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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.10.2019

Entscheidest du noch selbst?

Das Ting
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Wie sähe unsere Gesellschaft aus, wenn ein Tool wie das "Ting", das körperbezogene Daten sammelt, auswertet und auf dieser Basis Handlungs- und Entscheidungsempfehlungen gibt, unseren Alltag bestimmt? ...

Wie sähe unsere Gesellschaft aus, wenn ein Tool wie das "Ting", das körperbezogene Daten sammelt, auswertet und auf dieser Basis Handlungs- und Entscheidungsempfehlungen gibt, unseren Alltag bestimmt? Diese Frage habe ich mir gestellt, als ich den Klappentext zu "Das Ting" las und ich nehme es gleich vorweg: Diese Frage wird im Buch nicht beantwortet.

Warum nicht? Weil es darum gar nicht geht. "Das Ting" ist keine Dystopie, genauso wenig ist es ein Action-Roman, am ehesten ist es wohl eine Gesellschaftskritik, wobei diese Kritik auf die heutige Gesellschaft und den vorherrschenden Selbstoptimierungsdrang bezogen ist. Startet man mit diesem Hintergrundwissen in den Roman, so erwarten einen toll ausgearbeitete, mitreißende Charaktere, die auf sanfte Art die Handlung vorantreiben.

Ganz deutlich merkt man diesem Roman an, wie viel Arbeit nicht nur hinter der Ausarbeitung des teils Gänsehaut-verursachenden Tools des "Ting", sondern auch hinter den insgesamt 4 Protagonisten steckt, die wie aus dem realen Leben gegriffen scheinen. Durch ihre unperfekte und polarisierende Art und das brisante Thema wird man als Leser schnell vom Roman in den Bann gezogen und entwickelt beim Lesen starke Gefühle, die von Sympathie bis hin zu innerem Widerstand und Rage reichen.

"Das Ting" ist definitiv ein Buch, über das man gut diskutieren und nach dem Lesen auch noch länger nachdenkt - über Themen wie Perfektion, Selbstoptimierung, Selbst- und Fremdbestimmung, die Zukunft der Menschheit mit Technologie usw. Doch für mich endete das Buch mit keiner wirklich neuen Erkenntnis, keinem "Aha"-Moment, was ich von einem Roman wie diesem jedoch erwartet hätte. Vielleicht ist hieran jedoch nicht das Buch schuld, sondern vielmehr mein vorhandenes Hintergrundwissen zu diesem Thema, weshalb ich "Das Ting" dennoch uneingeschränkt weiterempfehlen möchte.

Veröffentlicht am 13.08.2019

Eine Dystopie abseits des Mainstreams

Die Geschichte der schweigenden Frauen
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Zugegeben: Ginge es nur nach dem Cover, hätte ich wohl nie zu diesem Buch gegriffen. Es strahlt für meinen Geschmack etwas Altbackenes aus, obwohl ich es gleichzeitig auch toll finde, dass hier mal ein ...

Zugegeben: Ginge es nur nach dem Cover, hätte ich wohl nie zu diesem Buch gegriffen. Es strahlt für meinen Geschmack etwas Altbackenes aus, obwohl ich es gleichzeitig auch toll finde, dass hier mal ein anderer Ansatz gewählt wurde. Dennoch bin ich der Meinung, dass es eventuell etwas an der Zielgruppe vorbeigeht.

Warum ich das Buch trotzdem gelesen habe? Nun, zunächst einmal hat mich der Klappentext neugierig gemacht und als ich dann die ersten Seiten las, war ich direkt so in der Geschichte von Sabine drin, dass ich weiterlesen musste. Tatsächlich war "Die Geschichte der schweigenden Frauen" für mich eine überraschende und überraschend andere Dystopie, die sich von den ganzen massentauglichen Geschichten, die seit "Die Tribute von Panem" auf den Markt geschwemmt wurden, abhebt. Es ist wie die erwachsene, realistischere und weniger romantisierte Version von all den anderen Dystopien.

Das Setting und die Rahmenbedinungen, in dem die Geschichte spielt, haben mir sehr gut gefallen und waren - bis auf einen Punkt - für mich nachvollziehbar. Was ich leider nicht ganz verstanden habe, ist, warum eine Gruppe Frauen, die sich in einer Welt, in der Frauen einerseits wie das höchste Gut, andererseits aber auch wie möglichst gebärfreudige Spielzeug der Männer behandelt werden, in ihrer "Rebellion" dazu entschließt, sich trotzdem den Männern ja fast schon unterwürfig zu machen, obwohl es sicher auch andere Wege gegeben hätte, um an Geld und Nahrung heranzukommen. Hier fehlte mir etwas die logische Erklärung dafür.

