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Veröffentlicht am 25.07.2018

Intensives Jugendbuch

Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren
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Die New Yorker Autorin Ali Benjamin hat ein intensives Jugendbuch geschrieben, dass den Leser schnell gefangen nimmt und dank der Erzählform mit der Protagonistin empathisch mitfühlen läßt.

Die 12jährigen ...

Die New Yorker Autorin Ali Benjamin hat ein intensives Jugendbuch geschrieben, dass den Leser schnell gefangen nimmt und dank der Erzählform mit der Protagonistin empathisch mitfühlen läßt.

Die 12jährigen Suzy und Franny waren beste Freundin. Als Franny rätselhafterweise beim Schwimmen ertrinkt, bleibt die sensible Suzy erschüttert und sprachlos zurück. Sie spricht tatsächlich nicht mehr, macht sich aber viele Gedanken über Quallen. Ihre Theorie ist, dass Franny an einem giftigen Quallenstich starb, da sie schließlich eine gute Schwimmerin war, die nicht ohne weiteres einfach ertrinkt.
In Rückblicken erfährt man von Suzy und Frannys Freundschaft, aber auch wie sie langsam endete und Suzy in der Schule isoliert wurde und in eine Außenseitersituation geraten war.
In der Gegenwarts-Handlung recherchiert Suzy nach Quallenexperten. Sie steigert sich richtig hinein und will einen von Ihnen in Australien aufsuchen.

Wegen dem Thema Verlust besitzt der Text eine nicht unerhebliche Melancholie, dennoch überwiegt dann doch die Hoffnung auf eine gute Zukunft für Suzy, da sie ein begabtes, intelligentes Mädchen ist.

Veröffentlicht am 22.07.2018

Fest der Wörter

Der Duft des Lebens
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Dieser Roman ist wirklich anders als die meisten. Er ist wie aus der Zeit gefallen, das es einem als Leser schwer fällt, Zeit oder Ort exakt zu bestimmen. Das ist so, weil die Autorin auf universelles ...

Dieser Roman ist wirklich anders als die meisten. Er ist wie aus der Zeit gefallen, das es einem als Leser schwer fällt, Zeit oder Ort exakt zu bestimmen. Das ist so, weil die Autorin auf universelles wie Menschlichkeit und Weisheit hinaus will. Clara Maria Bagus hält ihren Roman lange in der Schwebe und scheut kein Pathos.

Ein ruhiger Text der leisen Töne, der auf Stimmungen setzt. Manche Passagen wirken leicht prätenziös. Insbesondere in den beschreibenden Momenten. "Der See lag da wie eine Glasscheibe." "Wie Tinte breitete sich das Wasser im Fluss aus." "Der Nebel schleppte sich tief über die Dächer." "Das Morgenlicht fiel durch das Laub der Bäume". etc. das kann man mögen! Mir war es etwas zu viel und zu bildlich, wobei man zugeben muss, das fast alle Sätze sorgfältig gemacht und die Bilder nur selten schief sind.

Aviv ist eine helle, positive Figur. Der Arzt Kaminiki hingegen ist eine finstere, seltsame Figur. Schon als Kind grausam, als Erwachsener sogar ein Mörder. Durch ihn werden seelenlosigkeit, weiße und schwarze Seelen oder das Böse auf eine abstrakte Weise diskutiert.
Zwischen Kaminski und Aviv beginnt ein Zweikampf, hell vs dunkel, der von Bedeutung für die ganze Umgebung ist.
Ich fand den Roman interessant, aber manchmal schwer fassbar! Doch am Ende ist es ein Fest der Wörter!

Veröffentlicht am 22.07.2018

Marie und Melih

Für immer sein Mond
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Für immer sein Mond von Marie Enters erzählt eine eindringliche Liebesgeschichte zwischen Melih und Marie. Er ein Flüchtling aus Syrien und sie 53jährigen Frau, die ehrenamtlich mit Deutschkursen Flüchtlingen ...

Für immer sein Mond von Marie Enters erzählt eine eindringliche Liebesgeschichte zwischen Melih und Marie. Er ein Flüchtling aus Syrien und sie 53jährigen Frau, die ehrenamtlich mit Deutschkursen Flüchtlingen helfen will.
Es ist eine heimliche Liebe, die sie leben, denn Marie ist gebunden an Jan und hat mit ihm ein Kind.

Es ist ein Roman in zwei Teilen, der erste zeigt den Beginn der Affäre und wie sie sich entwickelt, der zweite Teil erzählt davon, wie sie sich langsam von sich lösen. Man sieht als Leser so einen gesamten Prozess einer Liebesbeziehung.

