Profilbild von yellowdog

yellowdog

Lesejury Star
offline

yellowdog ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit yellowdog über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.12.2018

Geheimnisse und Täuschung

Stella
0

Takis Würger erzählt in seinem zweiten Roman von Stella, einer realen Person. Um der Geschichte gerecht zu werden, wendet der Autor eine geschickte Erzählart an.
Den Fakten der historischen Begebenheiten ...

Takis Würger erzählt in seinem zweiten Roman von Stella, einer realen Person. Um der Geschichte gerecht zu werden, wendet der Autor eine geschickte Erzählart an.
Den Fakten der historischen Begebenheiten der vierziger Jahre in Berlin setzt er eine fiktive Liebesbeziehung bei.
Es wird nie aus Stellas Sicht berichtet, die dauerhafte eine ambivalente, rätselhafte Figur bleibt. Der Erzähler ist ein junger Schweizer. Friedrich ist ein sensibler Mann aus gutem Haus, der in dieser gefährlichen Zeit Berlin besucht und sich dort in die forsche, selbstbewusste Stella verliebt. Sie arbeitet als Sängerin und Nacktmodell und scheint keine Angst zu kennen.

Bevor diese Geschichte richtig beginnt, gibt es noch zum Einstieg, wie der junge Mann, 1922 geboren, in einer Villa bei Genf aufwächst und seine Beziehung zu den Eltern, die keine leichte ist, denn der Vater ist oft nicht da und die Mutter trinkt und hegt unerfüllbare Erwartungen an ihren Sohn, der Maler werden soll.
Diese Kindheitspassagen vermögen zu berühren. Er geht schließlich 1942 nach Berlin, dort spürt er die dunkle Atmosphäre der Stadt. Diese Berlin-Abschnitte erinnern mich stellenweise an das Paris von Patrick Modiano, dem französischen Literaturnobelpreisträger.
Geheimnisse und Täuschung begleiten die Protagonisten hier und da.

Takis Würgers Roman vermag zu beeindrucken, vielleicht sollte ich auch seinen ersten Roman noch lesen.

Stella ist kein leicht verdaulicher Stoff, gerade weil Teile der Geschichte wahr sind, aber es ist ein wertvolles Stück Literatur.

Veröffentlicht am 18.12.2018

Roh

Roh
0

Roh ist ein intelligenter Thriller mit politischen, aber vor allen gesellschaftsrelevanten Themen, wie das Wirken unterschiedlicher radikaler Gruppen und dem Zusammenleben deutscher und türkischstämmiger ...

Roh ist ein intelligenter Thriller mit politischen, aber vor allen gesellschaftsrelevanten Themen, wie das Wirken unterschiedlicher radikaler Gruppen und dem Zusammenleben deutscher und türkischstämmiger Menschen in Deutschland.

Uli T. Swidler setzt mehrere Handlungsstränge und Figuren ein um ein Panoptikum verschiedener Interessengruppen darzustellen.

Da ist Carl Gruber ehemals Kölner Polizist, schlägt sich als Privatdetektiv mehr schlecht als recht durch.
Er hat Interesse daran, den Fall eines getöteten türkischen Jugendlichen zu lösen, wofür er suspendiert wurde. Lena, Carls ehemalige Kollegin, zur Hälfte Türkin, unterstützt ihn dabei.
Die beiden sind interessante Figuren, da man bei ihren Dialogen sehen kann, wie Carl fähig wird, andere Standpunkte zu erkennen und anzuerkennen. Und man erfährt, das es für eine türkischstämmige Frau bei der Polizei nicht gerade einfach ist und sie sich mehr durchsetzen muss als männliche Kollegen.
Zu Swidlers Stärken gehört es, schnell gute Figuren aufzubauen.

Ein wichtiger weitere Handlungsstrang ist die um die junge Sara, seit Jahren eine Sklavin bei den Mönchen, doch schließlich gelingt es ihr zu fliehen.
Die (falschen) Mönche verfolgen sie, doch die forsche Julia hilft Sara weiter zu entkommen.

Es gibt auch noch die gefährlichen Extremisten von der neuen Rechten.
Auch die islamistischen Fundamentalisten sind vertreten. Der Hassprediger Meti Arslan ist ein gefährlicher Mann.

Die einzelnen Elemente fügen sich schließlich zu einem komplexen, aber stimmigen Ganzen. Das ist saubere Arbeit des Autors und ergibt ein spannendes und unterhaltsames Buch mit Tiefgang.

Veröffentlicht am 16.12.2018

Buch mit emotionaler Tiefe

Die Schneeschwester
0

Maja Lundes Weihnachts-Roman Die Schneeschwester ist ein Buch über das Thema Umgang mit Trauer.
Die Erzählperspektive des sensiblen neunjährigen Julian, dessen Schwester gestorben ist, vermittelt das Gefühl ...

Maja Lundes Weihnachts-Roman Die Schneeschwester ist ein Buch über das Thema Umgang mit Trauer.
Die Erzählperspektive des sensiblen neunjährigen Julian, dessen Schwester gestorben ist, vermittelt das Gefühl eines Buches für Kinder, doch die Thematik dürfte in erste Linie ältere Kinder und Erwachsene wirklich erreichen.

