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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

Leben, die auseinanderbröseln

Engelsspiel
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Menschliche Eitelkeiten und Abgründe zeigt der Autor hier meisterhaft auf und lässt den Leser immer wieder mit einer Mischung aus Abscheu und unbändiger Neugierde die Seiten umblättern. Der Gesellschaft ...

Menschliche Eitelkeiten und Abgründe zeigt der Autor hier meisterhaft auf und lässt den Leser immer wieder mit einer Mischung aus Abscheu und unbändiger Neugierde die Seiten umblättern. Der Gesellschaft und vor allem dem Leser selbst wird hier immer wieder ein Spiegel vorgehalten, immer wieder taucht die Frage auf, wie man sich selbst verhalten hätte.
Janina, 17, würde alles tun, um ihre Ziele zu erreichen. Sie belügt Eltern, Freunde, Polizisten und nimmt auch in Kauf, dass anderen, wie hier Daniel Schönwind, ungerechtfertigt leiden müssen. Hauptsache, ihr selbst passiert nichts und sie kann ihr Leben leben, wie sie es für richtig hält. Daniel wird zwar zufällig in Janinas Lügennetz gefangen, kann aber zu Beginn auch nicht als „Saubermann“ dastehen. Er liebt zwar seine Tochter abgöttisch, lebt sich aber mit ihrer Mutter immer weiter auseinander und lässt eine Gelegenheit zu einem One-Night-Stand selten verstreichen.

Als ein Verbrechen passiert, tritt die Polizei auf den Plan. Die Verhörszenen und alltägliche Ermittlungsarbeit sind sehr natürlich gestaltet, nicht zuletzt deshalb, weil Klaus Schuker ehemaliger Polizeibeamter ist. Geduldig lässt er die Hauptfiguren in einen Strudel der Ereignisse hineintreiben, der den Leser mitreißt. Ein kleines Ereignis, ein paar Minuten lassen langsam das Leben mehrerer Menschen und leider auch das eine Kindes immer weiter auseinanderbröseln. Es gibt hier niemanden, der ganz ohne Schuld ist, niemand ist makellos und alle hängen irgendwie mit drinnen – ganz wie im wahren Leben.
Dass da die eine oder andere Frage offenbleibt oder mal etwas zu glatt läuft, kann man nachsehen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine Familientragödie im sonnigen Cornwall

Am Ende des Schmerzes
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Als wirklich schönes Urlaubsziel muss Cornwall hier als Schauplatz für einen sehr düsteren Krimi herhalten. Collin Brown (und sein Team) ermittelt in einem Fall, der sich um eine Babyleiche rankt. Alles ...

Als wirklich schönes Urlaubsziel muss Cornwall hier als Schauplatz für einen sehr düsteren Krimi herhalten. Collin Brown (und sein Team) ermittelt in einem Fall, der sich um eine Babyleiche rankt. Alles beginnt mit einem Unfall und einem zwielichtigen LKW-Fahrer. Hinzu kommen nach und nach frühere Nachbarn, Angestellte, Bewohner und Besitzer des Anwesens, auf dessen Grund die Leichen gefunden werden. Doch damit nicht genug. Auf Nebenschauplätzen lernt der Leser noch zwei wichtige Protagonistinnen kennen und darf damit mitraten, wie denn die verschiedenen Erzählstränge zusammenhängen und was davon mit dem Kriminalfall zu tun hat.
Um die schrecklichen Geheimnisse und Verwicklungen einer reichen, angesehenen Familie in der englischen Einschicht eindringlich erzählen zu können, kreiert die Autorin fast durchwegs sehr eigenbrötlerische, schwierige Charaktere und zeigt schonungslos auf, wie sehr Macht und Abhängigkeit missbraucht beziehungsweise überschätzt werden.
Auch die Ermittler und ihre Helfer selbst sind spezielle Köpfe. Collin geht in seiner Arbeit so auf, dass er sie mit nach Hause nimmt. Der Fall hindert ihn nicht nur daran, seinen schmerzenden Zahn behandeln zu lassen, sondern lässt auch seinen Urlaub ins Wasser fallen. Sein Freund und Kollege Johnny eckt oft an und bringt mit seiner ruppigen, unverblümten Art sogar Collin manchmal an den Rand der Verzweiflung. Abgerundet wird die Truppe unter anderem durch einen philosophischen Geologen und einen sexistischen Rechtsmediziner.
Mit diesen Personen, all den großen und kleinen Geheimnissen sowie ihrer unverkrampften Schreibweise lässt Iris Grädler nie Langeweile aufkommen und macht diesen Krimi – das grausame Thema außer Acht gelassen – zu einem sehr angenehmen Lesevergnügen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein bunt zusammengewürfeltes Dream-Team

