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Veröffentlicht am 26.07.2020

Kostbare Tage

Kostbare Tage
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Wie immer hat Kent Haruf es geschafft, mich emotional abzuholen mit diesem Buch. Ich würde mal behaupten, dass es nicht unbedingt für junge Menschen gedacht ist, denn die melancholische Geschichte eines ...

Wie immer hat Kent Haruf es geschafft, mich emotional abzuholen mit diesem Buch. Ich würde mal behaupten, dass es nicht unbedingt für junge Menschen gedacht ist, denn die melancholische Geschichte eines alten Mannes, der seine letzten Kostbaren Tage damit verbringt, sein Leben zu ordnen und sich leise zu verabschieden, hat einen langsamen und sehr bedächtigen Rhythmus. Haruf ist ein Meister der wenigen Worte. Einer der sein Land und seine Menschen kennt und ihre spröde Naturverbundenheit und ihre raubeinige Gelassenheit auch vor dem nahen Tod liebt und versteht.

Holt ist eine fiktive Kleinstadt irgendwo in Colorado. Hier kennt jeder jeden und Neuankömmlinge haben es nicht immer einfach, sich einzufinden. Es ist eine Gegend, aus der die Jungen flüchten und die wenig Abwechslung zu bieten hat, außer der Natur. Aber wenn ich dort nicht hinziehen würde, so habe ich doch die Einwohner schätzen gelernt und ich mochte es sehr, wie Haruf dem Leser seine Darsteller und die Stadt näherbringt. Voller Liebe und Wärme und Klugheit.

Veröffentlicht am 26.07.2020

Psychodrama

After the Fire - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2021
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"After the fire" hat mich sehr überrascht. Ich hatte mit einem Jugendroman gerechnet und einem Mädchen, welches ein dunkles Geheimnis verbirgt aber das wäre wirklich sehr oberflächlich, das Buch darauf ...

"After the fire" hat mich sehr überrascht. Ich hatte mit einem Jugendroman gerechnet und einem Mädchen, welches ein dunkles Geheimnis verbirgt aber das wäre wirklich sehr oberflächlich, das Buch darauf zu reduzieren, denn es hat einen vielschichtigen und sehr ernsten Kern und die Psychologie und Struktur, die in einer Glaubenssekte steckt, wird sehr intensiv geschildert.

Im Grunde geht es um den Zerfall einer Sekte irgendwo in Amerika. Man fühlt sich beim Lesen an Berichte von "Colonia Dignidad" und vor allem an das blutige Ende der Sekte 1993 in Waco erinnert. Ich denke auf letztere Geschehnisse geht dieses Buch auch im weitesten Sinne ein.

Moonbeam war seit ihrer Kindheit ein Mitglied der Sekte "Heilige Legion Gottes". Deren Camp ist zu Schutt und Asche verbrannt und bis auf wenige Kinder und Jugendliche wie Moonbeam hat niemand den Brand überlebt. Die Behörden wollen den Überlebenden nicht nur psychologisch helfen sondern sie wollen auch genau wissen, was im Lager all die Jahre geschehen und wie es zu dem Feuer gekommen ist. Also werden alle Kinder mit einem Psychater und FBI-Agenten täglich verhört und Stück für Stück setzt sich so ein Puzzle zusammen.

Moonbeam und ihre Sichtweise stehen im Zentrum. Sie erzählt in einem "Davor" und "Dachach" wie es war, dort zu leben, vom Sektenführer maipuliert, von dessen Helfern gemaßregelt, von den anderen Sektenmitgliedern misstrauisch beäugt zu werden. Nach und nach entwickelt sich darauf ein erschreckendes Bild, wie die jungen Menschen und ihr gesunder Geist geformt und oft auch gebrochen werden, bis sie willfährige Mitglieder einer verrückt-religiösen Sekte sind. Und obwohl sie jetzt ja in Sicherheit sind, sind sie weiterhin schwer traumatisiert und können nur schwer aus den Gedankenmustern der Sekte herausfinden. Einige schaffen es gar nicht.

Ein schwieriges Thema welches hier sehr autentisch und eindringlich erzählt wird. Die Frage, ob Moonbeam mit Schuld am Feuer war und damit mit Schuld am Tod vieler Menschen, steht immer als großes Fragezeichen im Hintergrund. Gleichzeitig bewundert man ihre Stärke und spürt, dass ohne sie alles noch viel schlimmer gekommen wäre. Wie die Frage am Ende beantwortet wird, muss jeder selber entdecken.

Ich kann "After the fire" sehr empfehlen. Ein ausgefeiltes Psychogramm.

Veröffentlicht am 21.06.2020

Pandatage

Pandatage
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Danny Maloony ist Witwer und versucht seinem kleinen Sohn Will ein normales Leben zu ermöglichen. Aber nach dem Tod seiner Frau gelingt ihm das nicht mehr. Er scheitert an seinem Beruf, am Alltag, an der ...

