Meckert ehrlich
Sarah Turner berichtet sehr ehrlich aus dem Leben als Mutter zweier Jungs. Von der Schwangerschaft bis zu dem ganz normalen Alltag schafft sie dabei immer wieder die Belastungen aufzuzeigen. Immer dabei ...
Sarah Turner berichtet sehr ehrlich aus dem Leben als Mutter zweier Jungs. Von der Schwangerschaft bis zu dem ganz normalen Alltag schafft sie dabei immer wieder die Belastungen aufzuzeigen. Immer dabei ein wunderbar ironischer Ton, eine offene Art und die Kunst, andere nicht anzuklagen, die eine andere Meinung vertreten. Eine Seltenheit gerade unter Mütter.
Sehr schön finde ich, dass die Autorin den Vater nicht ausklammert. Sie präsentiert ihn nicht nur als Erzeuger der gemeinsamen Kinder, sondern als Erzieher und Mann an ihrer Seite. Gleichzeitig zeigt sie dabei auch auf, wie unterschiedlich die Verteilung von (Haus)Arbeit dennoch ist. Dass es dabei zu Krisen und Streitereien kommt, lässt Sarah Turner nicht außen vor. Da fliegen schon mal die Fetzen und fast täglich genervte SMS.
Denn das was Sarah Turner als Figur hier ist, ist genau das. Genervt. Die Kinder nerven sie, der Mann nervt sie, die Mutterrolle nervt sie, die Zuschreibungen nerven sie, der Schlafmangel nervt sie, die Hausarbeit nervt sie. Das Buch könnte als einzige große Meckerei am Leben durchgehen, würde sie nicht wenigstens ab und an erklären, dass sie die Kinder liebt und auch die schönen Momente kennt.
Die finden nur leider kaum Einzug ins Buch. Erzählt sie auf der einen Seite noch, wie lieb sie ihre Jungs hätte, nennt sie sie auf der nächsten „Arschlöcher“. Eine fragwürdige Zuschreibung vielleicht. Aber vor allem eines: Ein Ventil. Denn auch das wird schnell klar: Für Sarah ist das Meckern, die SMS, die Beschimpfungen das Ventil, das sie braucht, um durch den Tag zu kommen. Dass sie dennoch anerkennt, dass sie dabei ungerecht wird, ihren Kindern und ihrem Mann gegenüber, macht sie menschlich und gibt dem Buch Tiefe.
Die hat es auch bitter nötig. Denn wie vielen, fällt es auch der Erzählerin leicht, nur das Schlechte zu erwähnen. Die positiven Erlebnisse bleiben auf einzelne Sätze beschränkt. Kinder zu haben wird zur unerträglichen Last. Eine Antwort auf den Druck gegenüber Müttern, immer perfekt, geduldig und liebevoll zu sein, aber über das Ziel hinausgeschossen. Statt einem Mittelmaß droht das Buch das gegensätzliche Extrem zu zeigen. Dabei, und das wird eben ansatzweise gut deutlich, hätte die Autorin das Potential. Als arbeitende Mutter, die einen modernen Blick auf Mutterschaft und Beziehungen hegt, könnte sie neue Wege gehen, statt nur die alten zu verteufeln.
Natürlich sind dabei viele Probleme, die angesprochen werden, wahr. Das zeigt sich besonders in den Kommentaren der Blog-Leserinnen, die immer wieder eingestreut werden. Menschen, die sich mit Sarah identifizieren können, weil sie die gleichen – oder ähnlichen - Probleme haben. Mit Sicherheit ist es dabei leichter, gemeinsam mit den Augen zu rollen und auszuflippen. Aber ist das nicht am Ende nur Polarisierung? Mit Sicherheit. In ihren Texten schafft die Autorin aber immer wieder, wenigstens die Spur der anderen Meinung einzuflechten. Ob das nun die Verzweiflung des Kindes ist, allein schlafen zu müssen oder der Stress eines Vollzeitjobs, wenn zu Hause nicht nur die Kinder, sondern auch eine geschaffte Ehefrau warten. Sarah Taylor findet dafür Raum.
Windelwahnsinn ist im Grunde kein Buch für junge Eltern, sondern eines, das auch getrost werdenden oder „älteren“ Eltern in die Hand gedrückt werden darf. Es ist ehrlich, persönlich, ohne den Finger in eine angeblich richtige Richtung zu strecken. Nicht ohne Schwächen, aber gut zu lesen.