Lizzis letzter Tango
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Lizzi Böttcher, klein und übergewichtig, würde mit ihrem Mantel und dem Kopftuch die ideale Großmutter abgeben – wenn da nicht ein paar kleine Tatsachen dagegensprechen würden. Neben jener, dass sie sich ...

Lizzi Böttcher, klein und übergewichtig, würde mit ihrem Mantel und dem Kopftuch die ideale Großmutter abgeben – wenn da nicht ein paar kleine Tatsachen dagegensprechen würden. Neben jener, dass sie sich mit ihrer kinderlosen Tochter nicht gut versteht, also gar keine Enkel hat, hätte sie wohl auch nicht viel Zeit für sie, denn unfreiwillig muss sie nicht nur einen Diebstahl, sondern zwei Morde aufklären, bei denen sie immer unmittelbar dabei stand und selbst in Gefahr und auch Verdacht gerät.
Mithilfe einer Verbündeten und klassischer Detektivarbeit (manchmal auch ein wenig unkonventionellen Methoden) will Lizzi eigentlich nur ihr Geld zurück. Naja, das ihres verstorbenen Mannes. Sie braucht es, um weiterhin ihre Raten in der exklusiven Seniorenresidenz an der Hamburger Elbchaussee bezahlen zu können. Doch in dieser Residenz geht es nicht so ruhig und freundlich zu, wie es auf den ersten Blick scheint.
Die Autorin hat mit der unkonventionellen Lizzi, dem bunten Hund der Residenz, eine rastlose und amüsante „Ermittlerin“ geschaffen, die sich (fast) von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen lässt. Nur diese Ruhe will sie eigentlich haben und die wird nicht nur durch den Diebstahl, sondern auch durch einen pensionierten Kriminalkommissar gestört, der eine Chance sieht, seinen Ruf wieder herzustellen. Auch Mareike, Altenpflegerin in der Residenz, hilft Lizzi nur, weil sie sich davon einen neuen Job erhofft und sogleich selbst die „Detektei“ gründet. Doch auch wenn zu Beginn jeder der illustren Runde für seinen Vorteil mitmacht, entsteht daraus ein Dream-Team, dem man auch in Zukunft gerne beim Lösen kniffliger Fälle über die Schulter sehen möchte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein rasanter Thriller mit ambivalentem Hauptermittler

Sieben Gräber
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Nicolas Eichborn, Ermittler beim Bundeskriminalamt (und daher mit ein wenig mehr Befugnissen), will auch aus persönlichen Gründen der Russenmafia in Deutschland einen schweren Schlag versetzen. Unter Einsatz ...

