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Veröffentlicht am 12.08.2017

Sommerlektüre

Sommer unseres Lebens
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Kirsten Wulf kenne ich durch den Roman „Aller Anfang ist Apulien“, der mich damals nicht sehr überzeugte, obwohl der Roman erfolgreich und anerkannt war.
Ich kann jedoch vorausschicken, dass mir „Sommer ...

Kirsten Wulf kenne ich durch den Roman „Aller Anfang ist Apulien“, der mich damals nicht sehr überzeugte, obwohl der Roman erfolgreich und anerkannt war.
Ich kann jedoch vorausschicken, dass mir „Sommer unseres Lebens“ viel besser gefallen hat. Schauplatz ist diesmal Portugal, wo sich 3 Frauen nach 25 Jahren wiedertreffen, um gemeinsam ihren 50. Geburtstag zu feiern. Vor 25 Jahren haben sie sich in Portugal kennengelernt und angefreundet. Erst im Handlungsverlauf erfährt man, dass es damals auch Geheimnisse gab, die bis in die Gegenwart ausstrahlen. Man kann sich denken, dass es da um Liebe geht und dass es schnell wieder zu Verwicklungen kommt. Außerdem schleppen alle drei auch noch ihre aktuellen Probleme mit sich herum. Das geht von Angst vor Erkrankung, familiären Streitigkeiten bis zu finanziellen Sorgen.
Natürlich ist der Roman dennoch relativ harmlos, insbesondere die vorgezeigte Frauenpower wirkt aufgesetzt, doch die Freundschaft der 3 Frauen wird intensiv gezeigt und das macht das Buch zu etwas besonderen. Wo ich bei anderen Romanen des Genres manches übertrieben oder nicht glaubhaft finde, leuchtet mir hier die Stärke der Freundschaft zwischen den eigentlich sehr unterschiedlichen Frauen ein.

Die Handlung wird temporeich vorangetrieben. Die Frauen befinden sich permanent zwischen den emotionalen Extremen, zwischen Krise und Feiern.

Ich finde es gut, dass sich die Handlung zu 90% wirklich in Portugal abspielt, doch da die Protagonistinnen überwiegend mit sich selbst beschäftigt sind, wirken echte Portugiesen nur wenig mit und kommt das Lokalkolorit oft nicht so richtig zur Geltung. Da wirkte der auch noch relativ neue Krimi „Lost in Fuseta“ stärker auf mich. Es gibt in dem Punkt also noch Potential. Vielleicht wird Kirsten Wulf ja noch einmal einen Roman verfassen, der sich in Portugal abspielt.

Sommer unseres Lebens taugt sehr gut als ideale Lektüre für den Sommerurlaub, der Roman ist unterhaltend, aber nicht oberflächlich.

Veröffentlicht am 12.08.2017

Interessante Themen

Swing Time
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Swing Time ist ein sorgfältig durchgearbeiteter Roman, der mehr als 25 Jahre umfasst und von zwei Mädchen in London erzählt. Bei haben ein Elternteil, das weiß und eins, dass jamaikanischer Herkunft ist. ...

Swing Time ist ein sorgfältig durchgearbeiteter Roman, der mehr als 25 Jahre umfasst und von zwei Mädchen in London erzählt. Bei haben ein Elternteil, das weiß und eins, dass jamaikanischer Herkunft ist. Aufgrund ihrer gemeinsamen Hautfarbe schließen sich zusammen, sie teilen auch die Begeisterung für Tanz, z.B. in alten Filmmusicals mit Fred Astaire und Ginger Rogers.
Die glaubhaft geschilderten Kindheitsszenen nehmen einen guten Anteil in der Handlung ein und sind für beide auch als Erwachsene noch bestimmend. Die Erzählweise einer Icherzählerin und ihrer Freundin Tracy, einer Protagonistin, die nur aus deren Perspektive geschildert wird, eingebettet in relativ schwierige Familienverhältnisse, erinnert mich stark an Elena Ferrante´s Neapel-Saga. Diese Erzählweise erweist sich auch hier als zwingend. Tracy ist ein Maßstab für die Icherzählerin.
Als Erwachsene trennen sich die Wege. Während die begabte Tracy sich als Tänzerin versucht, wird die Icherzählerin Assistentin von Amelie, einem Star (erinnert leicht an Madonna), die sie auch auf Reisen begleitet. Ihre Wege werden sich aber wieder kreuzen und ihre Entwicklung beeinflussen.
Der Roman ist einigermaßen lang, liest sich aber gut weg. Es gab aber auch ein paar Passagen, wo mich die zaudernde Protagonistin leicht nervt. Sie ist immer wieder mit ihrem eigenen Leben unzufrieden und hat starke Bindungsängste. Aber langsam versteht man als Leser, wie wichtig die Identitätssuche für sie ist.
Auch die Zerbrechlichkeit von Freundschaft wird deutlich im Zusammenhang mit der Herkunft gezeigt.
Zadie Smith hat hier ein wichtiges Buch vorgelegt, das an ihren großen Erfolg, den Debütroman White Teeth aus dem Jahr 2000 heranreicht, vielleicht sogar übertrifft. Ein lohnens-und lesenswertes Buch mit interessanten Themen wie Freundschaft, Erfolg, Familie und Herkunft.

