadion bis hin zu prächtigen – sowie teuren – Feiern, scheint alles vertreten, was das Zuschauerherz begehrt. Gleichermaßen ist nicht über unzureichende Verpflegung für die Athleten aus zahlreichen Ländern zu klagen:

„Alles in allem verzehrten die Athleten im Laufe der Olympischen Spiele 80.261 Kilogramm Fleisch, 3.047 Kilogramm frischen Fisch, 8.858 Kilogramm Teigwaren, 60.827 Kilogramm Brotprodukte, 58.622 Kilogramm frisches Gemüse, 55.220 Kilogramm Kartoffeln, 2.478 Kilogramm Kaffee, 72.483 Liter Milch, 232.029 Eier, 24.060 Zitronen sowie 233.748 Apfelsinen.“ (S. 119)

Die Frage nach den Kosten für dieses hochtrabende Ereignis sei besser nicht gestellt…
Aber auch außerhalb des Stadions gibt es in den sechzehn Tagen viel zu erleben, beispielsweise locken Bars und Cafés, in denen die Zeit in den Goldenen Zwanzigern stehengeblieben zu sein scheint, sodass ausgelassenen Feiern nichts im Weg zu stehen scheint.
Wie Touristen, Nazi-Größen, Sportler, Diplomaten, Künstler, Nachtschwärmer, Bar- und Restaurant-Besitzer oder Berliner diesen Sommer wahrgenommen haben, erfährt der Leser von „Berlin 1936“ hautnah.
Oliver Hilmes nimmt einen auf eine Reise in die Zeit der Sommerspiele mit, zeigt einem die verschiedensten Schicksale auf, sodass man nicht nur Interessantes über die Olympischen Spiele, sondern auch durch die Beschreibung neben den Spielen ablaufender Geschichten ein Gefühl für die damalige Zeit erhält.

