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Veröffentlicht am 20.06.2020

Oldie but Goldie

Belladonna
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Neu erschienen bei Lübbe Audio ist im April 2020 dieser “Oldie”. Band 1 der Grant-County-Reihe von Karin Slaughter, erstmals als Buch erschienen 2003. Egal ob man die Erlebnisse von Protagonistin Sara ...

Neu erschienen bei Lübbe Audio ist im April 2020 dieser “Oldie”. Band 1 der Grant-County-Reihe von Karin Slaughter, erstmals als Buch erschienen 2003. Egal ob man die Erlebnisse von Protagonistin Sara Linton bereits kennt oder nicht, lassen sie sich mit der Stimme von Nina Petri (die auch andere Reihen von Slaughter liest) wunderbar (neu) entdecken.

Zu Beginn war ich fast überrascht, eine Frau zu hören und ich musste mich auch generell erst in die Geschichte hineinfinden. Irgendwie schien es Frau Petri ähnlich zu gehen, ich hatte das Gefühl, dass sie immer sicherer wurde und das half wiederum mir, noch stärker im Hörbuch zu versinken.

Diese Ausgabe ist ungekürzt, zuerst dachte ich mir nicht viel dabei, freute mich. Ich finde das ist ein gutes Zeichen, war aber dann doch auch überrascht über die mehr als 12 Stunden Hörvergnügen. Ich hatte mir die Zeit bewusst nicht vorher herausgesucht, man weiß auch anhand der Track-Nummern in etwa wo man sich befindet, wie viel noch kommen wird.

Die Handlung selbst ist ein echter Thriller - grausam, stellenweise blutig und eklig (auch moralisch), gespickt mit persönlichen Geschichten der Beteiligten. Jeder hat sein Päckchen zu tragen, das kommt gerade bei einem “Band 1” immer besonders heraus.

Ein grausiger Mord geschieht, Religion scheint eine Rolle zu spielen und Kinderärztin und Rechtsmedizinerin Sara stolpert mitten in die Sache hinein - sie findet das Opfer. Der zuständige Polizeichef ist ihr Ex-Mann und auch die Situation, dass in der beschaulichen amerikanischen (fiktiven) Kleinstadt jeder jeden kennt, macht macht die Aufklärung der Tat nicht einfacher.

Die Stärke des Buchs ist auch ein wenig eine Schwäche. Es werden, um nicht nur mühsame, langsame Ermittlungen zu beschreiben, die Hauptpersonen durchleuchtet und einige Nebenhandlungen begonnen. Am Ende überschlagen sich dann die Ereignisse und so bleibt manches andere dann einfach offen. Kleinigkeiten und für die Lösung nicht direkt relevant, aber dennoch. Man darf zumindest davon ausgehen, dass manches im nächsten Band weitererzählt wird.

Zu den sehr explizit beschrieben Szenen: Zu viel Vorstellungskraft sollte man da nicht anwenden, wer so etwas nicht oft liest, sollte dieses Hörbuch besser nicht hören oder diese Teile überspringen. In Amerika löste das Buch damals eine Diskussion über Gewalt in der Literatur aus.

Ich habe das Gefühl, dass es in den seither vergangenen 17 Jahren viel “normaler” wurde, dass manche Bücher, manche Autoren vor allem, eben dafür bekannt wurden und ihre Fans sogar schon diese Geschichten und Szenen erwarten. Wenn die Leser nicht völlig unvorbereitet damit konfrontiert werden, sehe ich keinen Grund, warum es diese Sparte nicht geben sollte. Und in den meisten Fällen ist das “echte Leben” leider auch mindestens so grausam wie alles was in der Literatur so vorkommt.

Veröffentlicht am 15.06.2020

Ach du Scheiße, der Mango!

Kollateralschaden
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In Linz geht’s rund. In der Altstadt fallen Schüsse, dubiose Geldflüsse und Machenschaften werden auch aufgedeckt und zu allem Überfluss spielt auch noch Menschenhandel eine Rolle.

Zum Glück ist das nur ...

In Linz geht’s rund. In der Altstadt fallen Schüsse, dubiose Geldflüsse und Machenschaften werden auch aufgedeckt und zu allem Überfluss spielt auch noch Menschenhandel eine Rolle.

Zum Glück ist das nur ein Krimi, oder? Einheimische werden im Fall des angeschossenen Sportredakteurs (Spitzname Mango) aber schon feine Parallelen zu einer wahren Begebenheit entdecken. Für alle anderen bietet dieser Teil der Geschichte sicher eine nette Recherche nach der Lektüre.

Zurück zum Buch: Josef Vierziger, älter als sein Name und Partner einer deutlich jüngeren Frau, ist glücklich. Er überdenkt seine Lebenssituation und steckt voller Pläne die er mit besagter Freundin verwirklichen möchte. Doch anstatt seines geplanten Liebesschwures trifft Conny eine Kugel mitten ins Herz. Naja, fast.

