Spannender Krimi mit einem ernsten Thema.
Klappentext: „Eine Dreifachkreuzigung am Ufer der Ilz erschüttert ganz Passau. Ist es das Werk eines Irren? Kriminalhauptkommissar Kroner macht sich auf die Suche nach der Wahrheit. Doch jemand ist nicht ...
Klappentext: „Eine Dreifachkreuzigung am Ufer der Ilz erschüttert ganz Passau. Ist es das Werk eines Irren? Kriminalhauptkommissar Kroner macht sich auf die Suche nach der Wahrheit. Doch jemand ist nicht an der Aufdeckung der Morde interessiert, und das Dickicht aus Schweigen und Scheinheiligkeit, durch das sich Kroner kämpfen muss, scheint undurchdringlich . . .Eine Geschichte von Martyrium, Schweigen und Vergeltung, behutsam und eindringlich erzählt.“
Der KT fasst das Wesentliche prima zusammen.
Ein schwieriges Thema, das diesem Krimi zugrunde liegt: Kindermissbrauch in kirchlichen Einrichtungen in 60-ger-80ger Jahren, der in 2014 für große mediale Aufmerksamkeit gesorgt hat, wird hier eingehend unter die Lupe genommen.
Dem Krimi sieht man eine umfangreiche Recherche und eine fundierte wie ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema an. Der Missbrauch und seine Folgen werden hier von diversen Seiten geschildert: aus der Sicht der Opfer, damals und heute, derjenigen, die damit leben und derjenigen, die Missbrauch nicht verarbeiten konnten. In kleinen Häppchen von 1-2 Seiten wird die Geschichte des kleinen Karls erzählt, der damals von der Mutter nach Etterzhausen in eine kirchliche Einrichtung geschickt wurde. Den Kindermissbraucht erlebt man schon hautnah, denn die Schilderungen sind zwar knapp, hinterlassen aber bleibenden Eindruck. Aus der Perspektive des Missbrauchsopfers erfährt der Leser, wie so etwas in etwa abgelaufen war. Welche psychischen Probleme dann im erwachsenen Alter folgten, was aus der Forderung nach Aufklärung geworden ist, wird dem Leser u.a. mithilfe von Gesprächen mit ehemaligen Domspatzen klargemacht.
Es wird auch von der Warte der Psychologen erklärt, wie und warum manche katholische Geistliche dazu kommen, warum überhaupt so eine Häufung der Pädophile in der kath. Kirche möglich ist und wie die Männer nach Einschätzung der Psychologen zur Pädophilie kommen. Da stehen nicht nur die Missbrauchsopfer, sondern auch die Täter als Opfer des Systems, z.B. es Zölibats da. Auch der Umgang damit, innerhalb und außerhalb der Kirche wird eingehend geschildert, denn all diese Dinge gehören zu den polizeilichen Ermittlungen. Wie man den Recherchen der Ermittler entnimmt: Die Aufarbeitung dieser Fälle wird bis heute aktiv verhindert, der Missbrauch vertuscht und das Ganze unter den Teppich gekehrt. In dem Part gibt es also nicht viel zu lachen.
Und trotzdem schafft die Autorin Regina Ramstetter die Balance zwischen dem Ernst des Hauptthemas und dem Alltag der Ermittler prima zu meistern. Dort herrscht ein humorig-ironisch abgeklärter Ton voller Sprüche, die fürs gelegentliche Auflachen und vergnügtes Grinsen sorgen. Im privaten Bereich kracht auch mal ordentlich, aber aus ganz andern Gründen.
Hier lassen sich zwei Ebenen erkennen: die der etwa Dreißigjährigen mit den typischen Problemen dieses Alters wie Partner fürs Leben finden, Arbeit und Privatleben unter einen Hut zu bringen, Kinderkriegen, Vater bzw. Mutterwerden, und die Probleme der älteren Generation wie Kroner, seine Lebensgefährtin, der Künstlerin Babsi Dorsch, etc. wie Sorge um die erwachsenen Kinder, Probleme bei der Arbeit, in der Familie und Umgang damit, auch Liebe und Partnerschaft, uvm. Die Probleme im privaten Bereich wirkten auf mich leider etwas gewollt, z.T. überdehnt, manche Reaktionen überzogen und fragwürdig.
Kroner, der Hauptermittler, ist ein uriger Typ, der mitunter auch gerne die Fäuste sprechen lässt, wenn das Verhalten anderer ihm wenig adäquat erscheint. Sein Co-Ermittlers Ben, ein Preuße in Bayern, Anfang dreißig und mit einer Heidenangst Vater zu werden, obwohl in einigen Betten seit geraumer Zeit aktiv, kriegt es bis zum Schluss nicht hin, sich und anderen zu gestehen, dass es doch soweit ist. Seine gegenwärtige Flamme, Psychologin von Beruf, blickt bis zum Schluss nicht durch, dass er etwas Wichtiges von ihr verbirgt und wandert lieber auf etlichen Nebenpfaden, die sie so weit wie möglich vom Kern der Sache bringen.
Zwei Ebenen lassen sich auch in Bezug auf die Versorgung der Leser mit den ermittlungstechnischen Details erkennen. Ben hat die Angewohnheit, die Essenz aus dem vorher Gesagten, z.B. Ausführungen der Psychologin zum Thema Pädophilie, nochmals in einfachen Worten wiederzugeben. Da kommen alle mit, auch diejenigen, die nach Pausen nicht mehr ganz im Bilde sind und diejenigen, die nicht so ganz aufmerksam gelesen haben. Für aufmerksame Leser sind solche Kunstgriffe jedoch etwas frustrierend.
Niederbayerisches Flair ist ein fester Bestandteil dieser Geschichte. Es werden die bekannten Lokale besucht, wie der Fisch-Imbiss, die berühmten Persönlichkeiten treten auf und sorgen für Lokalkolorit, z.B. Die Künstlerin Barbara Dorsch, die ihren Hund morgens früh ausführt und die Gekreuzigten entdeckt. Frau Dorsch steht einem so lebendig vor Augen, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, man kenne sie persönlich. Das Gleiche gilt für den letzten Fischer.
Der Erzählstil ist schon recht fetzig-humorig und ans Niederbayrische angepasst. Die Dialektausdrücke stehen an der Tagesordnung. Anfangs haben sie mir das Lesen erschwert. Die Übersetzung/Erklärungen hierfür gibt es hinten im Buch im „Guide für Preußen und andere Ahnungslose“, wobei der Sinn ergibt sich oft aus dem Kontext.
Fazit: Ein solider, gekonnt geschriebener Krimi, der das Thema Kindermissbrauch in kirchlichen Einrichtungen eingehend untersucht und trotz des Ernstes der Sache recht unterhaltsam und humorig daherkommt. Wer sich für das Thema interessiert, ist hier goldrichtig.