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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.03.2018

Zwischen kunstvoll und künstlich gestrandet

Ein Geständnis
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Thekla Chabbi dürfte den meisten Lesern durch ihre Zusammenarbeit mit Martin Walser (Ein sterbender Mann) ein Begriff sein. Auf dessen hohen literarischen Niveau bewegt sie sich dann aber doch nicht. Immerhin ...

Thekla Chabbi dürfte den meisten Lesern durch ihre Zusammenarbeit mit Martin Walser (Ein sterbender Mann) ein Begriff sein. Auf dessen hohen literarischen Niveau bewegt sie sich dann aber doch nicht. Immerhin hat sie einen eigenen Ton und nutzt eine zeitlich verschachtelte Erzählweise mit kafkaesken Einschlag.
Die Protagonistin Amelie sitzt im Gefängnis, der Grund ist zunächst unklar. Sie wird regelmäßig von einem alten Herrn Blum besucht, der sie seelsorgerisch betreut. Ihre Gespräche wirken leicht rätselhaft auf den Leser. Dann gibt es die Rückblenden, aus denen sich die Zusammenhänge langsam mit Fortschreiten des Romans ergeben.
Amelie Frank war als Wirtschaft-Rechtsanwältin unzufrieden, eigentlich wollte sie kündigen.
Hinzu belastete sie die Trennung ihrer Eltern, die in eine Art Rosenkrieg ausartete.
Es ist auch sehr gut der Fahrradunfall herausgearbeitet, der für Amelie eine Art Erweckungsmoment einleitet. Das mündet in einem Interesse für Astrologie und der Begegnung mit dem suspekt wirkenden Mario. Eine unheilvolle Beziehung beginnt, die schnell in einer Enttäuschung endet.

Ich habe so meine Probleme mit den verhaltenen Dialogen, die möglicherweise in einer höhergestellten Gesellschaftsschicht gesprochen werden. Mir ist diese Sprache unbekannt und letztlich nicht ganz glaubwürdig. Walser Kunstsprache ist da im Vergleich kunstvoller.
Das verhindert natürlich nicht, dass man sich als Leser dafür interessiert, wie Amelie in ihre prekäre Situation geraten ist, die sich in Melancholie und innere Krise ausdrückt.
Ich begrüße auch ausdrücklich den psychologischen Ansatz um den Plot zu gestalten. Das Buch ist lesenswert!

Veröffentlicht am 17.03.2018

Wilm! Geef mi dorup noch' Kruiden

Deichfürst
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Heike van Hoorn entwirft ihre Hauptfigur Gertrud Boekhoff, Journalistin für das Rheiderländer Tagblatt, als Original und als Kumpeltyp, sehr sympathisch.

Zweite Hauptfigur ist der Kriminalhauptkommissar ...

Heike van Hoorn entwirft ihre Hauptfigur Gertrud Boekhoff, Journalistin für das Rheiderländer Tagblatt, als Original und als Kumpeltyp, sehr sympathisch.

Zweite Hauptfigur ist der Kriminalhauptkommissar Stephan Möllenkamp, der zur Kripo Leer gehört und verheiratet ist.

Beide beschäftigt der Mordfall an einem 80jährigen Mann, der aufgefunden wurde.
Das Opfer hat offenbar auch eine mysteriöse Vergangenheit.

Das detailreich gemachte Cover erwirkt wirklich eine Ostfriesland-Atmosphäre, die sich schnell auch im Text wiederfindet. Dazu gehört zum Beispiel ein Plattdeutsch-Dialekt der Einwohner, oder auch Konflikte zwischen denen die zur Meyer Werft in Papenburg mit deren Ozeanriesen gehören und denen deren Existenz als Krabbenfischer dadurch in Gefahr gerät.
Das finde ich ziemlich glaubwürdig entworfen.

Hinzu kommt ein Handlungsstrang, der im Jahr 1946 und später in den fünfziger und sechziger Jahren angesiedelt ist.
Es scheinen Ereignisse der Gegenwart und der Vergangenheit eine Rolle im Mordfall zu spielen.
Mehr sollte man an dieser Stelle nicht über den Fall verraten.

Der Krimi ist zwar relativ konventionell, aber das muss ja nicht unbedingt negativ sein. Das Buch überzeugt durch Realismus, so ist auch die Teamarbeit zwischen Polizei und der Lokalreporterin nicht gerade einfach. Sie ermitteln nicht wirklich zusammen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich bei einer möglichen Fortsetzung in dieser Hinsicht noch mehr ergibt.

Veröffentlicht am 12.03.2018

Mandelas Spirit

Nelson Mandela
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Das Buch ist nicht umfangreich, aber kompakt. Der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit Nelson Mandelas Kindheit, Jugend und Entwicklung. Diese Abschnitte kommen einem teilweise bekannt vor. Als wenn ...

Das Buch ist nicht umfangreich, aber kompakt. Der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit Nelson Mandelas Kindheit, Jugend und Entwicklung. Diese Abschnitte kommen einem teilweise bekannt vor. Als wenn sie schon einmal so oder ähnlich vom Autor veröffentlicht wurden.

