Rezension Versunken von Sabine Thiesler
Vor vielen Jahren habe ich einige Bücher von Sabine Thiesler gelesen, als sie als Neuling gerade durchgestartet ist. Als ich jetzt auf der Suche nach einem neuen Hörbuch war, ist mir ihr Werk Versunken ...
Vor vielen Jahren habe ich einige Bücher von Sabine Thiesler gelesen, als sie als Neuling gerade durchgestartet ist. Als ich jetzt auf der Suche nach einem neuen Hörbuch war, ist mir ihr Werk Versunken in die Finger geraten – hauptsächlich wegen des Sprechers, David Nathan, den ich wirklich toll finde. Ich war also sehr gespannt, vor allem weil ich mich an die älteren Bücher kaum erinnern konnte.
Sommeridylle
Als mir David Nathan von einem wunderschönen Sommer auf einer Yacht im Mittelmeer erzählt, von Meer und Wellen, von Wind und Sonne, von italienischen Leckereien und köstlichem Rotwein, habe ich für einen Moment fast vergessen, dass es tiefster Winter ist und ich zur Zeit manchmal den ganzen Tag über das Licht in der Wohnung an lassen muss, um etwas zu sehen. Ich fühle mich, als ob ich selbst mit Werner und Vivian auf ihrem luxuriösen schwimmenden Zuhause sitzen und den Sonnenuntergang über dem Meer betrachten würde. Werner ist ein sympathischer Mann, der nach gesundheitlichen Problemen aufgehört hat zu arbeiten, trotzdem genug Geld hat und deshalb viele Wochen im Jahr Urlaub auf seiner Yacht macht. Seine Frau Vivian hingegen, die an der Oper arbeitet, möchte auf ihren Beruf noch nicht verzichten und setzt sich durch, als es darum geht, den mehrwöchigen Schiffsurlaub zu unterbrechen. Werner liefert sie leicht missmutig in Nizza ab und sie verabreden, in Kontakt zu bleiben und sich zwei Wochen später auf Elba wieder zu treffen. Werner ist alleine ein wenig unglücklich und als ihm der sympathische und hilfsbereite Malte über den Weg läuft, zögert er nur kurz, bevor er ihm eine Mitfahrgelegenheit anbietet.
Doch der Schein trügt…
Malte ist keineswegs einfach nur hilfsbereit, sondern hat einen ziemlich genauen Plan davon, den er gesponnen hat, seit er Werners Yacht zum ersten Mal gesehen hat. Er will all das, was Werner gehört, besitzen: die Yacht, seine Wohnung in Berlin, das ganze Geld. Mit viel Engagement erschleicht er sich Werners Vertrauen – und missbraucht dieses bald schon brutal.
Doch da gibt es auch noch Commissario Donato Neri, der für den Sommer nach Elba versetzt wurde. Obwohl er dort nicht hin wollte – er ist extrem seekrank und hat Angst vor dem Meer, beste Voraussetzungen für eine Fährüberfahrt – lässt er sich von seiner Frau überreden. Als diese Neris neue Vorgesetzte Manuela sieht, kommt sie kurzentschlossen mit Sack und Pack und ihrer dementen Mutter mit nach Elba, denn Manuela scheint der Inbegriff aller Männerträume zu sein. Donato Neri kommt auch in Thieslers anderen Thrillern vor, ich konnte mich von den alten Büchern vage an ihn erinnern. Er scheint stets ein wenig trottelig, steht sehr unter der Fuchtel seiner Frau und hofft dringend auf einen beruflichen Erfolg. Man fühlt ein wenig mit ihm, aber obwohl er der leitende Ermittler in diesem und Thieslers anderen Fällen ist, wurde ich persönlich nicht so richtig warm mit ihm. Der Fokus der Geschichte liegt für mich auch eindeutig auf der Opfer-Täter-Story, obwohl auch Einiges aus Neris Privatleben und dem seines Sohnes erzählt wird.
Eine tragische Figur
Über Malte selbst wird auch viel geschrieben. Sowohl seine Sicht der aktuellen Geschehnisse, als auch Rückblenden in seine Kindheit und Jugend werden von Thiesler toll dargestellt. Das ist für mich der Punkt, der das Buch von anderen Thrillern und Krimis unterscheidet: Maltes Geschichte wird so eindrücklich erzählt, dass man an manchen Stellen fast nachvollziehen kann, wie aus ihm der Mensch geworden ist, der er heute ist. Ein kleiner Junge, der seine liebenden Eltern bei einem Unfall verliert und dann bei seiner Tante aufwächst, die ihn eigentlich gar nicht haben will und noch dazu immer auf ihre Schwester, Maltes Mutter, eifersüchtig war. Ein Leben, das man keinem Kind wünscht, voll körperlicher und seelischer Gewalt. Und vielleicht die logische Schlussfolgerung dafür, was für ein Erwachsener aus so einem Kind wird. Nicht, dass ich rechtfertigen möchte, welche Verbrechen Malte in diesem Buch begeht; aber gerade, wenn man selbst ein Kind hat, scheint es unvorstellbar, was er durchmachen musste. Aber ich will nicht zu viel verraten.
Meine Meinung
Sabine Thiesler hat meiner Meinung nach einen tollen Schreibstil, auch wenn Hörbücher ja in der Regel etwas gekürzt sind. Sie schafft es, dass man sich in die jeweilige Atmosphäre, die sie beschreibt, hineinversetzen kann. Der Thriller lebt weniger vom Unbekannten – schließlich liest bzw. hört man immer auch Maltes Seite. Wer der Täter ist, ist also gleich klar. Das Buch lebt vielmehr davon, was wohl als Nächstes passieren wird und wann bzw. ob jemand Malte das Handwerk legen wird – am Besten bevor noch mehr Verbrechen geschehen.
Ich fand die vielen unterschiedlichen Perspektiven in dem Buch ein wenig ermüdend. Man liest von Werner, Vivian, Malte, Neri, seiner Chefin Manuela, den jungen Frauen, die Werner und Vivian mal ein Stück mitgenommen haben… Für mich persönlich haben außer Werner und Malte alle eine eher untergeordnete Rolle und dadurch, dass man so wenig über sie liest, kann man sich nicht so gut auf sie einlassen. Trotzdem war es ein spannendes Hörerlebnis und ich kann mir gut vorstellen, noch mal ein Buch aus der Donato-Neri-Reihe von Sabine Thiesler zu lesen bzw. zu hören.
Mehr dazu könnt ihr auch unter www.lesenistluxus.de lesen