Es gibt nur eine Sache, die ich an diesem Buch schade finde - und da kann das Buchs nicht mal was für: Dass meine Nichte noch zu jung dafür ist. Ansonsten ist dies ein tolles Lese-, Lern- und Anschaubuch für ältere Kinder: Gut zusammengestellt, sehr informativ und liebevoll gestaltet.
In den knapp 120 Seiten sind, nach Geburtsjahr geordnet, Porträts "großer" europäischer Frauen versammelt, mal über zwei, mal über vier Seiten, mal als Kurzeintrag auf einer Übersichtsseite (wie z.B. große Wissenschaftlerinnen oder erfolgreiche Sportlerinnen). So werden im letzten Übersichtsteil über "Die junge Generation", z.B. auch Laurie Penny oder Hazel Brugger erwähnt, was ich ziemlich cool fand.
Aber zurück zu den eigentlich "großen" Frauen, die ausführlicher dargestellt werden. Ich finde die Auswahl sehr gelungen, wobei sich mir natürlich schon die Frage gestellt hat, was die Autorin denn wohl unter "groß" versteht. Klar erwartet man, Steffi Graf oder Angela Merkel vorzufinden, allein schon aufgrund ihrer großen, offensichtlichen, rekordhaften Erfolge. Doch dieses Buch bietet weit mehr, eigentlich von allem etwas: Frauen, die durch die Geschichtsbücher bekannt sind (z.B. Jeanne d'Arc, Rosa Luxemburg oder Sophie Scholl), Wissenschaftlerinnen (wie Marie Curie, Ada Lovelace oder Jane Goodall), Künstlerinnen und Kreative (Virginia Woolf, Coco Chanel, Astrid Lindgren) oder einfach nur Heldinnen, die vor allem durch Pionierarbeit geglänzt haben, wie Fliegerass Elly Beinhorn oder Lili Elbe, die erste trans Frau mit geschlechtsangleichender Operation.
Was mir richtig gut gefallen hat, sind zwei Punkte:
1) Empowerment: Die Leistungen der Frauen werden nicht einfach nur nacherzählt, sondern immer jeweils die Besonderheit betont - mit Bezug auf die Hindernisse der jeweiligen Zeit, die den Frauen in den Weg gelegt wurden. Dies ist zum einen ein spielerischer Exkurs in die Geschichte der Emanzipation - ganz nebenbei erfahren die jungen Leserinnen (und Leser, warum nicht), dass für Frauen nicht immer alles, was heute "normal" ist, selbstverständlich war. Zum anderen wird den jungen Mädchen mitgeteilt: Auch ihr könnt alles schaffen, was ihr wollt, so wie diese Frauen es geschafft haben. Eine tolle, ermutigende Botschaft, und das ohne erhobenen Zeigefinger.
2) Begeisterung, aber ohne Scheuklappen: Auch wenn dieses Buch eine sehr positive und aufmunternde Grundstimmung verbreitet, so verliert es nicht die Balance und ist nicht vollends unvoreingenommen. Kritische Anmerkungen zu den Frauen werden erwähnt und erläuert, z.B. über Hannah Ahrendts Eichmann-Buch und die ihr vorgeworfene Banalisierung des Bösen oder Alice Schwarzers Werbung für die BILD-Zeitung. Das macht das Ganze umso authentischer.
Die Leseempfehlung liegt bei zehn bis zwölf Jahren, ich finde, das passt gut. Einige schwere Wörter werden ganz nebenbei erklärt, und die Illustration ist niedlich-verspielt, aber dennoch sind die Einträge klar strukturiert: Einem kurzen Vorspann folgt der eigentliche Text, dazu gibt es einen Lebenlauf in Kurzversion, ein Zitat und ein Bild.
Tolles Buch, rundum empfehlenswert.