Profilbild von yellowdog

yellowdog

Lesejury Star
offline

yellowdog ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit yellowdog über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.01.2022

Magna Opera der Worte

Manifesto. Warum ich niemals aufgebe. Ein radikal ehrliches und inspirierendes Buch über den Lebensweg der ersten Schwarzen Booker-Prize-Gewinnerin und Bestseller-Autorin von Mädchen, Frau etc.
0

Manifesto ist ein ausgezeichnet geschriebenes Memoir von Bernardine Evaristo, die seit dem Gewinn des Booker-Awards eine bekannte Schriftstellerin ist. Sie hat das Buch zeitlich strukturiert und es beginnt ...

Manifesto ist ein ausgezeichnet geschriebenes Memoir von Bernardine Evaristo, die seit dem Gewinn des Booker-Awards eine bekannte Schriftstellerin ist. Sie hat das Buch zeitlich strukturiert und es beginnt natürlich mit Kindheit und Jugend. Mit einer englischen Mutter und einem Vater, der aus Nigeria stammt, erlebt sie im England der sechziger Jahre Rassismus. Diese Passagen sind beklemmend zu lesen, weil man (oder viele) das Ausmaß unterschätzen.

Man spürt auf allen Seiten, dass hier eine selbstbewusste, kluge Frau schreibt.
Sie ist auch geprägt von ihren Eltern, die aus der Working class stammen. Besonders mit ihrem cholerischen, strengen Vater setzt sie sich im ersten Abschnitt auseinander. Auch mit dem politischen Engagement ihrer Eltern.
Interessant dann auch, was die Autorin später an Themen erzählt: Beziehungen, Sexualität, Feminismus, Theater.
Dann kommt ein Abschnitt über ihrer Literatur, die Bücher die sie schon geschrieben hat und die meistens sind noch nicht in Deutsch veröffentlicht. Vieles hört sich sehr interessant an und man darf hoffen, dass es noch Übersetzungen geben wird.

Veröffentlicht am 28.01.2022

Biographie einer Frau

Das Vorkommnis
0

Es ist schon länger her, seit ich Julia Schoch zuletzt gelesen habe, aber ich glaube Das Vorkommnis ist ihr feinster Roman. Übrigens ein schönes, dünnes Hardcover sogar mit Lesebändchen.

Es ist ein Buch, ...

Es ist schon länger her, seit ich Julia Schoch zuletzt gelesen habe, aber ich glaube Das Vorkommnis ist ihr feinster Roman. Übrigens ein schönes, dünnes Hardcover sogar mit Lesebändchen.

Es ist ein Buch, das sowohl über Familie wie über Literatur einiges mitteilt.

Die überraschende Begegnung mit der ihr unbekannten Halbschwester lässt die Icherzählerin über Jahre nicht los. Erstaunlich, in welchem Ausmaße sie das Vorkommnis bewegt.Sie reflektiert intensiv über die Situation, ohne dass es die Geschichte der Schwester wird.
Ihre Gedankengänge umfassen aber auch ihre Kindheit in der DDR und ihre gesamte Familiengeschichte. Es wird die Biographie einer Frau.

Es ist ein nachdenkliches Buch, dem das gezeichnete Cover einer ernst blickenden Frau gut passt. Dem entgegen steht aber auch eine Spur Ironie, die dem Ganzen das Schwere nimmt.
Die Gedankensprünge der Protagonistin sind nicht immer einfach nachvollziehbar, manches bleibt außerhalb des sagbaren und das macht dann letztlich das Interessante am Buch aus.

Veröffentlicht am 28.01.2022

zeitgenössische Prosa, manchmal schwierig

Dschinns
0

Dschinns ist eine türkisch-deutsche Familiengeschichte mit eigenwilligem Stil.
Der Vater reiste in die Türkei und starb unerwartet.
Der jugendliche Sohn Ümit reist zusammen mit seinen Geschwistern Peri ...

Dschinns ist eine türkisch-deutsche Familiengeschichte mit eigenwilligem Stil.
Der Vater reiste in die Türkei und starb unerwartet.
Der jugendliche Sohn Ümit reist zusammen mit seinen Geschwistern Peri und Hakan sowie der Mutter in die Türkei.
Es wird viel aus der Gedankenwelt Ümits erzählt und das hebt eine Distanz auf.
Ümit ist in Deutschland aufgewachsen und entsprechend geprägt.
Mit Ümit als tragende Figur tat ich mich schwer. Ich lese ungern über naive, junge Männer. Ümit ist zwar sensibel, aber auch impulsiv.
In den nächste Buchteilen wechselt dann die Perspektive erst zu Sveda, einer weiteren Tochter und dann zu Peri. Deren nachdenkliche Gedankengänge sind schon interessanter.
Dann folgen noch die Kapitel mit Hakan (eher unangenehm) und Emine.

