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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.09.2018

Nach dem Tod wird er ein Rabe sein

Lebt wohl, Ihr Genossen und Geliebten!
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Ein sehr autobiographischer Roman, erstaunlicherweise durchgängig und konsequent in einer Versform, die aber gut lesbar ist. Ein langes Prosagedicht! Von dieser Form sollte sich kein Leser abschrecken ...

Ein sehr autobiographischer Roman, erstaunlicherweise durchgängig und konsequent in einer Versform, die aber gut lesbar ist. Ein langes Prosagedicht! Von dieser Form sollte sich kein Leser abschrecken lassen. Sie ist im Gegenteil ein entscheidender Mehrwert.

Die Autorin stammt aus Rumänien,lebt aber schon lange in Deutschland und schreibt auch auf Deutsch.

Die Protagonistin des Romans kehrt für kurze Zeit zurück, als ihr Vater nach einem Unfall zum Pflegefall wird. Er liegt im Krankenhaus und wohl bald sterben wird.
Doch die Distanz zwischen ihnen ist groß. Er war immer ein 100prozentiger Kommunist, ein hoher Parteifunktionär. Nicht umsonst ist der Untertitel des Romans Tod eines Patrioten.
Der Vater hatte 2 langjährige Geliebte, Rebecca und Daria. Aber seine Tochter, die das Land verlassen hatte, ist für ihn eine Verräterin.
An so einem Vater kann man sich abarbeiten. Das tut sie und zeigt einen langen Sterbevorgang. An manchen Stellen kann das Lesen auch qualvoll sein.

Erwähnenswert ist noch das kluge Nachwort des großen György Dalos.

Erschienen ist das Buch in dem den kleinen unabhängigen Verlag PalmArtPress. Es sei dem Buch zu wünschen, dass es beim Deutschen Buchpreis auch in die Short List kommt.

Veröffentlicht am 31.08.2018

gut durchkomponiert

Jahre später
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Jahre später setzt an die Vorgängerbücher Das Mädchen und April an.
Wer diese Bücher kennt, kann sich vorstellen,was sie erwartet, aber das neue Buch hat einen etwas anderern Ton. Es fehlt die literarische ...

Jahre später setzt an die Vorgängerbücher Das Mädchen und April an.
Wer diese Bücher kennt, kann sich vorstellen,was sie erwartet, aber das neue Buch hat einen etwas anderern Ton. Es fehlt die literarische Wucht ihrer ersten Bücher, dafür kommt es mir weniger nüchtern vor.
Deswegen kann man sehr froh sein, dass es diesem dritten Teil gibt.
April ist jetzt 30, lebt mit ihrem kleinen Sohn zusammen in Berlin und lernt den selbstbewussten Arzt Ludwig kennen. Anfangs geht es hauptsächlich um ihre Beziehung und wie diese auch April verändert.
Es folgt Schwangerschaft, Heirat und Umzug nach Hamburg.
Es wird eine schwierige Ehe, die Beziehung zum Scheitern verurteilt.
Wie weit man in der Figur Ludwigs den ehemaligen Ehemann von Angelika Klüssendorf, Frank Schirmmacher, erkennen möchte ist letztlich jedem seiner Lesart nach überlassen, ich plädiere dafür, Ludwig erst einmal als fiktive Figur bestehen zu lassen.

Fazit: Fällt gegenüber den kraftvolleren Vorgänger deutlich ab, ist aber doch geschickt gemacht und sehr lesenswert.

Veröffentlicht am 30.08.2018

schwebender Ton

Ein schönes Paar
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Ein schönes Paar von Gert Loschütz ist ein ruhig, eigentlich unspektakulär geschriebener Roman über die Spurensuche eines Mannes über seine Eltern bzw. über ihre Trennung. Leitmotiv dabei ist eine alte ...

Ein schönes Paar von Gert Loschütz ist ein ruhig, eigentlich unspektakulär geschriebener Roman über die Spurensuche eines Mannes über seine Eltern bzw. über ihre Trennung. Leitmotiv dabei ist eine alte Kamera des Paares und Fotos von ihnen. Herta und Georg treffen sich vor dem Krieg in Ostdeutschland und heirateten 1942. Später flüchteten sie nacheinander in den Westen. Sie waren ein schönes Paar, aber warum sie sich plötzlich trennten, erschloß sich dem Sohn Philipp nicht.
Ich mag Gert Loschütz Stil, nicht direkt spröde, aber mit einem schwebenden Ton. Zugang zu den Figuren findet man nicht so leicht, da nie aus der Sicht von Herta oder Georg erzählt wird, konsequent ist es die Erzählstimme des Sohnes. Das Cover deutet die Form an, indem ein Lichtstrahl über ein Paar ins dunkle dringt. Durch viele Leerstellen bleibt mir ein Teil des Romans verschlossen, doch ich habe viel übrig für eine Literaturform, die sich dem verborgenen und rätselhaften stellt. Patrick Modiano ist ein großer Autor dieser Form und Gert Loschütz folgt ihm mit vielen detailreichen und sorgfältigen Beschreibungen der Umgebung. In dieser Form mit Sprache zu arbeiten ergibt ein lesenswertes Stück Literatur.