Dem Autor gelingt es, verschiedenste Schicksale und Ereignisse, welche sich in nur sechzehn Tagen zutragen, dicht miteinander zu verknüpfen. Dabei führt er einige Personen an, die man eine Weile begleitet, bis sie wieder zu einem späteren Zeitpunkt aufgegriffen werden. Fragte man sich beispielsweise bei ersten Beschreibungen zu einer Person noch, was diese so besonders macht, dass sie in einem Buch Erwähnung findet, so wird dies von Seite zu Seite klarer.
Dadurch, dass die Personen derart unterschiedlich sind, bieten sich ebenso abwechslungsreiche Blickwinkel auf die Spiele. Ob die genaue Organisation der Spiele und ihr reibungsloser Ablauf den einen Angst macht, da man befürchtet, dass bei Kriegsausbruch die Bevölkerung ebenso problemlos zu mobilisieren sei, oder die prunkvolle Darbietung Eindruck macht und auch im Ausland seine Anhänger findet – sehr facettenreiche Standpunkte werden gezeigt.
Da man immer wieder auf die gleichen Menschen trifft, lassen sich auch Entwicklungen in ihrer Haltung wahrnehmen und man ist dem Geschehen und den Empfindungen als Leser näher.
Sehr gut gefällt mir auch der Aufbau des Buches: Jedem Tag ist ein Kapitel gewidmet, das stets mit einer Fotografie und einem kurzen Bericht des Reichswetterdienstes für Berlin beginnt, sodass man sich genau in den Sommer fühlen kann. Danach folgt man jemandem durch den Tag – beispielsweise begleitet man den Amerikaner Thomas Wolfe auf seinem Weg durch das zu Beginn von ihm so geliebte Berlin – und erfährt im Anschluss daran etwas darüber, was im Stadium vor sich geht. Es folgt ein Einschub aus den täglichen Anweisungen der Reichspressekonferenz, die einen spannenden Blick hinter die Kulissen gewähren. Im Anschluss daran wird abwechselnd der Tag aus Sportler-, Berliner- oder Politiker-Sicht beschrieben, sehr interessant sind meines Erachtens Tagebucheinträge, zum Beispiel von Goebbels. So erfährt man auch von Auseinandersetzungen oder bemerkt, wo die Fassade zu bröckeln beginnt. Immer wieder werden die Sequenzen und einzelnen Erzählstränge durch Meldungen des Pressedienstes der NSDAP, der nationalsozialistischen Parteikorrespondenz, Tagesmeldungen der Staatspolizei Berlin (, die deutlich machen, dass die nach außen so mühsam gespielte Harmonie und Weltoffenheit mit Ende der Sommerspiele ihr Ende finden wird und auch in den sechzehn Tagen der Spiele nicht tatsächlich nach diesen Werten gelebt oder regiert wird,) und durch Auszüge aus dem Berliner Lokal-Anzeiger aufgebrochen.
So sind die einzelnen Abschnitte angenehm kurz gehalten, was ein flüssig-leichtes Lesen trotz vieler Informationen ermöglicht. Ich konnte das Buch nicht beiseite legen, da es durch seinen romanähnlichen Charakter einfach so packend geschrieben ist, dass man dem nächsten Ereignis entgegenfiebert.
Was mir ausgesprochen gut gefällt, ist darüber hinaus, dass am Ende des Buches noch darauf eingegangen wird, was aus den Menschen, die man immerhin etwas über zwei Wochen begleitete, geworden ist. Dieser runde Abschluss hat noch einmal deutlich gezeigt, wer mehr und wer weniger Glück hatte oder aber auch, welche Wirkung die Olympischen Spiele 1936 auf die Menschen hatten.
Ich muss gestehen, dass ich mich für sportliche Ereignisse keineswegs begeistern kann, noch nie ein Fußballspiel oder Ähnliches gesehen habe und mir bekannte, aktuelle Sportler wahrscheinlich an einer Hand abzählen kann; dennoch hat mich dieses Buch in seinen Bann gezogen. Denn es ist keineswegs eine Berichterstattung über die sportlichen Wettkämpfe, sondern vielmehr ein unfassbar lebendiges Portrait. Ich bin noch immer beeindruckt davon, wie abwechslungsreich das Buch ist und wie sich stets ein roter Faden durch die Handlung zieht, bis sich die Erzählstränge zu einem gekonnt verwebten Ganzen bilden.
Unbekanntere sowie durchaus populärere Erscheinungen begleitet man gleichermaßen beim Lesen des Werkes, wobei ich mich bei einigen von ihnen gefragt habe, warum sie nicht bekannter sind, weswegen man nicht um ihr Schicksal weiß… So hat mich das Buch angespornt, weiterzulesen und mehr über die erwähnten Personen – sofern möglich – zu lesen.
Darüber hinaus hat mir „Berlin 1936“ mit seiner informativen, aber sehr packenden, bekömmlichen und verständlichen Art so gut gefallen, dass ich mir vorgenommen habe, die anderen Werke Hilmes‘ ebenfalls zu lesen.

Meines Erachten ist dieses Sachbuch sehr zu empfehlen, sollte man in die Zeit der Olympischen Spiele 1936 eintauchen, sie aus verschiedenen Perspektiven erleben und dabei auch hinter die Kulissen schauen wollen – auch wenn man sich nicht sonderlich für Sport begeistern kann, ist diese Lektüre sehr spannend und vermittelt, da sie sich eben mit der Zeit an sich und nicht nur den Spielen beschäftigt, Wissen zu der Diktatur. Ich hatte beim Lesen stets das Gefühl, vom Autor bestens durch die Straßen Berlins geleitet worden zu sein, da alles genau und verständlich erklärt wurde. Außerdem erscheint es mir so, dass Oliver Hilmes durch lange Recherche ein derart fundiertes Wissen erworben hatte, dass er gekonnt mit Informationen verschiedenster Quellen und Richtungen arbeiten konnte, sodass das Buch auch die ganze Zeit über abwechslungsreich war. So untermalen beispielsweise Gedichte, was zuvor über die Zeit zum Ausdruck gebracht wurde.

