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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.07.2019

Lyrische Prosa

Auf Erden sind wir kurz grandios
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Auf Erden sind wir kurz grandios von Ocean Vuong besticht durch den gewählten Erzählstil, mit dem der Autor die passende Art zu erzählen gefunden hat. Es ist in einen Brief an die Mutter gefasst, die aber ...

Auf Erden sind wir kurz grandios von Ocean Vuong besticht durch den gewählten Erzählstil, mit dem der Autor die passende Art zu erzählen gefunden hat. Es ist in einen Brief an die Mutter gefasst, die aber nicht lesen kann und daher ist der Brief wohl mehr ein inneres Zwiegespräch, dass der 30jährige Erzähler führt und so seine Erinnerungen an Kindheit und Jugend reflektiert. Er, liebevoll von der Familie Little Dog genannt, ist als Kind aus Vietnam in die USA gekommen. Die Anpassung war nicht einfach für die Familie, sowohl sprachlich als auch kulturell sind gewaltige Unterschiede.

Little Dog erzählt in einer schonungslosen Art und benennt Gewalt und Verluste deutlich.

Bemerkenswert ist, wie der Text sowohl analytisch wie auch sehr emotional erzählt wird. Es gibt Bezugnahme auf philosophische Texte von z.B. Roland Barthes, Bei Dao und andere, aber da Ocean Vuong auch Dichter ist, wird die Prosa streckenweise sehr lyrisch. Das gefällt mir außerordentlich und ist auch nicht so häufig zu finden.

Veröffentlicht am 19.07.2019

Lesenswert

Totenland
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Totenland ist ein Buch, das mich aufgrund des Zeitpunktes der Handlung an die Romane von Susanne Goga oder Volker Kutscher erinnert.
Dabei ist der hier der Zeitpunkt sogar noch prekärer, 1945 kurz von ...

Totenland ist ein Buch, das mich aufgrund des Zeitpunktes der Handlung an die Romane von Susanne Goga oder Volker Kutscher erinnert.
Dabei ist der hier der Zeitpunkt sogar noch prekärer, 1945 kurz von Ende des Krieges.

Es beginnt recht hart mit der Flucht eines langjährig Gefangenen aus einem KZ. Bei diesen Passagen bin ich mir sicher, dass der Autor die Bücher von Primo Levi kennt.
Die Beschreibungen sind sehr glaubwürdig. Die der Täter sind nicht ganz so zwingend.

Jens Druwe, ein desillusionierter Polizist, steht im Mittelpunk. Die Frage nach Schuld und Mittäterschaft durchzieht den Roman.
Der Roman besitzt durchaus spannende Momente, weswegen ich nicht gerne mehr von der Handlung erzählen möchte.
Ein lesenswerter Roman!

Veröffentlicht am 17.07.2019

Thriller für die lange Zugfahrt durch die Nacht

Tiefes Grab
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Dieser Thriller um Serienmörder hat einen originellen Ansatz
Hauptfigur ist ein Mann, der ermordete Frauen findet und die Funde der Polizei meldet.
Das dient dazu, dass die Opfer beerdigt werden können ...

Dieser Thriller um Serienmörder hat einen originellen Ansatz
Hauptfigur ist ein Mann, der ermordete Frauen findet und die Funde der Polizei meldet.
Das dient dazu, dass die Opfer beerdigt werden können und die Angehörigen endlich Gewissheit haben.
Teilweise ist der Roman in erster Person geschrieben. Man erfährt von ihm und seinem Leben mit Frau und Tochter, denen er seine Tätigkeit verschweigt.
Seine Suche ist schon sehr obsessiv. Interessant ist die Frage nach der inneren Motivation des Mannes.
Zum Teil ist eine ermittelnde Polizistin im Mittelpunkt.

Schließlich kommt es zur Konfrontation mit einem Serienmörder. Ab da wird der Thriller konventioneller, da viel mit Stereotypen gearbeitet wird und manches ist vorhersehbar.
Nach sehr guten Beginn würde ich den Mittelteil als durchschnittlich bezeichnen. Zum Finale hin gibt es noch mal eine Steigerung.

