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Veröffentlicht am 20.05.2021

Kriminalistik, Kultur und Kulinarik: Die Freuden des Josef Vierziger

In der Fremde
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Corona war für viele einmal ein recht harmloses Wort aus dem Lateinischen. Nicht so für die Apulier. Auch Josef Vierziger muss das erfahren. Nachdem seine Heimatstadt ihm in “Kollateralschaden” übel mitspielt, ...

Corona war für viele einmal ein recht harmloses Wort aus dem Lateinischen. Nicht so für die Apulier. Auch Josef Vierziger muss das erfahren. Nachdem seine Heimatstadt ihm in “Kollateralschaden” übel mitspielt, quittiert er seinen Dienst und zieht in den Süden.

Oder “in die Fremde”, zu den Wurzeln seiner Vorfahren. “Dottor Quaranta” baut sich ein kleines, feines Zuhause auf, braucht nicht viel außer Primitivo, Grappa, Doppio und Gemüse aus seinem Garten. Doch es ist ein bisschen so wie bei “Pfarrer Braun”. Ein angeschossener Flüchtling tritt in Vierzigers Leben und schon muss er hier und da ein bisschen kriminalisieren.

Innerhalb weniger Tage steckt er tief in einer Geschichte um Menschenhandel, zweifelhafte Geldgeschäfte und noch so einiges strafbare mehr. Seine Gegenspieler? Unter anderem die “Sacra Corona Unita”, apulische Mafia.

Wer bisherige Bücher von Joseph Lemark kennt, der weiß: Vierziger ist unnachgiebig (man könnte sagen stur) und fast ein Gerechtigkeitsfanatiker im positiven Sinn. Das lässt ihn schon in Österreich in brenzlige Situationen kommen, aber wirkt “in der Fremde” gleich noch um einiges gefährlicher.

Neben der Kriminalistik und der Kulinarik kommt auch die Kultur nicht zu kurz: für viele der eingestreuten italienischen Sprach-Kostproben gibts am Ende ein Glossar, zudem ein paar von Vierzigers Rezepten zum Nachkochen. Beides definitiv deftig.

So gut das alles klingt und so wohl sich Vierziger zwei Jahre nach seinem Umzug fühlt, für einen Leser aus (Ober-)Österreich fehlt doch der gewohnte, heimische Witz und Lokalkolorit ein bisserl. Aber der Ex-Major scheint sich trotz kleiner Alltagsprobleme gut eingewöhnt zu haben. Möge er nun wieder einige ruhigere Monate verbringen dürfen!

Veröffentlicht am 14.05.2021

Sozialkritischer US-Actionkrimi mit multiethnischem Jason Bourne

Der gekaufte Tod
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Ich bin Fan von unkonventionellen, leicht schrägen Krimis (humorvoll oder nicht). Diese haben meist einen Schauplatz, der nicht so oft genutzt wird und können mit skurrilen Charakteren und Geschichten ...

Ich bin Fan von unkonventionellen, leicht schrägen Krimis (humorvoll oder nicht). Diese haben meist einen Schauplatz, der nicht so oft genutzt wird und können mit skurrilen Charakteren und Geschichten aufwarten.

Stephen Mack Jones vereint all das in “Der gekaufte Tod”. Mit dem deutschen Titel bin ich nich so ganz warm geworden, aber mit dem Inhalt umso mehr. August Snow, Detroiter Ex-Cop und Ex-Marine, mutiert unfreiwillig zum Privatermittler und FBI-Informanten.

Eine reiche Geschäftsfrau nimmt sich - so die offizielle Version - das Leben, doch Snow geht der Sache auf den Grund und wirbelt Staub auf.

Das Flair der amerikanischen Großstadt wird genauso eingefangen wie die sozialen und ökonomischen Fragen der Vereinigten Staaten. August selbst ist da schon ein wunderbares Beispiel - Sohn eines Afro-Amerikaners und einer Mexikanerin, bietet er viel Angriffsfläche für Hass. Er kann es sich aber leisten, damit relativ locker umzugehen, denn aufgrund seiner Ausbildungen weiß er sich zu wehren. Und er hat Geld, was ihm wiederum Zutritt zu “weißeren” Kreisen ermöglicht.

