berührend und fesselnd
Das letzte JahrElfi Zimmermann, ein neunjähriges Mädchen, lebt in Mähren in einem kleinen Dorf, das von Tschechen, Deutschen und jüdischen Einwohnern im Einklang bewohnt wird. Jeder kauft bei dem anderen ein, grüßt sich ...
Elfi Zimmermann, ein neunjähriges Mädchen, lebt in Mähren in einem kleinen Dorf, das von Tschechen, Deutschen und jüdischen Einwohnern im Einklang bewohnt wird. Jeder kauft bei dem anderen ein, grüßt sich auf der Straße - sowohl auf tschechisch, als auch auf deutsch - und die Kinder verbringen ihre Freizeit miteinander, egal ob sie zur tschechischen oder deutschen Schule gehen. Alles ist idyllisch.
Elfi ist ein liebenswertes Mädchen, das sich über ihr neues Fahrrad freut und später entweder nach Amerika zu den Indianern auswandern will oder aber auch beim Zirkus auftreten möchte, wie ihre Tante. Sie könnte Kunststücke auf ihrem Fahrrad machen. Ihre Eltern haben ihr beigebracht, dass es keinen Unterschied macht, wer welche Nationalität hat, welche Sprache spricht oder welcher Religion angehört. Das sei nicht wichtig, solange man eine anständige Person ist. Dies alles ist so wunderbar beschrieben aus der Sicht von Elfi, die uns teilhaben lässt an ihren Gedanken, Erlebnissen, Gefühlen und Ängsten.
Doch nach und nach fallen ihr Veränderungen in ihrem kleinen Dorf und auch bei ihren Eltern auf. Ihre Freundin Lilli ist von einem auf den anderen Tag nicht mehr da und keiner will ihr erklären, wieso. Viele Geschäfte (mit jüdischen Inhabern) im Dorf sind plötzlich geschlossen. Die tschechischen Erwachsenen gehen nur noch bei den Tschechen einkaufen und die deutschen bei den Deutschen. Und dann darf sie auf einmal nicht mehr zu einem Turnfest gehen, wo doch ihre Freundinnen auch dort hingehen. Ihre Verwirrungen bekommt man hautnah mit, als eine Art Vertrauensperson. Man möchte ihr als Leser am liebsten alles erklären, sie trösten, in Schutz nehmen und für sie da sein in einer Zeit der Veränderung.
Anfangs musste ich erst reinfinden in das Buch. Denn der Schreibstil war etwas ungewöhnlich: Die Gedankensprünge, einfache Ausdrucksweise und ein Lesefluss, der immer mehr an Tempo gewann. Doch nach den ersten zwei Kapiteln war es ein leichtes zu folgen und ich wollte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
Elfi ist eine fantastische Protagonistin. Mit ihrer kindlichen Art, wie sie die Dinge sieht und versteht, reißt sie den Leser mit in ihre Gedankenwelt und ihre Träume von einer Zukunft als Zirkusartistin oder in Amerika. Ihre Freude über ihr neues Fahrrad und somit her Mobilität lassen auch eigene Kindheitserinnerungen aufkommen. So wie zu Beginn des Buches Freude empfunden wird, überwiegt zum Ende hin Mitgefühl und Traurigkeit über ihre zerbrochene Welt und die Einsamkeit.
Es ist definitiv ein Buch, das man gelesen haben sollte, um daran erinnert zu werden, dass es nicht nur eine (erwachsene) Sichtweise der Dinge gibt und die Kinder manchmal viel mehr verstehen, als man ihnen zutraut.