Veröffentlicht am 28.08.2018

Vor dem Abgrund

Loyalitäten
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Delphine de Vigan hat schon einige beeindruckende Romane geschrieben. Zum Beispiel "Nach einer wahren Geschichte", "Tage ohne Hunger", "Das Lächeln meiner Mutter". Deswegen gehört sie für mich zu den wichtigsten ...

Delphine de Vigan hat schon einige beeindruckende Romane geschrieben. Zum Beispiel "Nach einer wahren Geschichte", "Tage ohne Hunger", "Das Lächeln meiner Mutter". Deswegen gehört sie für mich zu den wichtigsten Autorinnen der zeitgenössischen französischen Literatur.
Loyalitäten reiht sich in ein. Mit wechselnden Perspeltiven, mal aus erster, mal aus dritter Person heraus erzählt, wird vom Leben an einer Schule erzählt. Im Mittelpunkt der 12jährige Theo, der dem Alkohol verfällt, da seine geschiedenen, lebensuntüchtigen Eltern ihn in eine Lebenskrise brachten.
Helene, eine mitfühlende Lehrerin spürt, das mit Theo etwas nicht stimmt. Auch Cecile, die Mutter von Theos besten Freund Mathis ahnt etwas. Doch ein Eingreifen ist nicht einfach.

Durch die wechselnden Perspektiven kann man die Figuren ganz gut verstehen. Am meisten verschlossen ist eigentlich Theo, aber durch die familiären Verhältnisse wird er praktisch in die defensive Rolle gedrängt, denn obwohl er versucht, seine arbeitslosen, heruntergekommen Vater zu helfen, bleibt er hilflos und die Betäubung durch Alkohol sein Ausweg. Doch es wird immer schlimmer. Die Situation spitzt sich zu und dadurch entsteht eine Spannung.

Mich überzeugt, dass die Autorin auf Sentimentalität verzichtet, dafür auf präzises und sensibles Erzählen setzt.
De Vigan schafft eine ausgezeichnete Romankonstruktion, die sich auf einen kleinen Rahmen beschränkt und daher funktioniert das kurze Buch sehr gut. Für mich ist das ohne Frage 5 Sterne wert!

Veröffentlicht am 27.08.2018

Starkes Buch

Manhattan Beach
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Ein großer Wurf, den die Pulitzerpreisträgerin Jennifer Egan mit Manhattan Beach vorgelegt hat. Ein großer komplexer Roman, dabei geradlinig erzählt.
Jennifer Egans Stil ist noch geschmeidiger geworden ...

Ein großer Wurf, den die Pulitzerpreisträgerin Jennifer Egan mit Manhattan Beach vorgelegt hat. Ein großer komplexer Roman, dabei geradlinig erzählt.
Jennifer Egans Stil ist noch geschmeidiger geworden als in ihren frühen Büchern. Ihre gewohnte Eleganz noch einmal gesteigert.

Anna Kerrigan ist erst 8 Jahre alt, als sie zusammen mit ihrem Vater den reichen, zwielichtigen Dexter Styles kennenlernt, der später eine große Rolle in ihrem Leben spielen wird.
Jahre später hat ihr Vater Eddie die Familie verlassen und Anna kümmert sich um ihre Mutter und die behinderte Schwester. Anna ist ein starker, selbstbewusster Charakter. In Kriegszeiten setzt sie sich in der Männergesellschaft durch und wird fähige Taucherin im Hafen.
Jennifer Egan hat viel recherchiert, ihrer Schreibkunst ist es zu verdanken, dass man als Leser das aber kaum spürt. Wie Selbstverständlich fließen die Fakten in den Text hinein.
Detailreich beschreibt Jennifer Egan ihre Tätigkeit auf der Werft, der Arbeit am Pier und den Tauchvorgängen. Der deutsche Übersetzer Hennig Ahrens, selbst Schriftsteller, folgt in seiner Übersetzung der Dichte von Egans Stil.
Vor dem inneren Auge ragen die imposanten Schiffe auf, man sieht die wartenden Marinesoldaten oder Anna in ihrem schweren Taucheranzug.

Mit Manhattan Beach liest man ein ausdrucksvolles starkes Buch über eine schwierige Zeit in den USA.