Statt im gemeinsamen Bett liegt sie daraufhin im Krankenhaus. Auch ein zweites Opfer gibt es. Wer ballert denn da so mörderisch durch Linz? Major Vierziger und seine Kollegin, Chefinspektorin Gaby Glück, ermitteln. Vielmehr Gaby, denn Josef ist persönlich zu sehr involviert. Aber er hilft natürlich im Hintergrund und schließlich kommt ein Fall selten allein.

Joseph Lemark bringt dem Leser all die verschiedenen Schauplätze und Verstrickungen möglichst schonend bei, “zitzerlweise”, wie die Protagonisten sagen würden. Die wesentliche Zahl an Charakteren bleibt immer überschaubar und durch die kontinuierliche Steigerung der Komplexität kann der Leser gut den Überblick behalten.

Wie alle Fäden am Ende zusammenlaufen, kann ein geübter Krimi-Leser schon etwas früher erahnen, aber nicht so bald, dass das Lesevergnügen darunter leidet. Lokalkolorit ist auch in guter Dosis vorhanden, wenngleich ich mir in ein paar Situationen noch mehr Österreichisch gewünscht hätte. Ein paar Sätze waren sehr passend, dann wars wieder etwas “abgeschliffener”. Bei einem deutschen Verlag hätte mich das nicht gewundert, hier denke ich aber ginge noch mehr.

Zur Verortung: Großteils kann man den Angaben gut folgen, nur 2-3 Mal war ich mir nicht ganz sicher, ob das in der Realität, in der Stadt auch wirklich so funktionieren würde mit Richtungen und Entfernungen. Es ist aber auch immer so, dass wenn zwei Leute sich gegenseitig den selben Weg erklären wollen, zwei unterschiedliche Strecken dabei herauskommen. Vorrang hat natürlich die gute Krimigeschichte.

“Kollateralschaden” ist der dritte Fall für Josef und Gaby, nach “Tödliche Liebe" und “Vendetta”.

Veröffentlicht am 19.05.2020

Über Leichen gehen ohne die Füße zu heben

Operation Rubikon
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Zu Beginn geht es noch gemächlich los, aber - wie man schon anhand der Länge von knapp 800 Seiten erahnen kann - die Handlung wird natürlich sehr vielschichtig und komplex, was zwangsläufig viele Charaktere ...

Zu Beginn geht es noch gemächlich los, aber - wie man schon anhand der Länge von knapp 800 Seiten erahnen kann - die Handlung wird natürlich sehr vielschichtig und komplex, was zwangsläufig viele Charaktere und somit Namen mit sich bringt. Nach einigen Kapiteln kommt man als geübter Leser aber auch damit ganz gut zurecht.

Für mich als “Ausländerin” noch schwerer zu verinnerlichen sind die vielen deutschen Behörden- und Postenabkürzungen, meist klassisch mit drei Buchstaben. Ich war aber von der Geschichte dann doch gefesselt genug, um nicht hinten im Buch nach einem Glossar zu suchen, das es nämlich gibt. Es ging dann auch so.

Die genauen Verstrickungen und Machtverhältnisse sind ohnehin so verworren, dass ich wohl auch als Deutsche so meine Probleme damit hätte. Durchaus realistisch dargestellt, aber eben unübersichtlich. Der Handlung kann man dennoch gut folgen.

Viel stärker verwirrt dann aber, dass das Buch in alter Rechtschreibung verfasst ist. Die Geschichte spielt aber klar nach der Reform von 1996. Auch wenn die Protagonisten viel rauchen und manche eine Zigarettenspitze benutzen, so legen Erwähnungen bestimmter Ereignisse und die verwendeten technischen Hilfsmittel einen späteren Zeitpunkt nahe. Das scheint mir nicht ganz stimmig.

Zur Geschichte selbst: Viele Schauplätze quer durch Europa aber auch in Amerika kommen zu Ehren, als eine Gruppe Deutscher (Personen aus mehreren Behörden/Ministerien, unter anderem auch Spezialagenten) dem internationalen Drogenhandel den Kampf ansagt.

Viel Zeit im Buch geht für Sitzungen und konspirative Gespräche (ist die Leitung kryptiert?) drauf. Wer wie tief in wessen Sumpf drinsteckt und wer hier wen für sich arbeiten lässt, muss auch noch geklärt werden. Gibt es ein Informationsleck? Aus der zunächst offiziellen Gruppe wird dann aus Furcht eine quasi inoffizielle “Guerillatruppe” die im Geheimen weiterermittelt und für vieles leider nur Indizien hat, somit niemanden tatsächlich festnageln kann.

Es entspinnt sich ein Katz- und Maus-Spiel, bei dem irgendwann alle beteiligten Parteien Verluste hinnehmen müssen und über (eigene oder andere) Leichen gehen - ohne die Füße zu heben, wie einer Person im Buch gerne vorgeworfen wird. Blut, Action, und viel Behördenjargon stecken in diesem ausladenden Thriller, der Genre-Fans und Durchhalter mit einem Teil-Happy-end belohnt.