Vom Schreibstil und Spannungsgrad hingegen war ich sehr begeistert, die Autorin weiß, wie sie ihre Leser in den Bann ziehen kann. Die unterschiedlichen Perspektiven, die eingenommen werden, waren für mich alle sehr schlüssig und jeder Charakter hatte seine eigene Stimme. Bei den Figuren fand ich es sehr schön, dass keiner hier pauschal "gut" oder "böse" war, sondern diese Grauzonen entstanden, die die Figuren noch einmal interessanter machten.

Insgesamt ist "Die Geschichte der schweigenden Frauen" ein sehr empfehlenswertes Buch und eine Erleichterung für jeden, der mal wieder Lust auf eine Dystopie hat, die aber abseits des Mainstreams und der 0-8-15-Plots liegt.

Veröffentlicht am 02.08.2019

Einfache Heilmittel für Zuhause

Unsere grüne Kraft - das Heilwissen der Familie Storl
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Selbst kochen, selber Kreativ-Projekte umsetzen, selber Kosmetik herstellen - warum nicht auch selbst Heilmittel herstellen? Wer Chemie und giftige Industrie-Produkte immer mehr aus seinem Haushalt entfernen ...

Selbst kochen, selber Kreativ-Projekte umsetzen, selber Kosmetik herstellen - warum nicht auch selbst Heilmittel herstellen? Wer Chemie und giftige Industrie-Produkte immer mehr aus seinem Haushalt entfernen möchte, der sollte auch mal in sein Medikamenten-Schränkchen gucken und statt vieler Pillen und Dosen lieber das "Unsere grüne Kraft"-Buch von Christine Storl hineinstellen.

Das wartet nämlich nicht nur mit allerlei nützlichen Rezepten für Beschwerden von A wie Abszess bis Z wie Zwölffingerdarmgeschwür auf, es ist dabei auch noch erstaunlich einfach in der Praxis. Oftmals werden die Pflanzen nämlich einfach nur als Tee aufgegossen oder zu einer Paste verrührt und aufgetragen.
Die Schwierigkeit besteht wohl eher - und gerade für Menschen in Großstädten - darin, die genannten Pflanzen auch zu finden, denn es wird ganz klar erwähnt, dass man Pflanzen am Straßenrand lieber stehen lassen sollte. Die Alternative wäre wohl die getrocknete Form in Apotheken zu besorgen, doch ob sie so dann noch dieselbe Wirkung entfalten steht auf einem anderen Blatt. Dies ist auch mein einziger Kritikpunkt am Buch, die alternativen Bezugsquellen, die leider keine Erwähnung finden.
Doch wer das große Glück hat, Pflanzen wie Ackerschachtelhalm und Weißdorn in seiner Umgebung zu finden, der muss sich als absoluter Pflanzen-Laie auch um die Erkennung keine Sorgen machen, denn nicht nur sind zu jeder Pflanze Fotos abgebildet, ihre besonderen Erkennungsmerkmale werden auch noch einmal genau beschrieben.

Besonders schön finde ich auch den zweiten Teil des Buchs, die Heilmittel aus der Küche. Dass man mit einfachen Zutaten wie Apfelessig und Zwiebel schon so viel Gutes im Körper bewirken und die Heilung fördern kann, hätte ich nicht gedacht. Und dass die verwendeten Mittel dabei alle so grundbodenständig und günstig in der Anschaffung sind, spricht ebenfalls für sich.

Insgesamt hat Christine Storl hier ein tolles und wahnsinnig hilfreiches Buch erschaffen, in dem so viel gutes und altes Wissen steckt, das man in Zeiten wie diesen beinahe schon als vom Aussterben bedroht ansehen muss. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass dieses Wissen neu aktiviert und weitergegeben wird. Ich jedenfalls werde nur allzu gern meinen Medikamentenschrank räumen und dafür mehr Platz für Heilpflanzen und "Unsere grüne Kraft" schaffen.

Veröffentlicht am 11.07.2019

Eine mitreißende Nacherzählung

Das Labyrinth des Fauns
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"Eine neue Geschichte von Cornelia Funke!", dachte ich und freute mich aufs Lesen. Spätestens nach der Hälfte des Buches und unzähligen Déjà-vus las ich mir dann den Klappentext erneut durch und stellte ...

