Ostfriesland im Jahr 1545
Eigentlich lese ich nicht gerne Krimis, obwohl ich den einen oder anderen doch schon mal gelesen habe. Denn irgendwie finde ich Krimis immer langweilig, weil man gleich zu Anfang schon den Täter zu "sehen" ...
Eigentlich lese ich nicht gerne Krimis, obwohl ich den einen oder anderen doch schon mal gelesen habe. Denn irgendwie finde ich Krimis immer langweilig, weil man gleich zu Anfang schon den Täter zu "sehen" bekommt, oder ich (bis her zumindest) spätestens nach der 1. Hälfte schon weiß wer der Täter ist.
Hier war ich aber aus einem anderen Grund neugierig, denn es ist ein so genannter Regional-Krimi und spielt da wo ich die Ortschaften kenne und auch schon war, weil ich dort in der Nähe wohne.
Also hab ich ihn einfach mal angefangen um zu "sehen" wie die Geschichte mit den Ortschaften umgeht.
Sehr schnell war ich aber schon in der Geschichte drin und es war seit langem mal kein Krimi von dem ich gelangweilt worden bin.
Die Geschichte spielt im 16. Jahrhundert in Ostfriesland in der Herrlichkeit Gödens wo gerade die Häuptlingsfrau Hebrich von Knyphausen vom Schloß Gödens dabei ist mit Einheimischen und vielen Zuwanderer aus Jever und Glaubensflüchtlinge aus Holland eine neue Heimat für alle zu schaffen.
Der Beginn und Aufbau von Neustadtgödens.
Eine Gemeinde die fest zusammen hält und eine neue, freie Glaubensgemeinschaft aufbauen will.
Dort hin ist auch die Hebamme Hiske Aalken geflüchtet, die in Jever als "Toversche" (Hexe) verfolgt und verurteilt wurde.
Als sie dort ankommt, passiert gleich ein bestialischer Mord, der für große Unruhe im Lager rund um die Gödenser Burg sorgt. Da sind fremde Zuwanderer, deren Ruf ihnen voraus eilt, natürlich gleich im Fokus, was Hiske nun gar nicht zu gute kommt.
Sie bekommt aber doch eine Unterkunft und schnell wird sie auch zu Hilfe geholt, wenn eine Geburt bevorsteht und so kommt Hiske in der Herrlichkeit erst einmal zur Ruhe, wenn die Bewohner sie auch noch mit Argwohn beobachten.
Als dann aber auch noch eine weitere Leiche, noch dazu in ihrem Kräutergarten, gefunden wird, zieht sich der Kreis aus Mißtrauen und Verurteilung immer enger um Hiske.
Als der Arzt aus Amsterdamm, Jan Valkensteyn, in Gödens eintrifft, findet sie in ihm Unterstützung und es wird alles dran gesetzt, den wahren Mörder zu finden, um Hiske damit ein für alle mal zu entlasten.
Also schlägt sie sich mehr schlecht als recht durch, immer auf der Hut nicht wieder als Hexe verurteilt zu werden.
Irgendwann findet sie den "Wortsammler", ein total verwahrloster Junge, der im Moor lebt und sich ab und an zur Burg schleicht. Schnell gerät auch dieses unheimliche "Ungeheuer" in den Fokus der Leute und wird gejagdt. Aber ihn zu fassen gelingt ihnen nicht. Nur Hiske nähert sich langsam diesem Jungen, in dem sie ihm an versteckten Stellen Nahrung hinstellt und versucht ihn näher kennen zu lernen. Ganz langsam läßt der Wortsammler Hiske an sich ran, immer wieder zur Flucht ins Moor bereit, wenn der Mob ihn wieder verfolgt.
Ganz langsam kommt Hiske hinter das Geheimnis des Wortsammlers und steht mit Hilfe von Jan Valkensteyn für ihn ein.
Was ist der Wortsammler für ein Junge und wieso lebt er in dem Alter allein im Moor? Wer hat die Morde begangen und warum? In wie weit ist die Gemeinschaft der Täufer darin verwickelt? Und wer ist die Lebenspflückerin?
Diese und noch einige andere Fragen werden nach und nach beantwortet und ist wirklich ein spannender Krimi, aber nicht im herrkömmlichen Sinn, wie man Krimis eben kennt.
Hier gibt es kein polizeiliches Ermittlerteam, die sich in Büros die Köpfe zermartern und mit irgendwelchen Analysen versuchen ein Täterprofil zu erstellen. Eben keine langweilige Polizeiarbeit.
Hier ist es die feste Gemeinschafft, die zwar alle zusammen halten, in denen es aber auch immer wieder welche gibt, die sich verdächtig machen und von anderen verteidigt werden, oder eben anklagend schief angeschaut werden. Hier gibt es nur die kleine Gemeinschaft, die sich aus dem Umland und zugereisten Holländern zusammensetzt und irgendwie muss man zwar zusammen halten, aber man ist sich auch genauso fremd und muss seinen Nachbarn erst einmal ab- und einschätzen.
Hier hat man vor her den Täter noch nicht "gesehen" und sieht nur soviel, wie die Einwohner selbst. Die ganze Geschichte ist wirklich gut aufgebaut und erzählt, so das man (ich) nicht schon weit vorher den Täter "kannte". Mir blieb nichts anderes übrig, als den Leuten zu folgen und mit zu rätseln.
Mehr als einmal hatte ich auch den falschen "Täter" im Visier, aber nie den richtigen.
Das Ganze fügt sich in die historische Geschichte nahtlos ein, so das man nebenbei auch noch viel um die regionale Geschichte von Gödens, Neustadtgödens und den angrenzenden Ortschaften erfährt und wie sie aus welchen Gründen entstanden sind.
Für jemanden, der die Ecke hier in Ostfriesland nicht kennt und sich auch nicht für interessiert, der mag sich vielleicht wenn, dann nur für die Todesfälle und deren Aufklärung interessieren, aber dann ist die Geschichte wohl nur noch halb so interessant als wenn man sie im Ganzen liest, denn die Mordfälle sind mit dem Leben der Bewohner verbunden und verstrickt, wie die Lebenden miteinander.
Mein Fazit:
Seit langem eine Krimigeschichte, die ich mehr als spannend fand und mich in keinster Weise gelangweilt hat. Eine die es geschafft hat, dass ich mehrfach in die falsche Richtung gesehen habe und auf deren zweiter Teil ich sehr gespannt bin, um zu erfahren wie es mit der Hebamme Hiske und auch dem Aufbau der neuen Lebensgemeinschaft der Ortschaft weiter geht.