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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.08.2019

Begegnungen

Fünf Lieben lang
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An Fünf Lieben lang fallen als erstes die gewählte Sprache und der Stil auf. Andre Aciman schreibt, zart, unaufgeregt, manchmal umständlich. Im Vordergrund stehen die Emotionen des Protagonisten. Das Buch ...

An Fünf Lieben lang fallen als erstes die gewählte Sprache und der Stil auf. Andre Aciman schreibt, zart, unaufgeregt, manchmal umständlich. Im Vordergrund stehen die Emotionen des Protagonisten. Das Buch hat wenig Spannungsmomente aber einige gute Beschreibungen von Begegnungen und besondere Momente.

Manche Passagen plätschern vor sich hin, dann hat mich der Roman schon arg gelangweilt.

Bei der Charakterisierung der Nebenfiguren geht der Autor subtil vor und als Leser muss man genau lesen, damit einen die Figuren auch erreichen. Das kann anstrengend sein und der Roman ist dann eine Herausforderung.

Die Angst der Hauptfigur, ein falsches Leben gelebt zu haben, bzw. immer nur gewartet zu haben, kann ich nachvollziehen. Solche Erkenntnismomente machen das Buch lesenswert.

Veröffentlicht am 15.08.2019

Eine Malerin von Format

Die Malerin des Nordlichts
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Lena Johannson ist eine erfahrene Schriftstellerin, die weiß, wie man einen Stoff einleitet. Mit dem Prolog zu Die Malerin des Nordlichtes übertrifft sie sich. Am Strand eines norwegischen Fjordes lässt ...

Lena Johannson ist eine erfahrene Schriftstellerin, die weiß, wie man einen Stoff einleitet. Mit dem Prolog zu Die Malerin des Nordlichtes übertrifft sie sich. Am Strand eines norwegischen Fjordes lässt sie Licht entstehen, wie auch den Geruch des Wassers, die Rufe der Seevögel, das Murmeln der Wellen. Das sind poetische Momente. So sensibilisiert liest man genauer, nimmt auch das besondere wahr. 

Es geht dann los in Kristiania, 1922. Die norwegische Malerin Signe Munch ist 38 Jahre alt und geschieden und widmet sich jetzt ganz ihrer Malerei.
Signe ist entfernt mit Edvard Munch verwandt, trifft auch den Literaturnobelpreisträger Knut Hamsun und kennt den Sohn des Malers Paul Gauguin.

Im Buch werden ihr Leben und Schicksal nachgezeichnet und in einen interessanten Plot gesetzt. Der warmherzige Erzählton der Autorin ist genau passend. In Form eines Romans gelingt es besser, die Malerin zu portraitieren als mit einer Biographie. Aufbau unterstützt die Stimmung noch durch ein farblich und motivisch ansprechendes Cover.

Signe Munchs Werk ist leider verschollen. Daher ist es von Lena Johannson auch eine großartige Leistung, die Persönlichkeit Signe Munch bekannt zu machen und sie dem Vergessen zu entreißen.

Veröffentlicht am 15.08.2019

Ein Bündel Gedichte

Was von mir bleibt
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Sylvia Kling – Was von mir bleibt: Das Gedicht-Band versammelt Gedichte über einen längeren Zeitraum.
Vieles wirkt selbsttherapeutisch, Depressionen und Trauer werden verarbeitet. Das wird besonders deutlich ...

Sylvia Kling – Was von mir bleibt: Das Gedicht-Band versammelt Gedichte über einen längeren Zeitraum.
Vieles wirkt selbsttherapeutisch, Depressionen und Trauer werden verarbeitet. Das wird besonders deutlich bei den Gedichten, die dem Zyklus Aus meinen Schwerezeiten (2007 – 2012M) stammen.
Einiges davon erinnert an Brigitte Schwaiger.
Der therapeutsiche Effekt wird auch ausgedrückt, z.B. in „ich lächle dem Leben zu.“ oder in Neublick:

Aus meiner müden Finsternis
wurde kraftvolles Licht,

aus meinen trauerschwarzen Tal
eine wiesenbunte Ebene


Mich hat zeitgenössische Lyrik schon oft fasziniert. Doch nicht alles erreicht mich. Sylvia Klings Stil ist nicht ganz das, was ich üblicherweise lese. Über manchen Passagen wundere ich mich, wie sentimental sie sind. Fast möchte man sich fremdschämen, wenn es zu pathetisch wird.
Manchmal wird es sozialkritisch, z.B. in Der Deutsche im empathischen Wohlstandsmodus.
Doch das funktioniert so nicht.

Sylvia Kling beschäftigt sich auch mit der Heimat. Sie ist in der DDR aufgewachsen. Das hat seine stärkste Wirkung, wenn sie sich erinnert, z.B. in Das Haus. „Ich lief an meiner Kindheit vorüber ...“.

Der Abschnitt Gebündeltes beinhaltet viele kürzere Gedichte. Das kompakte tut ihnen gut.