"Eine neue Geschichte von Cornelia Funke!", dachte ich und freute mich aufs Lesen. Spätestens nach der Hälfte des Buches und unzähligen Déjà-vus las ich mir dann den Klappentext erneut durch und stellte fest: Was hier als "inspiriert von Guillermo del Toros grandiosem oscarprämierten Meisterwerk »Pans Labyrinth«" bezeichnet wird, ist im Grunde nichts anderes als eine reine Nacherzählung dieser Geschichte. Nach dieser Erkenntnis war ich zugegebenermaßen etwas enttäuscht - und trotzdem schmälerte es das Lesevergnügen nicht.

Denn wenn Cornelia Funke eins kann, dann Geschichten erzählen Schon die "Tintenwelt"-Trilogie fand ich toll und bereits nach den ersten Seiten von "Das Labyrinth des Fauns" zeigt sich wieder einmal Cornelia Funkes unglaublich toller und bildhafter Schreibstil. Jede ihrer Metaphern sitzt und das Buch ist atmosphärisch so dicht, dass ich manchmal geglaubt habe, mit Protagonistin Ofelia im Wald zu sein, die Blätter im Wind rauschen zu hören und die Gräser an meinen Beinen spüren zu können. Der Stil bewegt sich dabei irgendwo zwischen märchenhaft und grausam detailliert - und letzteres ist positiv gemeint!

Nun kann man - finde ich - Cornelia Funke kein Kompliment für die Charaktere oder die Handlung machen, da sie nicht aus ihrer Feder stammen, aber die Nacherzählung der Geschichte ist ihr wirklich meisterhaft gelungen. Wer bei Cornelia Funke jedoch direkt an Jugendbücher denkt, der sei gewarnt, dass "Das Labyrinth des Fauns" in meinen Augen nicht für unter 16-Jährige geeignet ist - hierfür sind brutale und ekelerregende Szenen zu detailliert beschrieben.

Wenn man sich im Vorhinein darüber bewusst ist, dass es sich hier um eine Nacherzählung von "Pans Labyrinth" handelt, ist das Buch eine tolle und mitreißend erzählte Geschichte, nicht nur für Fans.

Veröffentlicht am 08.07.2019

Eine ungewöhnliche Götter-Geschichte

Ich bin Circe
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Um dieses Buch zu bewerten, muss ich kurz erzählen, welche Erwartungen ich daran hatte: Ich hatte mir eher ein Jugendbuch à la "Percy Jackson" vorgestellt, mit leichtem Erzählstil und starken Charakteren.
Was ...

Um dieses Buch zu bewerten, muss ich kurz erzählen, welche Erwartungen ich daran hatte: Ich hatte mir eher ein Jugendbuch à la "Percy Jackson" vorgestellt, mit leichtem Erzählstil und starken Charakteren.
Was ich bekommen habe, war... nun ja: anders. In dem Fall meint "anders" aber nicht schlecht, denn "Ich bin Circe" ist in jedem Fall ein besonderes Buch. Bis jetzt kann ich zum Beispiel nicht erklären, wie das Buch mich trotz Fehlen von Cliffhangern, krassen Höhepunkten und atemraubender Spannung trotzdem so fesseln konnte. Das ist dann wohl die höhere Kunst der Unterhaltung.

Doch fangen wir nochmal von vorn an: "Ich bin Circe" ist im Grunde die wahre Geschichte des Olymps und der Götter verpackt in einer unterhaltsamen Story mit der Hexe Circe als Protagonistin. Wer - wie ich - schon immer mal dieses komplizierte Götter-Konstrukt in ihrer wahren Form entwirrt haben wollte, der bekommt in "Ich bin Circe" zumindest schon mal einen guten ersten Eindruck davon, denn "Ich bin Circe" ist wie die unterhaltsame Geschichtsstunde, die man nie hatte.

Das ist einerseits toll, weil man so viel an Wissen daraus mitnehmen kann, ohne dass es einen Lehrbuch-Charakter hat, doch dafür zahlt es den Preis, dass sich der Leser (oder vielleicht auch nur ich) nicht richtig mit der Protagonistin identifizieren konnte. Der Schreibstil ist so distanziert gehalten, dass ein richtiges Mitfühlen und Mitfiebern nicht stattfindet - vielleicht aber auch gar nicht gewünscht ist.

Wie bereits gesagt hat mich "Ich bin Circe" trotz allem sehr gut unterhalten und war lehrreich noch dazu, doch so richtig gepackt hat mich die Geschichte nicht, weshalb ich sie allen empfehlen möchte, die sich für die wahre Geschichte der Götter und etwas gehobenere Literatur interessieren.