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Veröffentlicht am 01.12.2016

Packend und intim: Das Portrait einer unschuldigen Frau

Die Spionin
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Mit seiner bekannt wunderbaren Art zu erzählen und den Leser in Gedanken anderer zu entführen, widmet sich Paulo Coelho einer Person, deren Künstlernamen wohl fast jeder kennt: Mata Hari. Dass dieser Name ...

Mit seiner bekannt wunderbaren Art zu erzählen und den Leser in Gedanken anderer zu entführen, widmet sich Paulo Coelho einer Person, deren Künstlernamen wohl fast jeder kennt: Mata Hari. Dass dieser Name immer wieder mit Spionage in der einen oder anderen Form in Verbindung gebracht wird, wusste ich vor der Lektüre. Wie es aber dazu kam und dass Mata Hari, wie es scheint, nichts getan hatte und trotzdem verurteilt wurde, war mir unbekannt.
Ohne sich akribisch an die Realität zu halten, entwickelt Coelho doch ein sehr packendes und intimes Portrait einer Frau, die, für ihre Einstellung, zu früh lebte und damit die damalige Gesellschaft zu Beginn des ersten Weltkriegs vor den Kopf stieß. Neben ihrer offen zu Schau gestellten Sexualität brachte auch ihr großes Mundwerk sie immer wieder in Schwierigkeiten.
Doch trotz dieser Momente und ihrer dramatischen jungen Jahre und einer zerstörerischen Ehe schaffte es die gebürtige Niederländerin Margaretha Zelle, lange Zeit ein für sie erfülltes und befreites Leben zu führen, frei von Zwängen und nur sich selbst treu.
Ein Traum, der trotz Emanzipation und heutigen Gesellschaftsstandards vielen Frauen auch heute noch für immer verwehrt bleibt.

Veröffentlicht am 19.11.2016

Träume vergehen, Sehnsüchte währen ewig

Und damit fing es an
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Anton und Gustav. Gustav und Anton. Gemeinsam erinnern die Namen der beiden Jungen in diesem Roman an ähnliche Duos: Max und Moritz zum Beispiel. Doch ansonsten haben sie mit ihnen wenig gemein, sind die ...

Anton und Gustav. Gustav und Anton. Gemeinsam erinnern die Namen der beiden Jungen in diesem Roman an ähnliche Duos: Max und Moritz zum Beispiel. Doch ansonsten haben sie mit ihnen wenig gemein, sind die beiden Schweizer Kinder doch ernsthaft und melancholisch. Kein Wunder, zeigt sich an ihrem Beispiel doch, dass auch die Schweiz nicht vom Zweiten Weltkrieg verschont wurde, auch wenn der Krieg sich ein bisschen anders auswirkte. Als Leser lebt man mit den beiden mit, von ihren wirren Träumen und Sehnsüchten mit 5,6 Jahren, bis sie schließlich 60 sind. Die Träume vergehen, doch manche Sehnsüchte währen ewig, wie Rose Tremain hier so gefühlvoll anklingen lässt.
Zu Beginn könnten die Buben nicht unterschiedlicher sein: der eine aus reichem Haushalt, ein bisschen verwöhnt und impulsiv, will Pianist werden, weil seine Eltern es so wollen. Der andere lebt mit seiner verwitweten Mutter in ärmlichen Verhältnissen und will zwar auch deren Ansprüchen genügen, erkennt aber bald, dass er ihr nichts rechtmachen kann. Den Grund, warum es zwischen den beiden so anders läuft an in anderen Familien, erfährt er erst Jahrzehnte später. Dass er, Gustav, auf Anton trifft, rettet ihn über diese schlimme Kindheit hinweg.
Die Autorin beschreibt im Großteil des Buches eine ganz besondere Freundschaft, zwischen Abhängigkeit und Abstoßung, zwischen Missverständnissen und stummem Einverständnis. Vieles, was die Charaktere nicht einmal selbst sicher fühlen, erfährt der Leser zwischen den Zeilen. Dadurch mögen manche Entscheidungen irrational wirken, doch letztendlich ist das nicht mehr wichtig. Dieses Buch zeigt sehr gut auf, dass man zu manchen Zeiten erfolgreich versuchen kann, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, aber dass das Leben insgesamt schon den vorgegebenen Lauf nimmt. Egal wie lange es dauert.