Ich vergebe daher 5/5 Sterne, die sich hell leuchtend, den Olympischen Ringen gleich anordnen

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine tolle Auswahl!

Hundert Gedichte
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In diesem Werk wurden Brecht-Gedichte aus den Jahren 1918 bis 1950 zusammengetragen.
Gegliedert in die Kapitel „Lieder / Betrachtungen / Kinderlieder“ (S.13-52) „Balladen“ (S.55-90), „Berichte/Chroniken“ ...

In diesem Werk wurden Brecht-Gedichte aus den Jahren 1918 bis 1950 zusammengetragen.
Gegliedert in die Kapitel „Lieder / Betrachtungen / Kinderlieder“ (S.13-52) „Balladen“ (S.55-90), „Berichte/Chroniken“ (S.93-145), „Deutsche Marginalien (1938)“ (S.149-160), „Pamphlete und Loblieder“ (S.163-208), „Zeitgedichte und Marschlieder“ (S.211-233), „Gedichte im Exil“ (S.235-253) sowie den Anhang samt „Biographischer Notiz“, „Zu dieser Ausgabe“ und einem Alphabetischen Verzeichnis, wird dem Leser ein faszinierender Einblick in die Werke Brechts ermöglicht.
Die Auswahl reicht von bekannteren Werken wie der „Kinderhymne“ (S. 51), dem „Kälbermarsch“ (S. 184) oder dem „Einheitsfrontlied“ (S. 224) bis zu weniger bekannten Werken.

Mir hat die Zusammenstellung ausgesprochen gut gefallen, da sie sich besonders zum Einstieg in seine Texte bestens eignet; so sind beispielsweise auch aus Arbeiten wie der „Dreigroschenoper“ (1928), dem „Leben des Galilei“ (1938/9) oder „Der gute Mensch von Sezuan“ (1938/42) oder der „Hauspostille“ (1927) Werke entnommen.
Ich bin von diesem Sammelband wirklich begeistert; hier wurde eine äußerst interessante Auswahl getroffen.

So kann ich dieses leinengebundene Buch jedem, der sich gerne ein Bild von Brechts Werken machen, seine Schreibweise kennenlernen oder sich starke Bilder in den Kopf pflanzen lassen möchte, empfehlen. Aber auch wer Werke Brechts bereits kennt, wird an diesem Buch seine Freude haben. Wie der Klappentext schon sagt: „Faszinierend durch die Kunst der Lakonie, durch höchste Präzision und Bildkraft.“ Ich kann nur empfehlen, sich mit dieser Sammlung auseinanderzusetzen – ich habe sie genossen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Mein neues Lieblingsbuch!

Willkommen in Night Vale
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Willkommen in Night Vale, einem Städtchen in der weiten Wüste Amerikas, einem Städtchen, dass einem irgendwie vertraut vorkommt. Abgesehen von ein paar Besonderheiten natürlich. Aber welche Stadt hat diese ...