Florian begegnet der neunjährigen Hedvig, ein Mädchen, das gerne seine Freundin sein will, liebenswert und wißbegierig, aber auch geheimnnisvoll. Sie ist nicht einfach für den leicht verschlossenen Florian, der mit seiner Familie in stiller Trauer ohne Ausweg verharrt. Die Begegnung für Hedvig wird Florian verändern. Es gibt zahlreiche emotionale Szenen. Dazu passen die vielen großen, manchmal leicht übertriebenen Illustrationen im Buch.

Maja Lunde schreibt elegant und stimmungsvoll. Das gibt dem Buch seinen besonderen Glanz!

Veröffentlicht am 26.11.2018

Britische Familiengeschichte

Sieben Tage Wir
0

Sieben Tage Wir ist ein britischer Familienroman, der eine Familie in einer außergewöhnlichen Situation zeigt. Für 7 Tage müssen sie zusammen in ihrem Haus bleiben, eine Quarantäne aus Sicherheitsgründen. ...

Sieben Tage Wir ist ein britischer Familienroman, der eine Familie in einer außergewöhnlichen Situation zeigt. Für 7 Tage müssen sie zusammen in ihrem Haus bleiben, eine Quarantäne aus Sicherheitsgründen. Okay, diese Idee ist konstruiert, aber es funktioniert. So zusammen entbergen sich schließlich allerlei Emotionen. Es wird gezeigt, wo eine Familie angreifbar ist, z.B. durch Geheimnisse und Verschweigen und wo sie ihre Stärken haben kann, durch Zusammenhalt und Zuneigung.

Die einzelnen Figuren sind die Ärztin Olivia Birch, deren humanitärer Einsatz in Liberia verantwortlich ist für die Quarantäne, die sie jetzt der Familie in Norfolk verursacht.
Dann ihr Vater Andrew, ein ehemaliger Kriegsreporter, der in seinem jetzigen Beruf des Restaurantkritikers unzufrieden ist, seine Frau Emma, die eine Krebserkrankung der Familie verschweigt, ihre zweite Tochter Phoebe, die sich gerade verlobt hat. Der Verlobte stößt zur Familie ins Haus dazu und schließlich kommt noch überraschend und unerwartet ein unbekannter Sohn hinzu, den Andrew vor seiner Ehe gezeugt hat.

Die Autorin Francesca Hornak ist gelernte Journalistin und kann in ihrem warmherzigen Debütroman glaubhaft, die Lebensbedingungen einer Middleclass-Familie vermitteln.
Durch die Erzählweise mit wechselnden Hauptfiguren in den einzelnen Kapiteln wird sie allen mehr oder weniger gerecht. Zwar ist das Hauptthema das verschließen von Gefühlen, aber Streitgespräche gibt es genug und sprachlich hat das Buch auch viel Witz.

Die Spannungen innerhalb der Gruppe nehmen zu. Außerdem ist auch noch Weihnachten.
Als Leser ist man schnell emotional beteiligt, denn diese Figuren mit ihren Vorzügen und Schwächen wachsen einem schnell ans Herz. Es ist zu vermuten, dass sich viele Leser in ihnen wiedererkennen können.
So fällt es schwer, sich von dem Buch auch nur kurz zu trennen und ich habe es in 2 Tagen ausgelesen.

Veröffentlicht am 24.11.2018

Die Entwicklung einer populistischen Partei

Inside AfD
0

Franziska Schreiber schafft es zu erläutern, wie jemand sich für die AfD engagieren konnte. Das sektenhafte dieser populistischen Partei vermittelt sie nachvollziehbar.
Entscheidend dafür, dass das Buch ...

Franziska Schreiber schafft es zu erläutern, wie jemand sich für die AfD engagieren konnte. Das sektenhafte dieser populistischen Partei vermittelt sie nachvollziehbar.
Entscheidend dafür, dass das Buch funktioniert ist, dass sie von sich selbst erzählt. Wie sie, 1990 im Osten geboren und ganz normal aufgewachsen, von einer Partei (der FDP) enttäuscht wurde und sich einer anderen zuwandte. Der AfD von Bernd Lucke 2013. Einerseits war sie fehlgeleitet, andererseits war die AFD in ihrer Anfangszeit zwar auch schon populistisch, aber noch nicht so ausländerfeindlich und extrem wie heutzutage.
Franziska Schreiber war insbesondere von der Parteivorsitzenden Frauke Petry fasziniert.
Sie wurde zur Vorsitzenden der sächsischen Jungen Alternativen (JA) und steigerte sich imemr mehr rein. Tatsächlich war sie schon sehr verblendet, beteiligte sich an den Montagsmärschen, Geert Wilders war für sie ein Held, Le Pen eine tolle Frau.
Erst nach Frauke Petrys Absetzung verlässt sie die Partei als entschiedene Gegnerin.

Man erfährt viele Details, die interessant sind, z.B. über die Pegida-Nähe der Partei, Höcke, Kubitschek, Weidel, Storch, Gauland und deren Weltbild. Vieles erreicht einen durch Schreibers Emotionen, die sie jeweils schildert.

Wie sehr dieses Buch die AfD trifft, zeigt sich daran, dass sie versuchen, Passagen oder das ganze Buch verbieten zu lassen. Die Autorin wird außerdem massiv angefeindet, eine beliebte Methode der AfD-Anhänger, die längst jeden Anstand verloren haben.

Es dürfte interessant sein, zu verfolgen, was Franziska Schreiber künftig machen wird und ob noch weitere Bücher von ihr folgen.