Veröffentlicht am 11.08.2017

Konzentrierter Psychothriller

Runaway
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Runaway ist ein im Selbstverlag erschienener Thriller. Ich war zunächst misstrauisch, da die meisten Selbstverlags-Autoren erschreckend schlecht schreiben. Möchtegerne, die es nicht wirklich können. Bei ...

Runaway ist ein im Selbstverlag erschienener Thriller. Ich war zunächst misstrauisch, da die meisten Selbstverlags-Autoren erschreckend schlecht schreiben. Möchtegerne, die es nicht wirklich können. Bei David Sedlacsek kann man das nicht sagen. Sein Stil ist zwar ein wenig gleichförmig, aber der Roman ist inhaltlich wie sprachlich sorgfältig durchgearbeitet. Die sprachliche Zurückhaltung passt außerdem gut zur Handlung und der eigentümlichen Thrilleratmosphäre, die sich entwickelt.

Der Plot ist ein klassischer, man denkt an „Auf der Flucht“ und ähnliches.
Frederick ist ein Mann, der verdächtigt wurde, seine Frau umgebracht zu haben. Er wird verhaftet und macht die Hölle durch. Nach 18 Jahren Haft in der Psychiatrie, glaubt Frederick seine angeblich ermordete Frau im Fernsegen zu erkennen und macht sich auf die Suche nach ihr. Eine Art US-amerikanisches Roadmovie beginnt.
Noch spannender wird es, als der Verfolgte einerseits selbst zum Jäger wird, gleichzeitig aber auch von der Polizei verfolgt wird. So bleibt das Tempo durchgehend hoch.

Runaway zeichnet sich durch seine düstere Atmosphäre aus. Wer dafür etwas übrig hat, wird nicht enttäuscht.

Veröffentlicht am 06.08.2017

sorgfältig gestaltete, romanhafte Biografie

Und Marx stand still in Darwins Garten
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Karl Marx und Charles Darwin als Romanfiguren. Das funktioniert überraschend gut. Darwins Ehefrau teilt nicht in allen seine Einstellung, insbesondere über Gott und das ewige Leben. Doch Darwin ist durch ...

Karl Marx und Charles Darwin als Romanfiguren. Das funktioniert überraschend gut. Darwins Ehefrau teilt nicht in allen seine Einstellung, insbesondere über Gott und das ewige Leben. Doch Darwin ist durch und durch Wissenschaftler. Bei Marx ist es seine Haushälterin Lenchen, die eine enge Beziehung zu ihm hat.
Sowohl Darwin als auch Marx sind zum Zeitpunkt der Handlung gesundheitlich angeschlagen.
Die erste Gemeinsamkeit der beiden berühmten Persönlichkeiten ist somit ihr Hausarzt, Dr.Beckett, der gerne über politische und wissenschaftlichen Themen plaudert.
Ein wichtige Entscheidung der Autorin war, die Handlung zu einem Zeitpunkt einsetzen zu lassen, als Darwin und Marx ihre Hauptwerke bereits gesetzt habe.
Entsprechend bekannt sind sie. Ihr Erfolg ist aber nicht unumstritten. Neben Bewunderern gibt es auch viele Kritiker.
Marx und Darwin werden trotz ein paar Gemeinsamkeiten als sehr verschiedene Charaktere ausgeführt. Darwin ist ruhiger, Marx oft aufbrausend.
Ihre Thesen sind natürlich sehr gegensätzlich, dennoch gibt es anscheinend bis zu einem gewissen Grad gegenseitige Bewunderung zwischen ihnen.
Zur persönlichen Begegnung kommt es erst auf CD4.

