Bewegende Erinnerungen
Nachdem ich ein großer Fan der Kurzgeschichten von Paul Bokowski war, habe ich mich unheimlich auf seinen ersten Roman gefreut. Sein großartiger Humor prägt auch Schlesenburg, die Geschichte geht aber ...
Nachdem ich ein großer Fan der Kurzgeschichten von Paul Bokowski war, habe ich mich unheimlich auf seinen ersten Roman gefreut. Sein großartiger Humor prägt auch Schlesenburg, die Geschichte geht aber viel mehr in die Tiefe, als wir es von ihm kennen und hat mich wirklich beeindruckt.
“Schlesenburg wurde sie genannt, unsere Siedlung am Stadtrand, in der im Sommer 89 die Wohnung der Galówka brannte. Sechzig Familien waren wir, fast allesamt aus Polen.”
Paul Bokowski bietet hier eine einzigartige, wertvolle Perspektive. Ein Kindheit, geprägt durch die Flucht der Eltern. Ein Kind, das nie polnisch gelernt, dafür aber Traumata vererbt bekommen hat. Eine Kindheit an einem besonderen Ort, umgeben von einzigartigen Menschen.
Ich muss sagen, dass ich am Anfang meine Probleme mit dem Buch hatte und nicht so gut rein kam und zwischendurch fast schon gelangweilt war. Wir bekommen hier eine sehr ruhige Geschichte, die immer wieder hin und her springt. Sie entwickelt sich langsam, nimmt einige Abbiegungen und am Ende wusste ich gar nicht mehr genau, was da gerade passiert ist. Nur, dass ich mehr wollte.
“Mutter vermisste ihre Eltern, Vater, etwas stiller, seinen Bruder, aber die meisten Kinder aus der Burg, die Hiergeborenen, mich oder Darius, hatte man von Anfang an so sauber abgekapselt von unserer Herkunft, von allen, die hinter dem Eisernen Vorhang hockten, dass jedes Vermissen nur ein Theoretikum bleiben konnte, ein Konzept.”
Das Besondere an dem Roman ist für mich das Gefühl, das er einfängt. Ein Vater, der alles richtig machen, die Familie zusammenbringen, will und seinen Stolz als Schutzschild vor sich trägt. Eine Mutter, die jede freie Minute zum Lesen nutzt und sich mit den neuen Worten schmückt, ohne zu wissen, ob sie Bernsein oder Phosphor sind. Dazwischen immer wieder die Frage “Raus oder runter?”
Mich haben die Gespräche in der Familie immer unheimlich bewegt. Wie Geschichten erzählt werden, wie Erinnerungen verzerrt und diskutiert werden.. Diese Dynamik ist mir so gut bekannt und mit der Zeit konnte ich das Buch gar nicht mehr weglegen, wollte weiter in dieses Gefühl.
Erzählt ist Schlesenburg schonungslos ehrlich. Manchmal erschütternd und tieftraurig, manchmal herzlich und amüsant.Sehr detailliert, mir persönlich teilweise fast zu ruhig, aber mit viel Humor an den richtigen Stellen Es wird nicht jedem gefallen, aber wer sich drauf einlässt, wird belohnt.