Der schlimmste Feind

"Etwas ist faul im Staate des Osat. Etwas ist ganz schrecklich faul auf dieser Insel."
– Rick Lupert, Der schlimmste Feind

Rick Luperts Romandébut spielt auf einer Insel, die in zwei Teile geteilt: Meerland, Osat, ein Gebirge trennt die beiden Staaten. Was die Griechen früher μίασμα (miasma) nannten, die Verunreinigungen in der Luft, die die Menschen erkranken ließen, das besorgt das politische Treiben auf der Insel: ein korrupter Diktator hie, eine korrupte Regierung dort, ein vergangener anti-kolonialer Befreiungskrieg, ein tosender Bürgerkrieg; Leichen, die aus dem Boden steigen, gleich einer ätherischen Fäule, die sich aus den Fundamenten, den Erdschichten, in die Atemluft der Bewohner:innen gräbt.

"Lass all das, was passiert, nie selbstverständlich sein, sage dir immer wieder, dass es ungeheuerlich ist."
– Ramon, Zwangsrekrut der Osatischen Armee

Die Insel ist ein Mythos, ihre Geschichtsschreibung – global wie lokal kontextualisiert – eine alternative. Die Insel liegt im Atlantik, doch mitten in Europa. Die Insel hat einen Sog, der die Menschen verzweifeln macht, der Familien auf beiden Seiten der hohen Felsenketten auseinanderreißt, verschlingt wie verwebt.

Letzteres, das Verweben, ist Luperts große erzählerische Kraft. Sein Roman folgt dem schicksalhaften Prinzip der Notwendigkeit seiner Figuren, ist ein Anschreiben gegen die Enthumanisierung unserer Tage; die zuletzt uns den push-back'schen Versuch vorhält, die Würde des Menschen sei doch antastbar, wenn er:sie sich für die Migration in die besseren Verhältnisse entschiede.