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Veröffentlicht am 15.02.2019

wild

Der wilde Detektiv
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Eine Frau engagiert einen ungewöhnlichen Detektiv, um die verschwundene Tochter einer Freundin zu finden. Sie begleitet ihn auf der Suche.

Sprachlich ist das Buch originell gemacht. Aufgrund einer postmoderner ...

Eine Frau engagiert einen ungewöhnlichen Detektiv, um die verschwundene Tochter einer Freundin zu finden. Sie begleitet ihn auf der Suche.

Sprachlich ist das Buch originell gemacht. Aufgrund einer postmoderner Anklänge erinnert es darin an Thomas Pynchon bzw. eine Lightversion von ihm.

Es ist ein gesellschaftspolitisch aktuelles, sehr amerikanisches Buch. Donald Trump ist gerade als Präsident gewählt. Die Erzählerin des Romans empfindet das als Katastrophe.

Ein Roman voller Merkwürdigkeiten und Sprachwitz.

Veröffentlicht am 15.02.2019

Roman aus Südkorea

Deine kalten Hände
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Deine kalten Hände von Han Kang ist ein Roman, geschrieben 2002. Es ist dem Erfolg von Die Vegetarerin geschildet, dass er glücklicherweise auch auf Deutsch erscheint.
Eingeschlossen in einem Prolog und ...

Deine kalten Hände von Han Kang ist ein Roman, geschrieben 2002. Es ist dem Erfolg von Die Vegetarerin geschildet, dass er glücklicherweise auch auf Deutsch erscheint.
Eingeschlossen in einem Prolog und Epilog, erzählt von einer Schriftstellerin, umfasst der Text die Tagebuchauffassungen eines Bildhauers, der Abdrücke aus Gips erstellt. Dabei sind ihm 2 Frauen wichtig. Die übergewichtige L., die schöne Hände hat, die der Künstler mehrfach abbildet, und die schöne Innenarchitektin E., die anscheinend immer wieder kleine Aussetzer hat, sich sonst aber unnahbar und ohne Gefühlsregungen zeigt.
Während L.in ihrem Kampf ums Abnehmen in die Bulemie gerät, entsteht zwischen E. und dem Künstler eine widerspenstige Beziehung. Ihn treibt es an, hinter der undurchdringlichen Maske der Frau zu blicken und ihr Geheimnis zu erfahren.
 
Han Kang erzählt geschickt auf einer Ebene, die essentiell ist, sich aber nicht einfach in Worte fassen lässt, ohne dass es banal klingt. Der Leser erfasst es aber sofort. Auf jeden fFall unktioniert die Erzählmethode und man hat wirklich ein literarisches Werk vor sich. Geprägt ist es auch von der südkoreanischen Kultur, einer Lebensweise, in der es anscheinend üblich ist, seine Gefühle aus Höflichkeit lieber zu verbergen, dabei aber einen schwer fassbaren Weltschmerz zu pflegen.
Dem Roman gelingt es mit der Zeit, den Leser in seinen Bann zu ziehen. Es wird aber darauf verzichtet, alle Rätsel aufzulösen.

Veröffentlicht am 14.02.2019

Ahnenchronik

Wo wir zu Hause sind
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Man geht mit falschen Erwartungen an das Buch heran, wenn man es für erzählerisch gestaltet hält. Es ist ein sorgfältig gemachtes Sachbuch über die Familie des Autors Maxim Leo. Dabei geht er in die Vergangenheit ...

Man geht mit falschen Erwartungen an das Buch heran, wenn man es für erzählerisch gestaltet hält. Es ist ein sorgfältig gemachtes Sachbuch über die Familie des Autors Maxim Leo. Dabei geht er in die Vergangenheit weit zurück bis in die Zeit vor dem Krieg. Schon früh musste die Familie aus Deutschland fliehen und verstreute sich weit: Israel, England, Chicago.

Die Geschichte der einzelnen Familienmitglieder wird durch Fotos unterstützt, z.B. Irmgard und Hans,1932 in Berlin. Hilde 1929. Fritz und sein Sohn Andre 1935. Ilse in Rheinsberg, Andre 1950 im Kibbuz etc.
Fränkel wurde von der SA verhaftet. Das war der Ausgangspunkt für die Flucht der ganzen Familie. 1935 kamen sie in Frankreich am Jardin de Luxembourg noch einmal kurz zusammen, bevor sie sich in alle Winde zerstreuen.
Maxim Leo nutzt die Fotos als Ausgangspunkt, er schätzt sie aufgrund ihres Aussehens und Ausdrucks gut ein, glaube ich. Man erfährt so einiges über sie.
Maxim Leos Reflexionen wechseln von Erkenntnissen heute und Geschehnisse damals.