Auf einer langen Zugfahrt durch die Nacht ist das Buch gute Unterhaltung!

Veröffentlicht am 16.07.2019

Autobiografie eines US-Politikers

Shortest Way Home
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Trotz des Titels ist Shortest way home von Pete Buttigieg auf Deutsch und es ist die Autobiografie des 37 Jahre jungen demokratischen Präsidentschaftskandidaten.
Eigentlich erstaunlich, dass ein so junger ...

Trotz des Titels ist Shortest way home von Pete Buttigieg auf Deutsch und es ist die Autobiografie des 37 Jahre jungen demokratischen Präsidentschaftskandidaten.
Eigentlich erstaunlich, dass ein so junger Politiker schon seine Autobiografie veröffentlicht, aber es ist natürlich ein geeignetes Mittel, sich den Wähler besser vorzustellen.
Das funktioniert auch, da Kindheit und Jugend sowie erste politische Erfolge als Bürgermeister auf persönliche Art dargestellt sind, die auch glaubhaft sind.
Der Untertitel des Buches lautet Meine Vision für die Zukunft Amerikas.
Diese Vision ist nicht genauer spezifiziert, er legt sich nicht fest, verweist mehr auf seine Erfahrungen als Soldat und Erfolge als Bürgermeister von South Bend in Indiana.
Ein politisches Sachbuch bekommt man nicht, aber die Innensichten eines repräsentativen US-Politikers sind interessant genug.

Veröffentlicht am 10.07.2019

Portrait der syrischen Gesellschaft

Die geheime Mission des Kardinals
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Ungewöhnlich für Rafik Schami, dass er den Plot seines Buches in Form eines Kriminalromans fasst. Es ist natürlich doch in erster Linie ein Roman über das Leben in Damaskus
Es ist 2010, eine Zeit in Syrien ...

Ungewöhnlich für Rafik Schami, dass er den Plot seines Buches in Form eines Kriminalromans fasst. Es ist natürlich doch in erster Linie ein Roman über das Leben in Damaskus
Es ist 2010, eine Zeit in Syrien vor dem Krieg.
Der 65jährige Kommissar Barudi übernimmt mit seinem Team den Mordfall an einen Kardinal. Barudi ist ein melancholischer, unangepasster Typ, der nie in die Partei der Machthaber eingetreten war und daher nie aufstieg, aber er ist damit zufrieden. Er mischt sich politisch nie ein, das würde bedeuten, entweder das Lied der herrschenden zu singen oder im Gefängnis zu verfaulen. So kann er wenigstens gute Polizeiarbeit leisten. Zu seinen engsten Mitarbeitern gehört Hauptmann Schukri, der ebenfalls eine Persönlichkeit ist. Weiter im Team sind Ali und Babil. Interessanterweise bekommen sie noch Verstärkung durch einen italienischen Commissario namens Mancini.

Ein Teil des Textes ist in Tagebuchform gehalten. Kommissar Barudis Tagebucheintragungen erlauben es, die Figur gut kennenzulernen.
Darin geht er mit seinen Erinnerungen sogar bis in die ärmliche Kindheit und an seine beruflichen Anfänge zurück, die erste unangenehme Berührungspunkte mit dem skrupellosen Geheimdienst beinhalten.

Der Rest des Textes ist in der dritten Person.

Rafik Schami lässt es sich nicht nehmen, Syriens Kultur und Lebensweise einfließen zu lassen. Dem Gewürzmarkt, der beim Lesen den Geruch von Koriander und Kardamon entwickelt. Der Geschmack der Nachtigallennester, ein Pistaziengebäck, das Leben der verschiedenen Religionen zueinander und die christliche Religion als Minderheit im Land, die ärmlichen Marktgassen, wo keine Touristen hinkommen usw.

Teilweise ist der Roman ganz schön verplaudert, aber Rafik Schami-Fans werden damit kein Problem haben.