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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.04.2023

Japanisches Gesellschaftsporträt

3000 Yen fürs Glück
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Ein Roman mit dem Thema Geld und Bedeutung. Warum nicht. Aber letztlich ist es doch in erster Linie ein Gesellschaftsporträt, dass das zeitgenössische Japan zeigt.
Die ersten Abschnitte sind wirklich brillant. ...

Ein Roman mit dem Thema Geld und Bedeutung. Warum nicht. Aber letztlich ist es doch in erster Linie ein Gesellschaftsporträt, dass das zeitgenössische Japan zeigt.
Die ersten Abschnitte sind wirklich brillant. Die ju8ngen Mädchen Mithob und Maho bekommen von ihrer Großmutter jeweils 2000 Yen geschenkt, und was sie damit machen ist für die Großmutter kennzeichnend für den Charakter des Menschen.
In erster Linie stehen Mihos Gedanken im Vordergrund. Es ist auch eine Art Familienroman. Als Erwachsene erlebt sie, wie ihre Kollegin rausgemobbt wird. Eine leise Kritik an den japanischen Arbeitsmarkt, wahrscheinlich nicht so weit weg vom deutschen.

Später hat das Buch ernüchternde Längen, bleibt auch unspektakulär.
Trotzdem ist 3000 Yen fürs Glück lesenswert, schließlich gibt es einige berührende Momente.

Das Buch schließt mit einem Kommentar der Übersetzerin sowie einer Übersicht über die handelnden Figuren und einem Glossar.

Veröffentlicht am 09.04.2023

Zeit der Frauen

Und trotzdem leben wir
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Michaela Küpper wirft in ihrem gut lesbaren Roman „Und trotzdem leben wir“ einen Blick auf die deutsche Nachkriegsgesellschaft. Es sind harte Zeiten. Viele Männer sind tot oder in Kriegsgefangenschaft, ...

Michaela Küpper wirft in ihrem gut lesbaren Roman „Und trotzdem leben wir“ einen Blick auf die deutsche Nachkriegsgesellschaft. Es sind harte Zeiten. Viele Männer sind tot oder in Kriegsgefangenschaft, die Frauen müssen sich und ihre Kinder allein durchkriegen.
Dazu gehört z.B. auch Eva Koch, die mal Lehrerin war, die Frisöse Erika Schott, dann noch Gerrit mit ihrer Mutter.
Die Zwangslage prägt die Frauen und sie sind entschlossene, selbstbewusst auftretende Persönlichkeiten.
Eine typische Figur der Zeit ist der sympathisch gezeichnete 14jährige Emil, ein Überlebenstyp, der mit seinem Fahrrad mutig Aufträge erledigt und sich stets schlitzohrig gibt.

Man bekommt einen Eindruck von der Zeit, wie man sie sich vorstellt. Manche der Motive sind schon etwas vergriffen, denn solche Romane gibt es schon einige. Aber auch Michaela Küppers Roman funktioniert.

Veröffentlicht am 30.03.2023

Abkommen

Polnischer Abgang
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Ein sympathischer Roman über die Flucht einer Familie von Polen nach Deutschland und ihr Ankommen hier. Es ist 1980 und der Autor Mariuz Hoffmann entwickelt ein Gefühl für diese Zeit.
Für die Erzählperspektive ...

Ein sympathischer Roman über die Flucht einer Familie von Polen nach Deutschland und ihr Ankommen hier. Es ist 1980 und der Autor Mariuz Hoffmann entwickelt ein Gefühl für diese Zeit.
Für die Erzählperspektive wird der 14jährige Jarek, Sohn der Familie gewählt und sein Blick ist naiv.
Dadurch werden die inneren Spannungen der Familie, z.B. auf der Flucht, nicht genauer betrachtet. Nach der Ankunft gibt es hingegen gut gestaltet Szenen, die zeigen , dass der Weg anerkannter Deutscher zu werden, kein leichter ist.
Es werden viele Coming of Age-Passagen eingefügt, insbesondere nachdem Jarek sich mit der mutigen Monika anfreundet.
Die geheimnisvoll gehaltene Großmutter-Geschichte fügt noch ein wenig Spannung hinzu, bleibt aber insgesamt im Hintergrund.
Sprachlich würde ich den Roman durchschnittlich, aber mit guten Ansätzen einstufen. Der Autor hätte literarisch mehr wagen können, aber was er macht, funktioniert.

Veröffentlicht am 30.03.2023

Der Drum´n´Bass stoppt abrupt

PUNKED
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Die Autorin Yasin Sibai kennt sich aus in der Szene des Punk, der aber nicht mehr dass ist, womit er mal begann. Die Szene hatte sich weiterentwickelt.
Wobei man sagen muss, dass die Romanhandlung zwischen ...

Die Autorin Yasin Sibai kennt sich aus in der Szene des Punk, der aber nicht mehr dass ist, womit er mal begann. Die Szene hatte sich weiterentwickelt.
Wobei man sagen muss, dass die Romanhandlung zwischen 1998 und 2011 hin- und herspringt. Auch die Schauplätze wechseln viel.
Die Protagonistin Bey erfährt vom Tod ihres ehemaligen Freundes, den sie Jahre nicht gesehen hat. Die Todesursache macht sie stutzig und sie beginnt nachzuforschen.
Mit Karina gibt es eine zweite wichtige Figur, wenn auch leicht überzeichnet.

Auch Musikalisch sind andere Einflüsse hinzugekommen. Zahlreiche Zitate aus Songtiteln sind eingestreut und tragen dazu bei, entsprechende Atmosphäre aufzubauen. Ein Blick in die Playlist lohnt sich.

Das Romandebüt Punked ist sprachlich ansprechend und wird weiterhin sehr von den Dialogen getragen.

Veröffentlicht am 19.03.2023

Großmutter ist tot

Männer sterben bei uns nicht
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Es geht in diesem Roman um eine Familie, mehrere Generationen, die fast nur aus Frauen besteht und bei der die Großmutter als Anführerin prägend war.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von der Enkelin ...

Es geht in diesem Roman um eine Familie, mehrere Generationen, die fast nur aus Frauen besteht und bei der die Großmutter als Anführerin prägend war.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von der Enkelin Louise, die gleich am Anfang des Buches, als sie noch ein Kind war, eine Tote im Wasser findet.
Als sie 30 Jahre alt ist, stirbt ihre Großmutter und Luise fühlt sich wie ohnmächtig. Auf der Beerdigung erinnert sie sich zurück an die Kindheit, auch daran, wie wie ihre ältere Schwester Leni verschwand.

Männer sterben bei uns nicht, ist ein für mich ein streckenweise rätselhafter Roman. Aber schlecht ist er nicht. Im Gegenteil ist er sehr stimmungsvoll, manchmal etwas melancholisch.
Das Buch ist sprachlich etwas besonderes. Annika Reich kann schreiben.
Einen ungewöhnlichen Abschnitt möchte ich mal zitieren, um einen Eindruck zu vermitteln.
„Die fünf Häuser schwiegen, und sie schwiegen auf ihre eigene Art. Das Haus von Großmutter schwieg wie eine Königin, die man nicht ansprechen durfte, unser Haus schwieg wie jemand, der etwas verbrochen hatte, das Schweigen von Großmutter Veras Haus war zentnerschwer...“
Diese Sprache empfinde ich als so reichhaltig.
Es ist eine außergewöhnliche Art, die Geschichte der Frauen einer Familie zu erzählen.