Willkommen in Night Vale, einem Städtchen in der weiten Wüste Amerikas, einem Städtchen, dass einem irgendwie vertraut vorkommt. Abgesehen von ein paar Besonderheiten natürlich. Aber welche Stadt hat diese denn nicht?
In Night Vale bestehen einige von ihnen beispielsweise darin, dass es verboten ist, Kleidung mit Bergziegen-Aufdruck zu tragen - schließlich sind Bergziegen ein klares Bekenntniss zu Bergen, deren Existenz von der Regierung aufs schärfste bestritten wird.
Außerdem sollte man sich im Kino von Night Vale nicht wundern, wenn man die Eintrittskarten bei Stacy, einem gefühlsbegabten Nebelschleier, kauft.
Auch sollte man wissen, dass grüne Wolken mit lila Streifen nichts ungewöhnliches sind. Keine Sorge: Sie kündigen lediglich Regen an.
Mehr sollte man sich hingegen vor Engeln, deren Existenz von der Regierung ebenso abgelehnt wird, wie die der Berge, in Acht nehmen. Am besten, so die Regierung, man stelle sich Engel als Mörder vor, denn das käme ihrem wahren - nicht existenten - Wesen doch wesentlich näher als die allgemeine Vorstellung von flügelschwingenden Gestalten.
Zur Sicherheit in Night Vale trägt sicherlich bei, dass alle Bewohner ständig von Vertretern einer nebulösen, aber nichtsdestoweniger bedrohlichen Behörde beobachtet werden, die, da ist man sich, einer unbestimmten Ahnung folgend, sicher, irgendwie mit der Weltregierung zusammenhängt. Wenn einem dieses Gefühl des Schutzes noch nicht reicht, könnte natürlich auch in seiner Wohnung nach den von der Geheimpolizei angebrachten Wanzen suchen, um so mit dieser zu kommunizieren. Kann funktionieren, muss es aber nicht. Die Geheimpolizei kann schließlich nicht mit jedem reden.
Abgesehen davon ist jedem in dieser Stadt der Konsum von Radio Night Vale zu empfehlen, um immer auf dem neusten Stand zu sein. Der Nachrichtensprecher, Cecil, berichtet von Verkehr, Wetter, Ungewöhnlichem oder übermittelt Botschaften der Sponsoren. Auch diese sollte man sich nicht entgehen lassen. Sonst wüsste man schließlich gar nicht, weswegen man diese ganzen Produnkte, welche feilgeboten werden, überhaupt brauchen sollte. Oder zu kaufen hat.
Und wer könnte solch ehrlichem und objektiven Journalismus schon widerstehen können, wenn es heißt:
"Wir werden dieser Frage nachgehen, sobald wir vielleicht ein bisschen mehr Interesse für sie aufbringen können. Bis dahin bleiben wir ignorant und so glücklich wie stets. Und jetzt freuen wir uns auf drei werbefreie Stunden Reklame."
Auch gehören denkende Häuser in Night Vale einfach dazu. Man sollte zwar nicht prinzipiell davon ausgehen, dass ein Haus denken kann - das wäre dann doch ziemlich unsinnig, oder etwa nicht? - aber abzustreiten, dass, rein exemplarisch gewählt, das Haus in dem Diane und Josh wohnen, denken kann, wäre noch absurder. Wenn das Haus an einem langen Tag dann so ins Grübeln gerät, kommt es nicht selten zu solch bahnbrechenden Erkenntnissen wie: "Maulwurfsgrau löst keine Emotionen aus." oder "Oh mein Gott - Zeit! Was ist das überhaupt, Zeit?". Natürlich kann nicht jeder in einem Haus mit einer derart tiefgründigen Persönlichkeit leben - aber - hey! - nicht traurig sein.
Von den Gedanken des Hauses merken Josh und Diane sowieso nichts, immerhin kann man diese nicht sehen. Wo wir gerade bei den beiden sind, können wir sie auch etwas genauer ins Visier nehmen. Man sollte, um sich eine Stadt vorstellen zu können, schließlich auch ihre Bewohner betrachten. Nun, Diane ist eine recht gewöhnliche alleinerziehende Mutter mit einem Bürojob. Josh, ihr 15jähriger Sohn, ist auch ein ganz normaler Jun...- oder eher nicht. Selbst für einen pubertierenden Jugendlichen ist es doch ungewöhnlich ständig seine Gestalt zu ändern. Für Josh hingegen ist das der Alltag. Wie er aber auch aussieht, wie viele Fühler, Hufe oder welche Musterung sein Fell auch aufweisen mag, seine Mutter erkennt ihn stets.
In dieser Geschichte kommen aber nicht nur Josh und Diane besonders häufig und in wichtigen Rollen vor, sondern auch Jackie Fierro trägt maßgeblich zum Geschehen bei.
Sie betreibt mit ihren - seit Jahren - 19 Jahren das einzige Pfandhaus in Night Vale (oder wie auf der Titelseite der neuen Broschüre des Tourismusverbands zu lesen ist: der "Stadt der heimlichen Sünden und des verborgenen Bösen").
Als sie dort einen Zettel mit der Aufschrift "King City" verpfändet bekommt und sich jedoch kurz darauf nicht mehr erinnern kann, wer ihr den Zettel gab, beginnt ein Abenteuer, dessen Ausmaße sie sich nicht im geringsten hätte vorstellen können. Etwas ist mit King City nämlich nicht in Ordnung und mit dem Stück Papier schon gar nicht, denn dieses ist durch nichts wieder aus ihrer Hand zu entfernen. Verbrennt es, taucht es kurz darauf wieder auf. Ein Versuch nach dem anderen, es loszuwerden, scheitert hoffnungslos.
So bleibt Jackie nichts anderes übrig als sich den Geheimnissen um King City, Night Vale und deren Bewohnern zu stellen. Eine verwirrende, schmerzhafte, überraschende und an den Nerven zerrende Reise beginnt, die niemanden der Teilnehmenden so lassen wird, wie er sie einst begonnen hat.
"Mintunter vergisst man, was in der Welt Schmerzen empfindet und was nicht."
Nicht nur einmal bringen sich Diane und Jackie in höchste Gefahren und die jugendliche Pfandhausbesitzerin muss sich mit Personen auseinandersetzen, mit denen sie am liebsten so wenig Zeit wie nur eben möglich verbringen möchte.
"Seufzend beklagte sie die Unterdrückung des gesunden Menschenverstandes, ließ die Hand aber sinken."