Wesentlich interessanter ist der längere zweite Teil des Buches, dass den gesellschaftlichen und politischen Zustand Südafrikas nach Mandela betrachtet und der kein besonders optimistisches Bild zeichnet. Es wird klar, dass eine Persönlichkeit wie Mandela nicht ohne weiteres ersetzt werden kann. Südafrika ist nicht irgendein Land. Unter den afrikanischen Ländern hat es eine Sonderstellung eingenommen, die Potenziale waren da, aber Chance wurden vergeben. Man kann nur hoffen, dass das Erbe Mandelas nicht ganz vergessen wird und sein Spirit doch noch einmal strahlend erinnert wird.

Veröffentlicht am 28.01.2018

Verwandtschaft als Kulturgeschichte

Blutsbande
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Das leitende Thema dieses Buches ist laut Autorin die Idee von der Verwandtschaft als Blutsbande, die allmähliche Entwicklung dieser Idee und die Kritik in der Moderne daran.

Heutzutage ist das Familienbild ...

Das leitende Thema dieses Buches ist laut Autorin die Idee von der Verwandtschaft als Blutsbande, die allmähliche Entwicklung dieser Idee und die Kritik in der Moderne daran.

Heutzutage ist das Familienbild häufig anders als früher, als es noch die Vernunftehe gab. Patchwork- und Regenbogenfamilien gehören jetzt zum normalen.
Die biologische oder soziale Komponente in der Rolle der Familie und der Wandel dieser Rolle wird untersucht.

Dafür holt die Christiane von Braun weit aus, geht weit in der Geschichte zurück, von der Antike über die Aufklärung bis sie schließlich die Gegenwart erreicht.
Sie beleuchtet das Thema in verschiedenen Kontext, z.B.
Verwandtschaft als Sprache und als Text sowie in der christlichen und jüdischen Gesellschaftsordnung sowie Genetik.

Als Leser, der sich mit diesem Thema in diesem Umfang bisher nicht beschäftigt hat, fühlt man sich zunächst nahezu eingeschüchtert.
Christina von Braun ist Expertin für jüdische Studien, Gender-Studies, Religionsgeschichte, Antisemitismus und Geschichte der Schrift. Das fließt hier alles mit ein. Das kann man nicht alles ohne weiteres verarbeiten. Man pickt sich also verschiedenes aus diesen Themen heraus, im Bewusstsein, dass es noch mehr gibt und so bleibt das Buch wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum für den Leser relevant. Mir persönlich hat das Kapitel Literatur und Verwandtschaft mit der Behandlung von Goethes Wahlverwandtschaft gut gefallen, um nur mal eins zu nennen. Interessant sind auch die Passagen über Darwin, den Rassismus, Trumps biblischen Kapitalismus und die genetische Forschung.

Dem Anspruch allumfassend zu schreiben steht letztlich das Problem entgegen, einfaches alles in ein Buch zu packen. So wird man den einzelnen Themen nicht wirklich gerecht. Das ist jedenfalls mein Eindruck, es kann aber auch sein, dass Leser, die schon tiefer im Thema sind, das anders sehen und den umfassenden Ansatz begrüßen.

Davon abgesehen, kann man schon sagen, dass das Buch gut lesbar ist, aber auch nicht ohne Strenge. Die Autorin geht gewissenhaft und gründlich vor. Das ist Kulturwissenschaft auf hohen Niveau, an das sich der Laie ggf. erst herantasten und einlesen muss. Dann aber wird man reich belohnt.

Das komplexe Buch wird durch Abbildungen, umfangreiche Anmerkungen, Fußnoten und einem Literaturverzeichnis ergänzt.

Veröffentlicht am 25.01.2018

Schwierige Beziehung

Wenn Funken über Wolken tanzen
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Wenn Funken über Wolken tanzen ist ein Liebesroman mit wichtigem Thema.
Erinnern Passagen am Anfang noch an leichte, amüsante Chicklit, kann man dem Roman schon nach wenigen Kapiteln nicht absprechen, ...

Wenn Funken über Wolken tanzen ist ein Liebesroman mit wichtigem Thema.
Erinnern Passagen am Anfang noch an leichte, amüsante Chicklit, kann man dem Roman schon nach wenigen Kapiteln nicht absprechen, dass die nicht ganz einfache Beziehung zwischen Nico und Kosta realistisch und glaubwürdig gezeigt wird. Die beiden passen gut zusammen, aber der Altersunterschied von 14 Jahren ist gesellschaftlich nicht akzeptiert. Nico ist 33 Jahre alt und geschieden, Kosta 19.
Kostas junge Freunde können die Beziehung nicht ernst nehmen, auch Nicos Freunde missbilligen sie.

Ich schätze an dem Roman, wie er zeigt, dass es in solcher Situation nicht leicht ist, dass sie auch Fehler machen. Vor allen Nico fühlt sich dem Druck manchmal gelassen, Kosta ist gelassener, kann Nico aber manchmal nicht verstehen.
Was aber wirklich wichtig ist, zeigt sich, wenn man füreinander da sein muss.

Außerdem überzeugt die Autorin damit, ein anspruchsvolles Thema mit großer Leichtigkeit und doch angemessen zu behandeln. Es gibt teilweise wirklich amüsante Dialoge. Das zu lesen, macht richtig Spaß.

Allzu dramatisch oder wendungsreich ist der Roman aber nicht, Fans leichter Liebesgeschichten könnten sich auch leicht langweilen.