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- Verlag: trafo Literaturverlag
- Genre: Sachbücher / Film, Kunst & Kultur
- Seitenzahl: 223
- Ersterscheinung: 15.10.2017
- ISBN: 9783864650932
Duftige Ferne
Auf den Spuren schöner Blumendüfte
Ich öffne einen Schrank, eine Flasche, eine alte Truhe und er ist da, der Duft der Kindheit: die Fenster in die Vergangenheit sind aufgestoßen... Ein Geruch kann, wie Baudelaire in einem Gedicht schreibt, beißend, verstaubt und finster sein, aber manchmal entspringt einem alten Flakon eine Seele, die lebendig wiederkehrt, werden gute Gedanken und Erinnerungen geweckt, die schliefen.
Für mich gibt es Düfte, die wie Leitfossilien für eine ganze Epoche des eigenen Lebens stehen. Darunter spielen Blumendüfte eine große Rolle. Sie lassen mich nicht nur an Schönes denken, sondern lösen auch eine Assoziationskette aus, die meine Phantasie und Kreativität beflügelt, meine Sehnsucht entfacht, mich sogar tröstet. Manche Düfte sind mit frühen Kindheitserinnerungen verknüpft, beispielsweise der Lavendelduft im Wäscheschrank der Großmutter, dann wieder waren es Erzählungen von Narzissen-Wiesen bei Montreux und ein kleiner Flakon, die mich inspirierten, jene Duft-Orte aufzusuchen. Auch das Rosenöl, das meine Mutter gelegentlich benutzte, regte mich dazu an, der Damaszener-Rose ins Tal der Rosen nach Bulgarien zu folgen – dennoch waren die persönlichen Erinnerungen nur Anlass für diese Texte, in denen ich meiner Phantasie freien Lauf gelassen habe, sie sind keinesfalls eine Autobiographie, vieles ist frei erfunden.
In meinem Arbeitsleben begegneten mir Duftstoffe im Labor, ebenfalls beim Studium der Geschichte von Medizin und Naturwissenschaften, in historischen Aufsätzen, aber auch in schöngeistiger Literatur. Düfte wurden zu allen Zeiten geschätzt, sieht man von einigen antiken Philosophen wie Cicero ab, der Parfümläden als Orte der Verführung und des Müßiggangs verdammte, wo sich nur Leute versammelten, die von Pomade glänzten und in Purpur schimmerten. Dann wieder, so bei Vergil, wurde Duft, vor allem der von persischen Rosen, mit dem „Goldenen Zeitalter“ verbunden, wo nur paradiesisch duftende Pflanzen gediehen. Alexander der Große liebte, folgt man seinen Biographen, Düfte, trank parfümierte Weine und trug mit Essenzen besprühte Kleidung. In einem Buch aus dem 18. Jahrhundert heißt es über „parfümierte Sachen“ anklagend, dass sie von „Frauenzimmern aus bloßer Wollust hochgeachtet“ werden.
Aber Duft, Gesundheit und Küche sind verschwistert, was zunächst in der Geschichte der Pharmazie Heilmittel war oder als Küchenkraut verwendet wurde, kam oft als geruchsverbessernde Substanz zu Ehren. Auch Heilige und
Hexer stellten Duftstoffe in den Dienst ihrer Sache, so im alten Thessalien, im präkolumbianischen Mexiko, auf den Hochebenen im Innersten von Afrika, aber auch im alten Europa, wie Hans Baldung Griens „Hexensabbat“ aus dem Jahre 1510, der kräuterkochende Hexen zeigt, beweist. Düfte sind Kuppler, sie betören, werden aber auch mit Heiligen in Verbindung gebracht, so soll Jeanne d’Arc die in ihrem Prozess gestellte Frage, ob die ihr erschienenen Sancti von Düften begleitet gewesen seien, mit „Ja“ beantwortet haben. Auch in der Tierwelt bewirken Düfte Anziehung oder Abstoßung – Adolf Butenandt hat den Duftstoff aus Raupen isoliert, mit denen sie über große Entfernungen den Geschlechtspartner anlocken, Tierfotografen verwenden „Naturparfüme“, um ungestört Aufnahmen machen zu können.
Düfte unterliegen Moden, so wie die Flakons, in die sie eingeschlossen werden. Auch diese repräsentieren den Zeitgeist. Wie werden neue Duftkreationen geschaffen? Das Geheimnis ist groß, denn Parfümeure sind „Zwischenwesen“, Künstler, die sich (auch) wissenschaftlicher Methoden bedienen.