In der Regel gehe ich Fantasy-Büchern zwar aus dem Weg, als ich jedoch auf dieses Werk stieß und in die ersten Seiten (und unbewusst dann auch in die ersten Kapitel) hineinlies, war ich mir nicht sicher, ob ich ein grandioses oder ein schlicht und ergreifend einfach total verrücktes Buch entdeckt hatte. Mittlerweile habe ich bemerken müssen, dass das eine in diesem Fall das andere nicht ausschließt.
Von der ersten Seite an war ich von dem herrlichen Schreibstil gefesselt und schier begeistert, wie jeder einzelne Satz auf den Punkt gebracht zu sein schien. Immer wieder habe ich mich gefragt, wie lange das Autorenduo wohl an einzelnen Passagen gesessen haben, wie oft es sie überarbeitet und verbessert haben muss, dass sie so wunderbar genau passen.
Zwar wusste ich nach einer ganzen Weile der Lektüre eigentlich immer noch nicht so ganz, wovon das Buch eigentlich handelt, war aber alleine der Sprache wegen so sehr angespornt weiterzulesen, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte. Viele Bemerkungen verwirrten mich oder brachten mich zum Lachen, da die Bilder, welche beim Lesen in den Kopf gepflanzt werden, einfach so absurd sein können und Jackie mit ihren - teilweise sarkastischen - Kommentaren oder ihrem Desinteresse, wenn ein Beamter sie mit Verschwörungstheorien volltextet, einfach genial sind.
Und auch wenn das Buch extrem skurriel ist, ist es am Ende doch schlüssig und rund.
Mich hat "Willkommen in Night Vale" echt umgehauen, denn alleine schon, wie Joseph Fink und Jeffrey Cranor auf 378 Seiten eine ganz andere Welt erschaffen, die man, auch wenn sie doch so arg anders ist als die unsere, ins Herz schließt und hin und wieder Probleme aus dem ganz normalen Alltag wiederekennt, ist grandios. Auch, mit wie viel Inhalt sie die Seiten gefüllt haben ist mehr als beeindruckend (- ich habe kaum etwas vom inhalt verraten...).
Für mich ist dieses Buch eine unglaubliche Überraschung und seit langem das beste Buch, das ich gelesen habe, sodass ich es einfach nur an jeden - auch wenn man nach der Beschreibung etwas skeptisch sein sollte - weiterempfehlen kann.

Noch völlig außer Atem von den letzten Seiten des Buches vergebe ich 5/5 am Nachthimmel leuchtende - und durch keine Regierung der Welt zu verleugnende oder zu verbietende - Sterne!