Auffälligstes Merkmal ist der Erzählstil von Marie, der sehr persönlich ist und ihre Emotionen wie Leidenschaft, aber auch Zweifel deutlich zeigen.
Es ist außerdem ein Bild von Deutschland in einer schwierigen Zeit, die von gewissenlosen Parteien wie AFD und ihren jämmerlichen Wählern sowie den Medien aufgeladen ist. Marie erzählt aber auch Melihs Sicht auf die Situation, die realistisch und trotz allen positiv ist.
Mir gefallen beide Figuren sehr, auch wenn Marie sich nicht aus ihren Zweifeln lösen kann und ihre große Liebe nicht öffentlich leben kann. Doch mich beeindruckt ihr Engagement.

Sprachlich dominiert ein poetischer Ton, der von Melancholie durchzogen ist. Ein lesenswertes Buch.

Veröffentlicht am 21.07.2018

Schelmenroman

Guten Morgen, Genosse Elefant
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Christopher Wilsons eindringlich erzähltter Roman "Guten Morgen, Genosse Elefant" (im Original The Zoo) ist in der Tradition der Schelmenromane angesiedelt. Die Handlung ist in die Stalinzeit der Sowjetunion, ...

Christopher Wilsons eindringlich erzähltter Roman "Guten Morgen, Genosse Elefant" (im Original The Zoo) ist in der Tradition der Schelmenromane angesiedelt. Die Handlung ist in die Stalinzeit der Sowjetunion, im Jahr 1953 gelegt.
Das Besondere ist die Erzählstimme, die die Handlung ganz und gar dominiert. Der 12jährige Juri wurde als 6jähriger bei einem Unfall schwer verletzt, überlebte, aber ist gehandicapt, dennoch lebt Juri gerne und ist immer positiv. Er lebt bei seinem Vater, ein bekannter Tierarzt, in der Nähe des Zoos. Dann wird der Vater gerufen, einen Patienten zu behandeln. Überraschenderweise ist es kein Tier sondern Stalin, der schwer erkrankt ist. Stalin lässt sich von Juri die Zeit vertreiben, sie spielen Dame, wobei Stalin schummelt, sehen gemeinsam Filme, meist Western und Juri muss den Vorkoster machen. Eine gefährliche Situation, aber Juri sieht immer alles positiv und durchschaut auch so einiges. Er ist eine wirklich starke Romanfigur!

Der Roman ist durch die Erzählstimme positiv und manchmal humorvoll angelegt, doch es ist ein ernster Hintergrund. Wer in Stalins Umgebung ist, wird auch dessen Schergen ausgesetzt und das kann blanker Terror sein. Wer etwas dagegen sagt, verschwindet. Selbst wer nur in Verdacht gerät, wird nach Kolmya verbannt. So ging es Juris Mutter, Gefängnis droht auch seinem Vater und vielleicht auch Juri selbst, denn als Stalin im Sterben liegt, ist auch er nicht mehr sicher.

Es ist ein ergreifender, packender Roman, der auch den Leser gefangen nimmt.

Veröffentlicht am 20.07.2018

Jugend einer Schriftstellerin

Weit weg von Verona
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Die britische Schriftstellerin Jane Gardam hat mit ihren Old Filth-Romanen zweifellos Weitliteratur geschaffen. Ihr erster Roman „Weit weg von Verona“ hatte diesen Status vielleicht noch nicht so ganz, ...

Die britische Schriftstellerin Jane Gardam hat mit ihren Old Filth-Romanen zweifellos Weitliteratur geschaffen. Ihr erster Roman „Weit weg von Verona“ hatte diesen Status vielleicht noch nicht so ganz, aber es ist dennoch ein beeindruckendes Portrait eines intelligenten und lebhaften 12jährigen Mädchens während der Kriegsjahre in England.
Inwieweit die Hauptfigur Jessica Vye eventuell autobiographische Züge der Autorin trägt, ist schwer zu sagen, aber Jahresdaten ähneln sich und Jane Gardam kannte die Zeit, daher wirkt ihr Roman in Sprache und Verhalten der Protagonisten sehr authentisch.

Die 1928 geborene Jane Gardam wurde schon ganz zutreffend mit der kanadischen Literaturnobelpreisträgerin Alice Munroe verglichen.
Aber Jessica als emotional aufgeladene Erzählerin nimmt der Sprache diesmal das Nüchterne, das man sonst von Jane Gardam kennt. Jessica ist noch jung und doch ist es ihr wichtig, um ihre Identität und Eigenständigkeit zu kämpfen. Sie sagt sich: “Ich werde nicht sein wie sie, nur weil es für sie einfacher ist.”
Jessica ist für ihr Alter ein reifes, intelligentes Mädchen, doch dann gibt es auch die für Jugendliche so typische wie auch verblüffende Rückfälle ins Kindliche. Deswegen fällt ihr es schwer, ihr Selbstbewusstsein durchgehend aufrechtzuerhalten.
Zudem ist ihr Leben vom Krieg beeinflusst und einmal gerät sie mitten in einen Luftangriff. Das verarbeite sie in einem Geicht. Literatur ist ihr wichtig!

Ich mag an dem Roman sehr, wie sorgfältig er gearbeitet ist und wie erfrischend die Erzählerin spricht.