Fatma Aydemir ist die Autorin von Ellbogen. Ein Roman, der einiges an Aufsehen erregte und ich denke, bei Dschinns wird es ähnlich werden.
Ihre Prosa ist scharf und sehr zeitgenössisch. Lange habe ich mich gefragt, was ich mit der Handlung anfangen soll. Es führt mich nirgends hin. Es gibt durchaus Ansätze, aber mit einigen kann ich nicht so viel anfangen. Letztlich war es einfach nicht mein Buch.

Veröffentlicht am 27.01.2022

Erzählungen

Objekte des Begehrens
0

Objekte des Begehrens ist eine Sammlung von Erzählungen.

Clare Sestanovich ist eine New Yorker Autorin, die für den New Yorker arbeitet.Ihre Texte sind sehr zeitgemäß, es geht oft um Beziehungen.
Im Blickpunkt ...

Objekte des Begehrens ist eine Sammlung von Erzählungen.

Clare Sestanovich ist eine New Yorker Autorin, die für den New Yorker arbeitet.Ihre Texte sind sehr zeitgemäß, es geht oft um Beziehungen.
Im Blickpunkt stehen meist junge, erfolgreiche Frauen.
Mir fällt auf, wie zurückhaltend auf der Oberfläche geschrieben wird, es aber fast unmerklich in die Tiefe gehen kann.

Ich mag die erste Story, in der eine Frau im Flugzeug ein Ehepaar kennen lernt.
Auch die Story „Brenda“ ist mir aufgefallen. Die Titelfigur leitet ein Seminar für kreatives Schreiben.

Die stärkste Erzählung ist meiner Meinung nach die Titelstory, in der die Beziehung eines Paares, Leonora und Jon beleuchtet wird. Leonora denkt aber auch noch an ihren Ex, der gerade als Politiker einen Erfolg hatte.

Der Band schließt mit einer ungewöhnlichen Geschichte namens Eingewöhnung, die in kurzer Form vom Leben einer Frau erzählt.

Die Texte folgen der Tradition von The New Yorker-Erzählungen, sind aber doch ganz im Heute verankert.
Nicht alles erreicht mich,aber eine durchgängige Qualität ist immer da.
Die Geschichten sind häufig nicht direkt abgeschlossen und führen den Leser nicht zwangsläufig irgendwohin sondern lassen am Ende Raum für eigene Gedanken. Das verursacht, das man noch lange an die Erzählungen denkt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.01.2022

Mit doppeltem Boden

Kelly-Briefe
0

Seit Ullstein die ganzen Bücher von Wolf Wondratschek wieder veröffentlicht, gibt es viel Bemerkenswertes zu entdecken, z.B. diese kraftvollen Kelly-Briefe. Sie zeigen, wie leidenschaftlich Wolf Wondratschek ...

Seit Ullstein die ganzen Bücher von Wolf Wondratschek wieder veröffentlicht, gibt es viel Bemerkenswertes zu entdecken, z.B. diese kraftvollen Kelly-Briefe. Sie zeigen, wie leidenschaftlich Wolf Wondratschek erzählen kann.
Es ist ein Briefwechsel zwischen den Kontinenten Europa (Kelly) und USA (W.), aber im Buch sind nur seine Briefe zu lesen. Kellys Briefe sind zwar abgedruckt, aber nur handgeschrieben und unleserlich dabei.
W. erzählt von seinem Aufenthalt in New York, seinem getriebenen Zustand und seine Zweifel, die in einem mentalen Zusammenbruch münden.
Er schreibt aus einer Psychiatrie, angeblich. Da wird sogar in Frage gestellt, ob nicht etwa er auch Kelly Briefe erfunden hat. Wondratschek schreibt natürlich mit doppeltem Boden!
Dann sind auch noch Geschichten in den langen Briefen enthalten, z.B. die über einen jungen Araber, der Gigolo wird, von einem jungen Mann in Wien, der Schriftsteller werden möchte oder von Tarisio, ein Tanzgeiger in Italien.

Obwohl W. sich in New York befindet, sind seine Gedanken oft in anderen Städten, z.B. Rom und immer wieder Wien.

In diesem Buch ist Wondratscheks spezifischer Ton in starkem Maße vorhanden.
Ein raffinierter Roman, ein kleiner literarischer Leckerbissen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere