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Veröffentlicht am 09.04.2019

Galicienische Abgründe

ALLES WAS ICH DIR GEBEN WILL
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Alles was ich dir geben will von Dolores Redondo ist ein umfangreicher Roman, der seine Länge aber durchgängig trägt.

Als sein Ehemann Alvaro bei einem angeblichen Autounfall stirbt, erfährt der Schriftsteller ...

Alles was ich dir geben will von Dolores Redondo ist ein umfangreicher Roman, der seine Länge aber durchgängig trägt.

Als sein Ehemann Alvaro bei einem angeblichen Autounfall stirbt, erfährt der Schriftsteller Manuel Ortigosa von Dingen aus dessen Leben, die dieser verschwiegen hatte. Da gibt es einige Geheimnisse, Alvaros häufige Reisen hatten ein anderes Ziel als erwartet. Man kann von einem Doppelleben sprechen. Dennoch wird in den Schilderungen der Abschnitte der Vergangenheit klar, dass die Liebe zwischen Manuel und Alvaro echt war.

Manual lernt Alvaros adlige Familie kennen. Alvaro gehörte zum spanischen Hochadel. Für den deutschen Leser ist ein spanisches Flair einer galicischen Weinregion zu spüren.
Es verdichten sich die Hinweise, dass Alvaro ermordet wurde. Und der Leser taucht zusammen mit Manuel in die Abgründe einer galicischen Familiengeschichte. Und es stellt sich die Frage, war auch Alvaro ein Mörder?

Die Erzählweise ist relativ langsam, fast getragen, aber das passt zum Plot und ist Teil des Stils.
Dazu gehört auch, dass die Hauptfigur Schriftsteller ist, der Entwicklungen registriert und analysiert.

Die preisgekrönte baskische Schriftstellerin Dolores Redondo hat einen angenehm zu lesenden Stil.
Anscheinend auch eine gute Arbeit der Übersetzerin Lisa Grüneisen, die schon Carlos Ruiz Zafón und Carlos Fuentes übersetzte.

Ein gelungener, interessanter Roman.

Veröffentlicht am 01.04.2019

Meditation aus Wales

Wie man einen Maulwurf fängt
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Ich behaupte mal einfach, dass wohl die wenigsten Leute dieses Buch lesen werden, weil sie lernen wollen, wie man einen Maulwurf fängt.
Es ist hingegen interessant den Gedankengängen des Autors zu folgen, ...

Ich behaupte mal einfach, dass wohl die wenigsten Leute dieses Buch lesen werden, weil sie lernen wollen, wie man einen Maulwurf fängt.
Es ist hingegen interessant den Gedankengängen des Autors zu folgen, die sich wie verzweigte Maulwurfsgänge durch Natur, Vergangenheit und Gegenwart winden. Seine Vergangenheit, etwa als er als junger Mann Landstreicher war, spielt eine Rolle. Immer wider wird in diese Zeit geblendet.
Das ist schon sehr gut gemacht.

Seine Einstellung zum Leben, zum Gärtnern und natürlich zum Maulwurffang sind von einer positiven, aber nicht weltfremden Grundstimmung geprägt.

Tatsächlich gibt es viele Fakten über Maulwürfe, die Arten und ihre Fähigkeiten.

Dann sind aber auch viele lyrische Stellen enthalten.

“Ich habe dieses Jahr bis auf die Knochen abgenagt
sein Fett für den Winter gelagert
Die Gänse sind fortgezogen

Wenn sie wiederkommen und abermals
fortfliegen, bin ich noch immer hier
Mein Gesicht faltiger
und mein Rücken gebeugter.“

Marc Hamer arbeitet auch heraus, dass Maulwürfe immer wieder in der Literatur vorkommen. Sei es Der Wind in den Weiden oder Die Chroniken von Narnia.

Das Buch bietet mehr als man erwarten sollte. Ich kann nur jedem empfehlen, es einfach zu genießen.

Veröffentlicht am 15.03.2019

Wondratschek und wie er die Weit sah

Erde und Papier
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Das neue Buch von Wolf Wondratschek macht wirklich Spaß, weil es eine ganze reihe originelle, essayistische Texte versammelt. Thematisch ist viel zu finden, oft stehen Persönlichkeiten aus der Welt der ...

Das neue Buch von Wolf Wondratschek macht wirklich Spaß, weil es eine ganze reihe originelle, essayistische Texte versammelt. Thematisch ist viel zu finden, oft stehen Persönlichkeiten aus der Welt der Kunst, Musik, Film, Literatur oder des Boxens im Mittelpunkt.