Es gibt wenig Handlung, jedoch viele Dialoge über Theorien und Thesen, über Atheismus und über Gott und das Leben, das macht das Buch aus. Hinzu kommt eine Spur Melancholie! Das muss man als Zuhörer aber auch mögen, sonst langweilt man sich schnell.

Insgesamt haben mir die Darwin-Passagen besser gefallen als die mit Marx. Übermäßig spannend ist das ansonsten gut gemachte Hörbuch nicht, aber doch überwiegend interessant. Streckenweise gleicht es mehr einer Biografie als einem Roman.

Das Hörbuch ist ruhig gesprochen. Alles andere wäre auch unpassend. Ihm gelingt es, den Figuren eigene Persönlichkeiten zu geben.
Der Sprecher ist Peter Kaempfe, ein bekannter Schauspieler. Als Hörbuchsprecher kannte ich ihn bisher noch nicht.

Veröffentlicht am 05.08.2017

Fantastische Sprecherleistung bei einem herausragenden Histokrimi

Die Henkerstochter und der Rat der Zwölf
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Der historische Roman war ja einmal sehr beliebt, wurde dann gnadenlos überfrachtet und brach ein. Doch das Untergenre Histokrimi blieb unbeschadet und Oliver Pötzsch gehört zu den beständigen Autoren ...

Der historische Roman war ja einmal sehr beliebt, wurde dann gnadenlos überfrachtet und brach ein. Doch das Untergenre Histokrimi blieb unbeschadet und Oliver Pötzsch gehört zu den beständigen Autoren dieses Genres mit Niveau und Einfallsreichtum. Allerdings bleibt er auch beständig und Die Henkerstochter und der Rat der Zwölf ist ein Teil der langlebigen Henkerstochterreihe. Schon der siebte Band! Zentraler Schauplatz ist diesmal München, wo ein Scharfrichtertreffen stattfindet. Hier sind aber auch Morde passiert.

Im prachtvollen Roman dabei sind die bewährten Figuren: Magdalena, ihr Vater Kuisl und weitere Figuren der Familie. Immer noch sind die Figuren interessant genug, um einen Roman spannungsreich und interessant zu füllen.

Es gibt verschiedene Handlungsstränge. Während Magdalena alleine auf Ermittlung begibt nicht ohne Gefahr, ist ihr Mann Simon interessiert daran, sein Medizin-Traktat in München vorzustellen. Erst einmal wird er aber von der Kurfürstin beauftragt, ein verloren gegangenes Schoßhündchen wiederzufinden, während Magdalenas und Simons Sohn Peter sich mit dem adligen Söhnchen anfreundet. Auch Peter ist ein kleiner Detektiv, ihm ist zuzutrauen, das entführte Hündchen zu finden! Was für eine Familie! Man begleitet sie gerne durch das Hörbuch!
Die Vielzahl von originellen Ideen lassen den Zuhörer nah an der Handlung bleiben. Atmosphäre des alten Münchens gibt es im Übermaß. Das hat mir gut gefallen, da manche Schauplätze in historischen Romanen oft nur plakativ eingesetzt werden.

Ich habe das Hörbuch genossen. Sprecher ist Johannes Steck, der schon viele Hörbücher sprach, aber hier wirklich eine herausragende Meisterleistung bietet. Nicht nur ist seine raue Stimme passend zum Stoff und den Figuren, er ist auch abwechslungsreich. Manchmal ist seine Stimme reibeisenmäßig, z.B. wenn er die Dialoge des temperamentvollen Jakob Kuisls spricht. Eine Stimme wie „altes Holz„. Aber es gibt auch Momente, wo seine Stimme höher ist. Er gibt vielen Figuren ganz eigenständige Stimmen, manchmal sogar in typisch bayrischen Dialekt. Dazu die allgemeine Erzählstimme in mittlerer Tonlage, die den aufgeheizten Stoff wieder erdet.

Weitere Teile der Reihe sind willkommen, gerne wieder von Johannes Steck gelesen!