Ich glaube daran, dass Literatur (wie Kunst überhaupt), trösten kann. „Geruchsforscher“ wie Hans Hatt sind davon überzeugt, dass die komplexen Blumendüfte selbst dann, wenn sie nur Erinnerungen sind, positive Assoziationen bewirken. Das auch mit literarischen Texten zu erreichen, wäre mein Ziel.
Ach deshalb führten mich Dufterinnerungen als Reisende in schöne Blumenwiesen in Ferne und Nähe.
Petra Werner, im Sommer 2017
Für mich gibt es Düfte, die wie Leitfossilien für eine ganze Epoche des eigenen Lebens stehen. Darunter spielen Blumendüfte eine große Rolle. Sie lassen mich nicht nur an Schönes denken, sondern lösen auch eine Assoziationskette aus, die meine Phantasie und Kreativität beflügelt, meine Sehnsucht entfacht, mich sogar tröstet. Manche Düfte sind mit frühen Kindheitserinnerungen verknüpft, beispielsweise der Lavendelduft im Wäscheschrank der Großmutter, dann wieder waren es Erzählungen von Narzissen-Wiesen bei Montreux und ein kleiner Flakon, die mich inspirierten, jene Duft-Orte aufzusuchen. Auch das Rosenöl, das meine Mutter gelegentlich benutzte, regte mich dazu an, der Damaszener-Rose ins Tal der Rosen nach Bulgarien zu folgen – dennoch waren die persönlichen Erinnerungen nur Anlass für diese Texte, in denen ich meiner Phantasie freien Lauf gelassen habe, sie sind keinesfalls eine Autobiographie, vieles ist frei erfunden.
In meinem Arbeitsleben begegneten mir Duftstoffe im Labor, ebenfalls beim Studium der Geschichte von Medizin und Naturwissenschaften, in historischen Aufsätzen, aber auch in schöngeistiger Literatur. Düfte wurden zu allen Zeiten geschätzt, sieht man von einigen antiken Philosophen wie Cicero ab, der Parfümläden als Orte der Verführung und des Müßiggangs verdammte, wo sich nur Leute versammelten, die von Pomade glänzten und in Purpur schimmerten. Dann wieder, so bei Vergil, wurde Duft, vor allem der von persischen Rosen, mit dem „Goldenen Zeitalter“ verbunden, wo nur paradiesisch duftende Pflanzen gediehen. Alexander der Große liebte, folgt man seinen Biographen, Düfte, trank parfümierte Weine und trug mit Essenzen besprühte Kleidung. In einem Buch aus dem 18. Jahrhundert heißt es über „parfümierte Sachen“ anklagend, dass sie von „Frauenzimmern aus bloßer Wollust hochgeachtet“ werden.
Aber Duft, Gesundheit und Küche sind verschwistert, was zunächst in der Geschichte der Pharmazie Heilmittel war oder als Küchenkraut verwendet wurde, kam oft als geruchsverbessernde Substanz zu Ehren. Auch Heilige und
Hexer stellten Duftstoffe in den Dienst ihrer Sache, so im alten Thessalien, im präkolumbianischen Mexiko, auf den Hochebenen im Innersten von Afrika, aber auch im alten Europa, wie Hans Baldung Griens „Hexensabbat“ aus dem Jahre 1510, der kräuterkochende Hexen zeigt, beweist. Düfte sind Kuppler, sie betören, werden aber auch mit Heiligen in Verbindung gebracht, so soll Jeanne d’Arc die in ihrem Prozess gestellte Frage, ob die ihr erschienenen Sancti von Düften begleitet gewesen seien, mit „Ja“ beantwortet haben. Auch in der Tierwelt bewirken Düfte Anziehung oder Abstoßung – Adolf Butenandt hat den Duftstoff aus Raupen isoliert, mit denen sie über große Entfernungen den Geschlechtspartner anlocken, Tierfotografen verwenden „Naturparfüme“, um ungestört Aufnahmen machen zu können.
Düfte unterliegen Moden, so wie die Flakons, in die sie eingeschlossen werden. Auch diese repräsentieren den Zeitgeist. Wie werden neue Duftkreationen geschaffen? Das Geheimnis ist groß, denn Parfümeure sind „Zwischenwesen“, Künstler, die sich (auch) wissenschaftlicher Methoden bedienen.
Ich glaube daran, dass Literatur (wie Kunst überhaupt), trösten kann. „Geruchsforscher“ wie Hans Hatt sind davon überzeugt, dass die komplexen Blumendüfte selbst dann, wenn sie nur Erinnerungen sind, positive Assoziationen bewirken. Das auch mit literarischen Texten zu erreichen, wäre mein Ziel.
Ach deshalb führten mich Dufterinnerungen als Reisende in schöne Blumenwiesen in Ferne und Nähe.
Petra Werner, im Sommer 2017
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