Wondratscheks Einschätzungen sind klar subjektiv gehalten, lassen eigene Gedanken, Zustimmung oder Skepsis zu. Darin unterscheidet der Autor sich von anderen Essayisten, die behauptend schreiben und keinen Spielraum für den Leser lassen. Das ist in der Naturwissenschaft meinetwegen okay, aber bei kulturwissenschaftlichen Themen sollte man Objektivität nicht vortäuschen.
Wie Wolf Wondratscheks es macht, liegt ganz auf meiner Linie. Da auch noch der typische, manchmal spöttische Wondratschek-Ton dazukommt, wird es nie langweilig.

Veröffentlicht am 08.03.2019

bemerkenswerter Roman um eine große Familie

Niemals ohne sie
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Jocelyne Saucier ist eine kanadische Schriftstellerische französischer Sprache, bekannt für ihren Erfolgsroman Ein Leben mehr. Ihr neuer Roman Niemals ohne sie (Orig. Les héritiers de la mine) ist auch ...

Jocelyne Saucier ist eine kanadische Schriftstellerische französischer Sprache, bekannt für ihren Erfolgsroman Ein Leben mehr. Ihr neuer Roman Niemals ohne sie (Orig. Les héritiers de la mine) ist auch bemerkenswert.
21 Kinder. Eine so große Familie. Da kennt der jüngste seine ältesten Geschwister kaum, weil die schon Erwachsene und ausgezogen sind. Und es ist immer Leben im Haus der Familie.
Es wird zurück erinnernd von 1995 aus erzählt und beim Hörbuch gibt es wechselnde Sprecher für die unterschiedlichen Icherzähler.
Der Erzählton wechselt daher ebenfalls im Verlaufe der Handlung, von forsch und jugendlich zu nachdenklich, von humorvoll zu ernst, von männlich zu weiblich.
Gut gefällt mir auch, dass die Erzähler nur ihren Erfahrungsschatz einbringen. Der junge Mats z.B. weiß nicht alles. Das es auch Verluste in der Familie gab, darüber wird nur angedeutet. Es gefällt mir auch, wenn ein Text nicht gleich alle Rätsel verrät und stattdessen auch mal seine Geheimnisse eine Weile bewahrt.
Dann ist auch gut gemacht, wie durch die verschiedenen Perspektive Unterschiede in Innen- und Außensicht deutlich werden. Auch die Hoffnungen der einzelnen Familienmitglieder, aber auch ihre durch die Lebensumstände begrenzten Möglichkeiten werden erfahrbar. Sie entwickeln sich zum Teil sehr unterschiedlich.
Das auflösende Ende des Romans kann man dann als gelungen bezeichnen.

Veröffentlicht am 08.03.2019

Erhellende Erklärungsansätze

Umkämpfte Zone
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Ines Geipels Buch Umkämpfte Zone, mit den sprechenden Untertitel Mein Bruder, der Osten und der Hass ist alles andere als ein emotionsloses Sachbuch. Ausgehend vom Tod ihres jüngeren Bruders Robbie setzt ...


Ines Geipels Buch Umkämpfte Zone, mit den sprechenden Untertitel Mein Bruder, der Osten und der Hass ist alles andere als ein emotionsloses Sachbuch. Ausgehend vom Tod ihres jüngeren Bruders Robbie setzt sie ihre Familiengeschichte in den Kontext der Geschichte Deutschlands, insbesondere des Ostens und dem Aufschwung der AfD. Dadurch wird es ein sehr privates Buch. Und die Autorin spricht klare Worte.
Eine Reizfigur ist der Vater, der über viele Jahre lang für den Osten spionierte und ein extremer Mensch war. Zwischen Ines und Robbie gab es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die Vergangenheit zu verarbeiten sei. Während Ines aufbegehrte, bevorzugte ihr Bruder die Form der positiven Verdrängung. Beides sind schwere Wege, die Beschädigungen nach sich ziehen. Ines ist schließlich 1989 in den Westen geflohen. Die Vergangenheitsbewältigung bleibt ein Thema.
 
Ines Geipel analysiert auf deutliche Art die Fremdenfeindlichkeit des Ostens.
Ines Geipels Erklärungsansätze über den Zustand des Landes empfinde ich als erhellend und nachvollziehbar.