Eine ausgiebig gestaltete Ahnenchronik, kein Roman. Manches war mir im Detail zu ausführlich, aber vieles war auch interessant.

Veröffentlicht am 10.02.2019

Eine Zukunftsvision, die nicht unrealistisch ist

Die Mauer
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Nicht der erwartete Brexit-Roman sondern ein überhaupt pessimistisches Gesellschaftsbild in Zeiten des Klimawandels, in der ein Land wie Großbritanien exemplarisch in seiner Abschottung ist. Auch andere ...

Nicht der erwartete Brexit-Roman sondern ein überhaupt pessimistisches Gesellschaftsbild in Zeiten des Klimawandels, in der ein Land wie Großbritanien exemplarisch in seiner Abschottung ist. Auch andere Ländern wollen Mauern aufbauen und kennen keine Gnade gegen jeden, der nicht direkt dazugehört. Das ist der auf die Spitze getriebene Egoismus.
John Lanchesters dystopischer Roman ist auch entsprechend düster. In einem Interview auf Deutschlandfunk Kultur hat der Autor begründet, warum er jeden Humor aus dem Roman raus genommen hat. Das würde nicht funktionieren und das ist glaubhaft. Doch angenehm zu lesen ist das Buch daher nicht immer. Der Protagonist Joseph Kavanagh, ein junger Mann, der einen 2jährigen Dienst auf der Mauer antritt, ist ein Durchschnittstyp. Kein Held, im Prinzip bereit seine Pflicht zu tun und die ankommenden Flüchtlinge auch zu töten, wenn sie kommen.
Die Gesellschaftsform ist restriktiv geworden und da ist es sicher nicht einfach, sich so zu entwickeln wie es möglich ist. Erst durch eigenen Erfahrungen stellt er das System in Frage.
Für mich bleibt er aber leider durchgängig eine schwache Hauptfigur, da einfach zu wenig Profil hat. Das schadet dem gesamten Roman, da Joseph immerhin der Icherzähler ist.
Die Stimmung, vor allem im dritten Teil, der die Zeit der Verbannung erzählt, ähnelt streckenweise der TV-Serie The Lost, was auch nicht ganz überzeugt.

Die Mauer ist ein Roman mit guten Ansätzen, der durch Schwächen in Plot und Figurenführung, zu wenig aus dem Stoff macht und jedenfalls teilweise daher in seiner Wirkung verpufft.

Veröffentlicht am 09.02.2019

Französisch-Algerische Familien-Saga

Die Kunst zu verlieren
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Ein starkes Buch, auf dessen Übersetzung ich schon gewartet habe. Es erzählt in über 500 Seiten über die Zeit vor, wahrend und nach dem algerischen Unabhängigkeitskampf.
Im zweiten Weltkrieg hat Ali für ...

Ein starkes Buch, auf dessen Übersetzung ich schon gewartet habe. Es erzählt in über 500 Seiten über die Zeit vor, wahrend und nach dem algerischen Unabhängigkeitskampf.
Im zweiten Weltkrieg hat Ali für Frankreich gekämpft. Nur dafür wird er in Algerien schließlich als Verräter betrachtet.
Ich bin überrascht, wieviel man über das Schicksal der Harkis erfährt. In Algerien sind sie nach dem Unabhängigkeitskrieg nicht mehr erwünscht, in Fankreich auch nicht gerade willkommen.
Erstaunlich, wie stark die Autorin Empathie mit den Figuren beim Leser weckt. Ali und seine Familie aus der Kabylei sind dabei exemplarisch für viele, die durch die politischen Entwicklungen zu Flüchtlingen wurden.

Es ist ein komplexes Buch, das mehrere Generationen umfasst.
Die Erzählweise überzeugt. Alis Enkelin Naima ist in Frankreich geboren und fühlt sich ganz als Französin. Die Vergangenheit wurde von der Familie verdrängt. Über die Erlebnisse in Algerien wurde nicht gesprochen. Das Verschweigen der Geschichte ist ein starkes Thema des Buches. Die Vergangenheit ist dadurch nicht ausgelöscht und alte Wunden schwären noch lange. Der Verlust der Wurzeln ist auch wirklich ein Verlust! Ein weiteres großes Thema ist die Schwierigkeit der Integration.

Aktuelle Ereignisse in Frankreich stellen Identitätsfragen. Erst spät beginnt Naima sich für ihre Wurzeln zu interessieren und reflektiert die Vergangenheit. Obwohl Naima eine Art emotinale alte Ego für die Autorin ist, gibt es auch eine Ich-Stimme, denn die Handlung ist nicht direkt autobiografisch.

Das Buch ist inhaltlich wie auch sprachlich wertvoll!