Danny Maloony ist Witwer und versucht seinem kleinen Sohn Will ein normales Leben zu ermöglichen. Aber nach dem Tod seiner Frau gelingt ihm das nicht mehr. Er scheitert an seinem Beruf, am Alltag, an der Verantwortung. Anfangs nervte mich dieser Mann, der unreif und unfähig war, der sein Kind alleine ließ mit dem Tod der Mutter. Das Selbstmitleid, die Planlosigkeit, vor allem das Phlegma von Danny sind erschreckend und waren mir eigentlich unverständlich. Aber nach und nach kommt Bewegung in Dannys Gedankenwelt. Und das ist die Stärke der Geschichte. Hier wird sehr emphatisch erzählt, wie ein Mann sein Schicksal endlich in die Hand nimmt und erkennt, wie er und sein Sohn wieder glücklich werden können und auch müssen.

Der Schreibstil ist humorvoll und oft leicht sarkastisch. Man kann sich viele Szenen gut in einer Slapstick-Komödie vorstellen, aber es gibt auch leise und traurige Töne.

Eine Geschichte die ihren eigenen Charme entwickelt. Das Cover ist toll und am Ende habe ich mich auch mit Danny versöhnt.

Veröffentlicht am 21.06.2020

lesenswert

Fräulein Gold: Schatten und Licht
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Das Berlin der 1920-er Jahre spielt in dieser neuen Reihe um die Hebamme Hulda eine Hauptrolle. Wie sehr sich die Welt doch verändert hat in den letzten 100 Jahren. Und wie hart gerade die Zeit zwischen ...

Das Berlin der 1920-er Jahre spielt in dieser neuen Reihe um die Hebamme Hulda eine Hauptrolle. Wie sehr sich die Welt doch verändert hat in den letzten 100 Jahren. Und wie hart gerade die Zeit zwischen den Weltkriegen war, das wird in diesem Buch alles sehr deutlich und eingängig beschrieben und man kann dabei wirklich Neues erfahren und gut eintauchen in das Flair. Hulda als Hebamme, kennt alle Facetten der Gesellschaft, macht keinen Unterschied zwischen arm und reich und geht in ihrer Aufgabe, Frauen zu helfen, auf. Sie ist für ihre Zeit sicher eine sehr mutige und emanzipierte Frau, die sich weder von den Vorschriften noch von Männern einschränken lässt, wenn ihr etwas wichtig und richtig erscheint.

Dadurch, dass Fräulein Gold sich in einem Todesfall zu privaten Ermittlungen verleiten lässt und mit einem richtigen Kommissar aneinander gerät, ist es nicht nur ein Gesellschaftsroman sondern auch ein historischer Krimi, allerdings beides in sehr harmonischen Tönen und ganz unaufdringlich und unblutig erzählt.

Ich mochte Hulda und ich mochte auch den Rest des Personals hier sehr. Die Autorin hat eine sehr luftig-leichte Art zu Erzählen. Es hat großen Spaß gemacht das Buch zu lesen und Hulda in ihre Welt zu folgen. Umso mehr freue ich mich, dass bereits zwei weitere Bücher angekündigt sind.

Veröffentlicht am 21.06.2020

hervorragend

Schwarzer August
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Ich bin ein Fan von Holger Carsten Schmidt. Nicht nur in Büchern sondern auch als Drehbuchautor hat er mich schon mehr als einmal überzeugt und mit seinen Plots geflasht. Als Gil Ribeiro wagt er sich bereits ...

Ich bin ein Fan von Holger Carsten Schmidt. Nicht nur in Büchern sondern auch als Drehbuchautor hat er mich schon mehr als einmal überzeugt und mit seinen Plots geflasht. Als Gil Ribeiro wagt er sich bereits zum vierten Mal ins portugiesische Fuseta, wo er seinen Austauschkommissar Leander Lost den einheimischen Ermittlern mit seinem messerscharfen Verstand zur Seite stellt. Auch wenn der Fall natürlich in sich abgeschlossen und problemlos zu lesen ist, so rate ich doch unbedingt zum Genuss der ersten drei Bände, da in dieser Serie das Privatleben der Polizisten eine wichtige, teilweise sogar tragende Rolle spielt. Und weil es einfach schön ist, die sympathischen Leute Stück für Stück näher kennen und lieben zu lernen. Nicht immer finde ich es so harmonisch und wichtig wie in diesen Büchern, dass die Kriminalfälle mit dem Privaten verknüpft sind. Dabei geht es natürlich auch um Leander Lost, der durch seinen Autismus ein sehr spezieller Charakter ist. Der Vergleich mit Sherlock Holmes drängt sich von Fall zu Fall mehr auf. Aber das soll jetzt nicht heißen, dass die Krimis nicht eine ganz eigene Note hätten. Ganz im Gegenteil. Dieser humorvoll-liebenswerte Unterton lässt trotzdem genug Raum für ansteigende Spannung und einen interessanten Krimiplot.

Wie immer fühlte ich mich hervorragend unterhalten, genoss das Lokalkolorit und fand es ein sehr glaubhaftes Szenario. Ich kann mir Leander gar nicht mehr an einem anderen Ort vorstellen und hoffe sehr, er darf auch weiterhin in Fuseta ermitteln.