“Operation Rubikon” von Andreas Pflüger ist erstmals 2004 erschienen, was man daran merkt, dass natürlich nicht die ganz aktuellste Geheimdiensttechnik zur Verfügung steht. Rein von internen Abläufen und den undurchsichtigen Verflechtungen aber dürfte es nicht viel an Aktualität eingebüßt haben.

Veröffentlicht am 06.05.2020

Der Johnny English aus Tirol

Die Toten vom Lärchensee
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Im Auftrag Ihrer Majestät, nämlich des österreichischen Innenministers, unterwegs ist erneut einer: Arno Bussi. Dem leicht bezirzbaren Polizist wird ein “cold case” aufgebürdet. Er soll einen merkwürdigen ...

Im Auftrag Ihrer Majestät, nämlich des österreichischen Innenministers, unterwegs ist erneut einer: Arno Bussi. Dem leicht bezirzbaren Polizist wird ein “cold case” aufgebürdet. Er soll einen merkwürdigen Todesfall am Lärchensee in Tirol aufklären.

Er fährt hin, quartiert sich ein und streckt seine Ermittlerfühler aus. Doch so einfach wie es zu Beginn läuft, ist es natürlich nicht. Bussis Anwesenheit löst eine Kettenreaktion aus an deren Ende weitere Tote und ein paar interessante und unerwartete Enthüllungen stehen.

“Die Toten vom Lärchensee” ist locker und flott zu lesen, die nicht zu lange und nicht zu kurzen Kapitel helfen dabei. Joe Fischler wandert sprachlich immer auf dem Grat zwischen flapsig-komödiantisch und mörderisch-ernsthaft.

Auch ein paar Klischees nimmt er gekonnt auf die österreichische Schaufel. Kleine Details wie die Namenswahl verraten vieles über den jeweiligen fiktiven Charakter. Natürlich dennoch angepasst an die dörfliche Umgebung, den Tiroler Schauplatz.

Unser Held kann zwar die Ereignisse in Tirol zu seiner Zufriedenheit lösen, aber kommt beruflich ansonsten nicht voran. Die bei Erfolg in Aussicht gestandene Beförderung muss letzten Endes noch warten und Arno Bussi bleibt vorerst der tragische Held. Er wäre gern James Bond, wirkt aber ein eher wie Johnny English (was ja nicht schlecht sein muss).

Veröffentlicht am 30.04.2020

Dinge zum richtigen Zeitpunkt ruhen lassen

Unschuldige Täter
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Dieser Krimi ist grundsätzlich unblutig, es spielt sich viel auf der zwischenmenschlichen Ebene ab und ansonsten ist er auch “typisch japanisch” für uns Europäer. Also ruhig, mit vielen Verbeugungen und ...

Dieser Krimi ist grundsätzlich unblutig, es spielt sich viel auf der zwischenmenschlichen Ebene ab und ansonsten ist er auch “typisch japanisch” für uns Europäer. Also ruhig, mit vielen Verbeugungen und auch irgendwie lehrreich.

Der Text am Buchumschlag trifft meiner Meinung nach nicht ganz zu, verrät zwar nichts aber überzeichnet einige Aspekte. In den aktuellen Fall, der im Küstenort Harigaura spielt (ein Toter wird auf dem Damm gefunden), verstrickt sich durch Zufall der Physikprofessor Doktor Manabu Yukawa.

Er hat eine besondere Gabe, neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Viel Menschenkenntnis und er kann besser beobachten und kombinieren als die Tokioter Polizei. Daher hilft er ihr gelegentlich aus (Unschuldige Täter ist der dritte Band der Reihe).

Da er schon dort ist, hat er den Ermittlern gegenüber einiges voraus, aber auch er ahnt nicht, wie weit diese Tat eigentlich zurückreicht. Vielmehr das Motiv, denn dass der Fall auf dem Damm kein Unfall war, ist für Yukawa natürlich sofort klar (wie auch für geübte Krimileser).

Zu Beginn liest sich Keigo Higashinos Kriminalroman nicht so locker wie ein europäischer. Die vielen Namen, von denen man nicht weiß ob man sie in Gedanken richtig ausspricht, einige ungewohnte Gepflogenheiten sowie Essen und Umgebung, die man sich nicht sofort klar vor Augen führen kann, sind am Anfang etwas hemmend.

Aber man findet sich da hinein und kann dann auch in den besonderen Erzählstil abtauchen wie die Menschen in das Meer vor der japanischen Küste, an der hier alles beginnt. Ein Roman über Verzweiflung, Loyalität, Unschuld, Schuld und die Entscheidung, Dinge ruhen zu lassen, wenn sich alle damit arrangieren können. Für diese feine Geschichte braucht es keine Action oder amoklaufende Serienmörder. Über allem liegt eine Art asiatische Gelassenheit, die aber nicht verhüllt, dass in den Protagonisten starke Emotionen vorhanden sind.