Veröffentlicht am 16.11.2016

Ein Krimi zum Grübeln

Wer Furcht sät
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Im dritten Krimi mit Detective Max Wolfe wagt sich Tony Parsons an ein heikles Thema, bei dem es subjektiv kein klares „Richtig“ oder „Falsch“ gibt: Selbstjustiz.
Objektiv steht klarerweise das Gesetz ...

Im dritten Krimi mit Detective Max Wolfe wagt sich Tony Parsons an ein heikles Thema, bei dem es subjektiv kein klares „Richtig“ oder „Falsch“ gibt: Selbstjustiz.
Objektiv steht klarerweise das Gesetz über allem und dieses versucht Max hier so gut es geht zu vertreten. Er ist (zeitweise als Leiter der Ermittlungen) hinter einem „Club“ her, der Kriminelle, die eine ihrer Ansicht nach zu milde Strafe erhielten, entführt und hängt. Objektiv sagt natürlich jeder, dass wir nicht mehr im Mittelalter leben, dass Aug‘ um Aug‘ längst überholt ist und dass ohnehin bekannt ist, dass vor Gericht oft mildernde Umstände gelten, die niemand nachvollziehen kann. Doch wie wäre es, wäre man selbst betroffen? Lässt sich ein mildes Urteil oder ein Freispruch so leicht abhaken, wenn die eigene Familie darunter leidet?
Blut ist dicker als Wasser – auch das zeigt sich in diesem spannenden Krimi sehr gut, in dem Parsons wieder einmal einen wunderbaren Blick in Londons Geschichte wirft – wunderbar nicht wegen des Themas, sondern weil die Geschichte, ohne dass der Leser es stark mehr, sehr informativ und lehrreich wird. Gekonnt steigert der Autor die Spannung auch dadurch, dass er Nebenschauplätze immer dann einführt, wenn man gerade in die Ermittlungen abtaucht und den Alltag (Tochter Scout und Hund Stan zum Beispiel) ganz vergisst. Wie immer gelingt es Parsons, falsche Fährten zu streuen, manche sind einfacher zu erkennen und manche offenbaren sich erst am Ende.

Dass es ein Ende wie dieses gibt und wie immer die „gute Seite“ siegen kann, verdanken wir auch ein bisschen der Tatsache, dass Max Wolfe einfach unkaputtbar scheint und in tödlichen Situationen die Nerven behält. Wie schon aus den ersten beiden Bänden bekannt, ist Max hin und wieder zu viel „Superman“, aber davon und von seinen unnötigen Liebeleien abgesehen, ist er ein netter Ermittler, bodenständiger Vater und guter Freund. Einer seiner Freunde, gepaart mit viel Dusel, helfen ihm schließlich, relativ unbeschadet alles hinter sich zu bringen und somit können wir uns wohl auch mindestens noch ein Buch mit Max freuen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Figuren
  • Erzählstil
  • Spannung
  • Tempo
Veröffentlicht am 10.11.2016

Ein Kommissär zwischen Politik und Gewissen

Wintergewitter
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Ein beklemmend reales Porträt des München nach dem ersten Weltkrieg und Hitlers erster Schritte zeichnet Angelika Felenda in diesem Krimi, Kommissar Reitmeyers zweitem Fall. Der „Kommissär“ trotzt dem ...

Ein beklemmend reales Porträt des München nach dem ersten Weltkrieg und Hitlers erster Schritte zeichnet Angelika Felenda in diesem Krimi, Kommissar Reitmeyers zweitem Fall. Der „Kommissär“ trotzt dem leichten Rechtruck in den oberen Etagen der Polizei und ermittelt nach Instinkt und mit Fairness gegenüber allen Beteiligten. Unbeirrbar fährt er mit seinem Fahrrad durch die Straßen, durch die auch ein Frauenmörder läuft.
Reitmeyer kommt in Kontakt mit „Randgruppen“ der Bevölkerung, verkehrt in Kreisen, mit denen er sonst wenig Berührungspunkte hat und wird dabei von seinem Kollegen Steiger und dem kongenialen Polizeischüler Rattler unterstützt. Anfangs ein unbeschriebenes Blatt, wird aus dem Duo Rattler-Reitmeyer noch ein interessantes Gespann, das auf mehr Krimis dieser Art hoffen lässt. Zudem schafft Rattler es, in ernste Situationen genau das richtige Maß Komik einfließen zu lassen.