Veröffentlicht am 14.08.2019

Leben in einem sterbenden Land

Nacht in Caracas
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Karina Sainz Borgo erzählt in ihrem Debütroman Nacht in Caracas vom Leben in Venezuela. Es ist die gefährlichste Stadt der Welt, gemessen an Tötungsdelikten. Außerdem herrscht Armut. Selbst alltägliches ...

Karina Sainz Borgo erzählt in ihrem Debütroman Nacht in Caracas vom Leben in Venezuela. Es ist die gefährlichste Stadt der Welt, gemessen an Tötungsdelikten. Außerdem herrscht Armut. Selbst alltägliches ist oft nur schwer zu bekommen und stets fehlt das Gefühl der Sicherheit. Entsprechend zerrüttet ist die Gesellschaft.
Dieses negative Lebensgefühl wird exemplarisch durch die Hauptfigur und Icherzählerin Adelaida ausgedrückt, die zu Beginn des Romans gerade ihre Mutter, eine gebildete Frau und Lehrerin, zu Grabe tragen muss.
Der Tod der Mutter ist ein schwerer Verlust für Adelaida, sie verliert dann auch noch ihre Wohnung und sie droht sich selbst zu verlieren.
Adelaide steht stellvertretend für viele junge Menschen. Sie ist intelligent und gebildet, aber sie bekommt keine Chance. Sie kann nur hoffen zu überleben und vielleicht irgendwie das Land zu verlassen. Auch darum ist dieses Land, das sich auch momentan in einer schweren Krise befindet ein sterbendes Land.
Es ist also recht bedrückend zu lesen, aber wie die Autorin die Sprache einsetzt und einen eigenständigen Ton erzeugt, überzeugt sehr. Die in Caracas geborene, jetzt aber in Spanien lebende Autorin, ist zwar Journalistin, aber der Text wirkt nicht direkt dokumentarisch. Ihre Form ist wirklich Literatur und vermittelt ein Bild von Lateinamerika, wie es die meisten deutschen Leser, die davon weit entfernt sind, nicht kennen. Das erzeugt Verstehen und Empathie. Man versteht auch, dass man in Deutschland privilegiert ist.

Veröffentlicht am 11.08.2019

Reichhaltiges Vermächtnis

Das Schöne, Schäbige, Schwankende
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Das Schöne, Schäbige, Schwankende ist Brigitte Kronauers letztes Buch und sie erzählt in vielen Episoden. Das ganze folgt einem Konzept.
Es ist wirklich meisterhaft gemacht und stellt in den vielen kleinen ...

Das Schöne, Schäbige, Schwankende ist Brigitte Kronauers letztes Buch und sie erzählt in vielen Episoden. Das ganze folgt einem Konzept.
Es ist wirklich meisterhaft gemacht und stellt in den vielen kleinen Romangeschichten meistens kuriose Figuren in den Vordergrund, die wechselnd die Eigenschaften des Titels erfüllen.
Einige Episoden sind wirklich berührend. Nennen möchte ich mal ein paar, die mich besonders gefangen genommen haben:

Die Prächtige: Die Begegnung einer Schriftstellerin mit einer Frau, die ihr ein Foto zeigt. Hier wird gezeigt, was ein einziges Bild aussagen kann, wie verschieden es aber auch interpretiert werden kann.

In mehreren Geschichten hintereinander werden Frauenschicksale porträtiert: Rosetta, Rosita, Rosa, gefolgt von Einer Frau mit Caprice.
Frauendarstellungen sind eine Stärke der Autorin, aber es können auch Männer sein.
Hubertus: ein orientierungsloser Mann, der sich den neuen Nachbarn nähert, jedoch außerhalb der Gesellschaft bleibt. Erzählt von einem Kollektiv.

Diese Liste an überzeugenden Geschichten könnte man noch lange so fortsetzen. Es gibt so viel in diesem Buch. Auch bei den Geschichten, die einen nicht sofort erreichen, bleibt der Eindruck, dass da viel drinsteckt und ich glaube, das Buch wird mich beim teilweisen Wiederlesen noch lange begleiten.

Brigitte Kronauer gestaltet ihre Geschichten mit großer Genauigkeit, alles ist durchgearbeitet. Dennoch sind sie meiner Auffassung nach überwiegend leicht zugänglich und man weiß, das die Autorin auch sperrig sein kann.
Faszinierend die Leitmotive, die sie einsetzt, zum Beispiel das Auftreten von Vögeln der unterschiedlichsten Art. Am deutlichsten passiert das in der Story von der verschlossenen Andrea, die von ihrer Schwester mit einer Wasseramsel verglichen wird. Oder auch in „Mondgesicht“ Sven, dessen Aussehen sich schließlich zum Dompfaff änderte.

Einige Figuren tauchen in den späteren, viel längeren Abschnitten wieder auf. Von diesen späten Abschnitten möchte ich vor allen „Die Jahre mit Katja“ empfehlen.

Mit ihrem letzten Buch hat Brigitte Kronauer ihre Leser reich beschenkt.