Alles sehr stereotyp und dann auch wieder nicht. Der Autor thematisiert die gängigen Probleme und nutzt auch Klischees dafür, packt alles aber in eine fesselnde, schonungslose Krimigeschichte rund um Mord, Rache, Geldwäsche und Waffen.

Viele Waffen. Action muss sein. Wer das nicht mag, liegt mit diesem Krimi falsch. Aber hin und wieder sind markige Sprüche, kantige Typen und schräge Figuren genau das Richtige. Für Fans von Gregg Hurwitz oder Robert Ludlum auf jeden Fall ein Volltreffer.

Veröffentlicht am 12.05.2021

Spannend, unterhaltsam und sehr berührend

Lange Schatten über der Côte d'Azur
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Wen dieser Krimi nicht berührt, der leidet an Empathie-Losigkeit. Christine Cazon verbindet in “Lange Schatten über der Côte D’Azur” einen Mordfall mit französischer Geschichte.

Nicht allzu weit in der ...

Wen dieser Krimi nicht berührt, der leidet an Empathie-Losigkeit. Christine Cazon verbindet in “Lange Schatten über der Côte D’Azur” einen Mordfall mit französischer Geschichte.

Nicht allzu weit in der Vergangenheit gräbt sie hier, aber an ganz neuralgischen Punkten. Wie ging Frankreich, Südfrankreich zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, mit seiner jüdischen Bevölkerung um? Ja, die “Résistance” wurde weit über den Krieg hinaus bekannt und dafür lassen sich viele noch immer gerne feiern, aber gab es auch andere Seiten der selben Medaille?

Kommissar Léon Duval hinterfragt durch seine Ermittlungen auch das Gewissen Frankreichs und - da erst kürzlich in Europa ein Festtag zum Ende des Zweiten Weltkriegs begangen wurde - das aller Leser.

Die spannenden Ermittlungen werden durch lehrreiche Momente ebenso ergänzt wie durch sehr emotionale. Natürlich sind die Personen im Buch fiktiv, aber sie teilen ihr Schicksal mit abertausenden, mit vielen ganz realen Familien, mit Juden, die überlebten. Durch einen erneuten Schicksalsschlag bietet sich ihnen die Möglichkeit, plötzlich Details aus der Familienhistorie kennenzulernen, die für immer verloren geglaubt waren.

Auch wenn Duval, gemeinsam mit seinen Kollegen und seiner Partnerin, den Fall innerhalb der 300 Buchseiten auflösen kann, spürt man als Leser fast körperlich, wie das Erfahrene noch lange darüber hinaus in ihm wirken wird. Wir können die Geschichte nicht wiedergutmachen, nicht ungeschehen machen. Aber wir können jeden Tag Lehren daraus ziehen und uns nicht zu unreflektierten Aussagen und Handlungen verleiten lassen.

Veröffentlicht am 04.05.2021

Unterhaltung, die nachdenklich macht

Die Toten vom Gare d’Austerlitz
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Hier stimmt einfach alles. Umschlag und -text umfassen den wunderbaren historischen Krimi von Chris Lloyd optimal. Lloyds Recherche und Gespür für Atmosphäre machen die Geschichte rund um den fiktiven ...

Hier stimmt einfach alles. Umschlag und -text umfassen den wunderbaren historischen Krimi von Chris Lloyd optimal. Lloyds Recherche und Gespür für Atmosphäre machen die Geschichte rund um den fiktiven Inspecteur Édouard Giral (leider am Umschlag falsch geschrieben) lebendig und beklemmend.

Wir folgen Giral von 14. bis 23. Juni 1940 durch Paris. Seine hartnäckige Art und dass er das Herz am rechten Fleck hat, sind gleichermaßen bewundernswert wie beängstigend. Er stellt sich allen Hindernissen mutig in den Weg und im Paris zu Beginn der deutschen Besatzung gab es unendlich viele davon.