Nicht nur aufgrund der akkuraten Umgebungsbeschreibungen und der Berichte über die politische Lage und die Not der Menschen lassen diesen Krimi so echt wirken, auch das richtige Jargon, gepaart mit einem Schreibstil, der auf dem Punkt ist, zeichnen die Autorin aus. Um die Beklemmung der Charaktere für den Leser spürbar zu machen, braucht es gar nicht viel „Action“ und Schießereien. Der Leser sitzt quasi auf Reitmeyers Gepäckträger, schleicht hinter Gerti Blumfeld durch die Straßen und verkleidet sich mit Rattler für „verdeckte Ermittlungen“. Ein fesselnder und trotzdem vergnüglicher Lesespaß.

Veröffentlicht am 01.11.2016

Bodensteins persönlichster Fall

Im Wald
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Hier haben wir einen sehr kurzen, prägnanten Titel, der aber einfach wunderbar zum Buch passt. Mit zwei Worten sind fast alle für Verbrechen wichtigen Orte in diesem Krimi zusammengefasst und noch so einiges ...

Hier haben wir einen sehr kurzen, prägnanten Titel, der aber einfach wunderbar zum Buch passt. Mit zwei Worten sind fast alle für Verbrechen wichtigen Orte in diesem Krimi zusammengefasst und noch so einiges mehr passiert im Wald, der das Örtchen Ruppertshain umgibt.
Dort lebt mit Oliver von Bodenstein jener liebenswert-grummelige Kommissar, der schon an den Vorgängerbänden an Pia Kirchhoffs (nun Sander) Seite war. Er hat hier in mehrfacher Hinsicht eine besondere Rolle bekommen. Zum einen finden die Taten in und um Ruppertshain statt und stehen mit dem Großteil der Gemeinschaft eng in Verbindung. Bodenstein kennt fast alle Beteiligten sehr gut, ging mit ihnen zur Schule oder war sogar mit einer liiert. Doch nicht nur das zieht ihn tief in den Fall hinein und er überlegt mehr als einmal, wegen Befangenheit nicht weiter zu ermitteln. Aber gerade deshalb, auch weil er durch seine Ortskenntnis unverzichtbar ist, bleibt er im Team und arbeitet interimistisch unter Pia.

Dass Pia früher oder später selbst Ermittlungen leiten wird, konnte sich ja jeder Fan dieser Reihe schon denken. Nun hat das alles noch einen interessanten Beigeschmack, denn es könnte vorerst der letzte gemeinsame Fall mit Bodenstein sein. Nele Neuhaus entfaltet neben der tief in der Vergangenheit verwurzelten Krimigeschichte ganz sacht einen anderen Plot – die Geschichte und das freundschaftliche Verhältnis zwischen Oliver und Pia wird spürbar und die Unsicherheit beider, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Zwischen den schwierigen Ermittlungen gibt es dadurch immer wieder beinahe melancholische Momente.
Hervorheben muss man auch die Übersichtskarten und das Personenregister am Anfang des Buches, welche vor allem zu Beginn der Geschichte „überlebensnotwendig“ sind und dem Leser das Gefühl, den Überblick zu verlieren, ein wenig nehmen können. Gerade die große Anzahl an – in irgendeiner Weise – involvierten Personen ist nicht einfach zu bewältigen, bringt aber einen sehr authentischen Touch in die Geschichte, die von der Ortsgemeinschaft und der Verschwiegenheit der Leute lebt. Dennoch erscheinen die Charaktere nicht oder nur sehr selten klischeehaft und auch die eine oder andere Wendung hält das Buch parat und den Leser wachsam.