Denn das ist Syrien im Jahre 2011 - die Zeichen des Wandels und einer gewissen Bedrohung werfen ihre Schatten voraus, wenn man auch noch nicht genau sagen kann, in welche Richtung diese sich entwickeln werden.
In der Stimmung der Unsicherheit erhält die Italienische Botschaft in Damaskus ein riesiges Fass mit Öl und kann diese Gabe zunächst nicht einordnen, bis sich erschreckenderweise herausstellt, dass es neben dem teuren Öl einen weiteren Inhalt gibt und zwar die Leiche eines Kardinals aus dem Vatikan, der sich für einige Zeit in Syrien aufhielt. In einer offiziellen und offenbar auch einer inoffiziellen Mission, wobei letztere seine Herzenssache zu sein schien.
Die Kommissare Barudi und Schukri von der syrischen Kripo erhalten bald Unterstützung aus Rom - Ermittler Mancini. Barudi, dessen Pensionierung kurz bevorsteht und der italienische Gast sind sofort ein Herz und eine Seele und gehen miteinander durch dick und dünn, was Barudi aufgrund des Arbeitsklimas im Kommissariat mit den meisten seiner Kollegen nicht tun kann. Denn hier herrscht eine Atmosphäre des Misstrauens und Schukri ist der einzige Kollege, der sein volles Vertrauen hat. Und das, obwohl er nach außen hin ein Weiberheld und absoluter Luftikus ist. Doch ist er auch ein Mann mit messerscharfen Verstand und einem offenen Herzen wie Barudi selbst.
Und wie Mancini, was Barudi auf den ersten Blick erkennt. Und das hat mich stutzig gemacht: Ich bin seit langen Jahren ein großer Fan des Autors Rafik Schami und habe seit Mitte der 1990er Jahre jedes, aber wirklich jedes Werk gelesen, das von ihm publiziert wurde. Und war immer angetan. Mehr oder weniger, meistens aber mehr. Diesmal geht mir hier einiges zu glatt: dass Barudi und Mancini sich vom ersten Moment an verstehen, das ist glaubwürdig, keine Frage. Denn es gibt Menschen, bei denen sofort klar ist, dass man auf der selben Schiene ist, was Werte und Ethik angeht. Aber trotzdem gibt es doch eine Phase des Kennenlernens, des Aufeinanderzugehens, des Abtastens sozusagen. Gerade auch, weil Barudi - und nicht nur er - im Land niemandem trauen kann und Syrien sich insgesamt in einer Phase der Auflösung befindet. Und nicht zuletzt, weil sie sich im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit kennenlernen, wo man sowieso vorsichtig sein sollte. Und mehr noch im Beruf eines Ermittlers.
So klar, wie Rafik Schami die Atmosphäre der Wandlung, darunter auch die Begegnung mit der Scharia, darstellt, so wenig passt Barudis Treuherzigkeit hier herein und zwar nicht nur in Bezug auf Mancini. Denn Barudis Herz wird von seiner Nachbarin in einer einzigen kurzen Nacht in wenigen Stunden auf der Treppe erobert. Dabei kannte er, der seine große Liebe viel zu früh verlor und seitdem allein ein durchs Leben geht, sie bis dahin nur vom Sehen. Diese Liebe auf einen Blick mag es geben, aber in dieser Situation und für diesen spezifischen Mann wirkt sie nicht glaubhaft. In der bereits beschriebenen Situation des Wandels nämlich. Man weiß einfach nicht, welcher Gefahr man sich aussetzt.
Deswegen hatte ich an diesem Roman nur eingeschränkt Freude, obwohl der eigentliche Kriminalfall wirklich spannend dargestellt war und der Autor auch eindringlich die ersten Regungen des Islamischen Staates verdeutlichte. Ein Roman, der mich ein wenig stutzig werden ließ. Und zwar wegen des Vertrauens, das hier in einigen Fällen Mitmenschen völlig vorbehaltlos entgegen gebracht wurde. Wobei Vertrauen natürlich ein, wenn nicht DAS lebenswichtige Elixier ist. Doch es passte nicht in die hier dargestellte Welt - es hätte einen Vorlauf geben müssen. So schien es - mir zumindest - ein wenig vereinfacht dargestellt, es fehlte ein ganz wichtiges Element.
Ich bin zwar nicht gerade enttäuscht von diesem Roman, aber als richtig rund habe ich ihn auch nicht empfunden. Auch, wenn mir der Stil des Autors - wie immer - in vielen Passagen ausgesprochen zusagte. Wobei ich die Lektüre zugegebenermaßen mit ausgesprochen hohen Erwartungen startete - wie es eben bei einem Werk eines Lieblingsautors so üblich ist!