Man könnte vermuten, dass die eine oder andere Leiche, ein Toter mehr, ein Selbstmord da, keine große Rolle spielten zu dieser Zeit. Für viele war das so, aber ein paar wenige sahen das anders. So auch Giral. Er macht keinen Unterschied nach Glaube, Rasse oder Ansehen.

Vier Polen werden grausam ermordet und trotz fehlender Unterlagen und vieler zu Fuß zurückgelegter Kilometer, schwierigen Ermittlungen bleibt er letztlich immer an diesem Fall dran. Durch die Figur des Inspecteurs und jene, die er trifft, zeigt Chris Lloyd viele verschiedene Facetten und Typen auf.

Der alleinlebende Mann und Vater, Soldat im ersten Weltkrieg, traumatisiert und nach der Rückkehr ohne psychologische Beratung geblieben. Die verschiedenen Deutschen: regimetreue Gestapo-Schergen, nationalistische Führer-Kritiker oder Kollaborateure. Journalisten, Flüchtlinge, Deserteure, alle aus diversen Ländern, … in Paris traf sich auf gewisse Weise die halbe Welt.

In “Die Toten vom Gare D’Austerlitz” spielen Fiktion und Tatsachen einander in die Hände, der Krimi unterhält und vermittelt gleichzeitig Begebenheiten, die wir nie vergessen sollten.

Veröffentlicht am 01.05.2021

Spionage- und Historienthriller mit überladenem Ende

Geiger
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Schweden, heißer Sommer. Ein erschossener Promi in seiner vornehmen Villa, eine Stockholmer Polizistin auf Abwegen und viel geschichtlicher Hintergrund rund um DDR, Kommunismus und Spionage.

Das sind ...

Schweden, heißer Sommer. Ein erschossener Promi in seiner vornehmen Villa, eine Stockholmer Polizistin auf Abwegen und viel geschichtlicher Hintergrund rund um DDR, Kommunismus und Spionage.

Das sind die Zutaten dieses Thrillers, leider werden weder Cover noch Klappentext dem vollauf gerecht. Für Fans solcher Themen aber bietet die Geschichte einiges und punktet mit viel Recherche und Historie.

Hauptfigur Sara Nowak, Polizistin bei der Sitte und von Zweifeln geplagte Mutter zweier Teenager, wird plötzlich zurück in ihre Kindheit katapultiert. Eine befreundete Ermittlerin ruft sie an einen Tatort: Sara kennt den Toten, ging viele Jahre in dessen Villa ein und aus und spielte mit seinen Kindern.

Die Profis ermitteln natürlich zuerst einmal in die falsche Richtung, somit kommt Sara zum Zug, die in ihrer Freizeit Erinnerungen und Begebenheiten nachhängt und nach und nach unglaubliche Details des Ermordeten aufdeckt.

Autor Gustaf Skördeman wollte hier, so scheint es, zwei große Themenblöcke eng miteinander verknüpfen. Auf der einen Seite Saras Alltag, in dem sie gegen Prostitution kämpft und auf der anderen Seite die Kalter-Krieg-Spionageschiene. Auch da ist nicht alles romantisch à la Nachrichten im toten Briefkasten und Giftpfeil im Kugelschreiber.

Nein, es geht vielmehr um tödliche Komplotte, Indoktrination, Erpressung und unbedingten Gehorsam. Nichts für schwache Nerven.

Alles in allem wurde am Ende leider ein wenig zu viel gewollt, die paar Stellen die man als aufmerksamer Leser vorhersehen kann, werden durch extreme Wendungen niedergebügelt, die man dann eben schlucken muss. Nach dem Motto “Ätsch, das hast du aber nicht kommen sehen”.

Kann man machen, muss man aber nicht. Die Details werden schon erläutert und ja es könnte alles so stattfinden, aber sehr wahrscheinlich wirkt es nicht. “Geiger” ist zudem Teil 1 einer Trilogie, was bedeutet, dass ein bisschen was als vermeintlicher Cliffhanger stehen bleibt. Die wesentlichen Punkte werden aber geklärt.