„Jeder ist verdächtig“ war noch nie so wahr wie hier
Murder ParkJonas Winner ist begabt, wenn es darum geht, sich eine Hauptperson zu schnappen und den Leser dann für die Dauer des ganzen Buches sehr tief in die Psyche dieses Charakters eindringen zu lassen. Was er ...
Jonas Winner ist begabt, wenn es darum geht, sich eine Hauptperson zu schnappen und den Leser dann für die Dauer des ganzen Buches sehr tief in die Psyche dieses Charakters eindringen zu lassen. Was er in „Die Zelle“ schon umsetzte, damals mit einem Kind, schafft er hier mit einem jungen Erwachsenen. Paul Greenblatt, Anfang 20, Journalist, schreibt einen Blog über Kriminalfälle und hat eine bewegte Vergangenheit bei Pflegeeltern. Als gefestigte Persönlichkeit beginnt er mit einer Gruppe anderer Journalisten einen Wochenendausflug, der ihn immer mehr an sich und den Geschehnissen um ihn herum zweifeln lässt. Und der seine Vergangenheit wieder präsent macht.
Besagter Ausflug führt die Gruppe auf eine Insel, Zodiac Island, auf der ein neuer Themenpark eröffnet werden soll, auf den Ruinen eines ehemaligen Vergnügungsparks. Dieser musste nach einer Mordserie geschlossen werden. Nun wird die Insel zu einem Mausoleum der Serienmörder umgebaut und neu eröffnet. Singles sollen sich dort durch die mit Nervenkitzel geschwängerte Atmosphäre näherkommen. Was als Presseabenteuer beginnt, gerät zu einer blutigen, ausweglosen Situation für Paul und alle anderen Teilnehmer. Sogar die Park-Erschaffer kommen nicht ungeschoren davon, erneut geschehen grausame Dinge auf Zodiac Island. Der „Murder Park“ macht seinem Namen alle Ehre.
Gesamt gesehen ziehen sich die fast in Echtzeit beschriebenen rund drei Tage schon etwas (denn erst nach dem Wochenende legt planmäßig die nächste Fähre auf der Insel an), aber im Detail ist fast jede Szene wichtig, lassen sich aus jedem geflüsterten Gespräch Details ableiten. Jede Unterhaltung kann in die Irre führen, jeder gut gemeinte Blick verdächtig sein, sowohl Paul als auch der Leser wissen irgendwann nicht mehr sicher, was „gespielt“ wird.
Und als man sich hin- und hergerissen langsam mit einer Lösung, einem Ende, abfinden kann und für Paul schon keine Hoffnung mehr besteht, dreht sich alles einmal um die eigene Achse und enthüllt ein perfides wie plötzliches Ende. Das ist mutig, kann doch eine so große und überraschende Wendung den gesamten Eindruck noch einmal über den Haufen werfen und die Meinung des Einzelnen über das Buch doch maßgeblich bestimmen.
Auch ich musste kurz schlucken, konnte mich letztendlich aber doch mit dem Verlauf der Geschichte im Groben anfreunden und einzelne - für mich - nicht ganz stimmige Details wiegen schlussendlich auch nicht so schwer. Ich kann nur jedem Fan der Spannungsliteratur raten, selbst mit nach Zodiac Island zu fahren und die eigene Intuition auf die Probe zu stellen.