Nicolas Eichborn, Ermittler beim Bundeskriminalamt (und daher mit ein wenig mehr Befugnissen), will auch aus persönlichen Gründen der Russenmafia in Deutschland einen schweren Schlag versetzen. Unter Einsatz seines Lebens und das seiner Kollegen, Freundin und Familie und mit Überdehnung der Gesetzeslage (Stichwort Geronimo) zimmern er und sein Team einen Plan zusammen, der „Ocean’s Eleven“ alle Ehre macht. Soll heißen: großteils ist es realistisch, was die Ermittler vorhaben und organisieren und auch die Reaktion der Mafia auf ihr Vorgehen. Ab und an gibt es Szenen, die ein bisschen zugunsten der Polizei geschönt sind, aber wie sollen sonst die Guten gewinnen? Der ein oder andere „Deal“, der auch mal ohne genaues Wissen der Chefs ausgehandelt wird, könnte in der Realität wohl scheitern, doch das darf in einem Buch schon mal sein.
Da die Ermittlerriege fast ausschließlich aus Männern besteht, liest sich der Thriller sprachlich ab und an etwas derb, was wohl durch gelegentlich witzige Passagen gemildert werden soll. Zu Beginn war etwas zu viel Witz für mich dabei, da (Kinder-)Prostitution ein sehr ernstes Thema ist. Das wurde nach und nach besser und man konnte sich voll auf das Tempo einlassen, mit dem der Autor den Leser an Nicolas‘ Seite quer durch Deutschland und auch nach Spanien, Marokko und Frankreich führt.
Streckenweise bleiben die Ermittler als Charaktere ein wenig farblos, weil dafür entweder zu wenig Zeit bleibt oder dieser Platz dann von der Charakterisierung der mächtigen Russen verwendet wurde. Man soll ja über seine Gegner Bescheid wissen.
Mehr Gefühl bekommt man schon für Eichborn selbst und der polarisiert. Als Ermittler und Teamleader hat er jede Menge drauf, da kann ihm niemand so schnell das Wasser reichen. Und in dieser Beziehung lässt er sich auch von den Kollegen Vorschläge machen, nimmt diese an und wirkt als Ganzes sehr reif und reflektiert. Stichwort Beziehungen: Genau da hapert es bei Nicolas. Er ist nicht beziehungsunfähig oder Ähnliches, doch ohne seine Kollegen benimmt er sich weniger souverän und die aktuellen Ereignisse kehren auch eine nicht so edle Seite aus ihm heraus, die ihn doch etwas aufs Geld fixiert erscheinen lässt. Da er das aber beruflich gar nicht ist, kommt nicht heraus, was der Autor damit bezwecken wollte.
Cover und Titel sind durchaus passend und ein Eyecatcher, wie auch Thriller-typisch.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Klebt an den Händen

Mit Zorn sie zu strafen
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Wer Tony Parsons ersten Band (Dein finsteres Herz) mit Max Wolfe gelesen hat, sollte auch dieses Buch möglichst bald lesen (verschlingen). Aber: auch jedem anderen Krimi- und Thrillerfan sei dieses Werk ...

Wer Tony Parsons ersten Band (Dein finsteres Herz) mit Max Wolfe gelesen hat, sollte auch dieses Buch möglichst bald lesen (verschlingen). Aber: auch jedem anderen Krimi- und Thrillerfan sei dieses Werk empfohlen. Gnadenlos wirft Parsons den Leser gleich zu Beginn in die Szenen der grausamen Tat, die Detective Wolfe, seine Chefs und Kollegen die nächsten Monate über beschäftigen wird.
Es scheint nichts zusammenzupassen: Eine Familie und ihr Hund werden getötet. Doch der jüngste Sohn, noch ein Kind, wird scheinbar entführt. Und die Morde waren gezielt, ausgeführt mit einer ungewöhnlichen Tatwaffe. Auch ein ähnlicher Fall von vor mehreren Jahrzehnten bringt nicht die erhofften Erkenntnisse.
Unter Einsatz seines Lebens ermittelt Max Wolfe zwischen einer Roma-Siedlung, seinem Sport-Center und den Angehörigen der Ermordeten. Er steht gleichermaßen vor verschlossen Türen wie Verdächtigen und hebt auf seiner verzweifelten Suche nach dem entführten Kind fast wie nebenbei noch einen Pädophilenring aus.
Doch dass Wolfe alles andere als ein Superman ist, zeigt Tony Parsons in den Szenen, in denen er mit seiner Tochter redet oder mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird. Um den Fall zu lösen, muss er auch tief in der Vergangenheit der Opfer und deren Angehörigen bohren und fördert Schreckliches zu Tage. Gekonnt flicht der Autor am Ende die Fäden ineinander und auch wenn ein paar Fragen offen bleiben, Details nicht geklärt wurden, hat dieses Buch das gewisse Extra, dass es geradezu an den Händen kleben lässt.
Mit seinen grundsätzlich nüchternen, aber nicht gefühllosen Schilderungen treibt Parsons den Leser an Wolfes Seite durch London und lässt ihn am Ende jedes Kapitels mit einem Gemisch aus unbändiger Neugier und der Hoffnung auf ein gutes Ende sofort die nächste Seite umblättern.