Cover-Bild Protestantische Positionen
24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Vektor-Verlag
  • Themenbereich: Philosophie und Religion - Religion und Glaube …
  • Genre: keine Angabe / keine Angabe
  • Seitenzahl: 405
  • Ersterscheinung: 09.04.2004
  • ISBN: 9783929304527
Siegfried Keil

Protestantische Positionen

Beiträge zur Sexualethik und Familienpolitik
Peter Borscheid (Herausgeber), Wolfgang Nethöfel (Herausgeber), Rainer Schröter (Herausgeber)

Inhalt

Vorwort

I. Einführung

Uwe Sielert: „Informiertheit ist ein notwendiger Bestand von Liebe, die alle Seelsorge trägt“. Siegfried Keil als Sozialwissenschaftler

Michael Haspel: Person und Institution im Lichte des Evangeliums. Der Beitrag Siegfried Keils zu Sozialethik, Sozialpädagogik und Sozialpolitik

Schriften von Siegfried Keil

II. Historische und systematische Grundlagen

Zum Neuansatz der theologischen Ethik bei Friedrich Schleiermacher

Absolutheit und Relativität der Normen in soziologischer und theologischer Sicht

III. Zum Aufbruch evangelischer Sexualethik

Gesellschaftsstruktur und Geschlechtsverhalten

Fragen der Sexualmoral - Zum Stand der sexual-ethischen Diskussion in Theologie und Kirche

IV. Evangelische Familienberatung konsolidiert sich

Pfarrer in der Familien- und Lebensberatung

Familienberatung zwischen Diakonie und Seelsorge – Ihre Funktion für Familie und Gesellschaft

Umfang und Grenzen der Beratung in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung

V. Die familienrechtlichen Reformen der sozial-liberalen Koalition

Sozialpädagogische Aspekte der Reform des Adoptionswesens.

Leben fördern - ethische Überlegungen zum Schwangerschaftsabbruch

Eherechtsreform ohne Prinzipienreiterei

Sozialethische Positionen und gesellschaftliche Leitbilder in der Diskussion der Reform der Jugendhilfe

VI. Restauration oder Neubeginn unter der christlich-liberalen Regierung

Restauration oder Neubeginn der Familienpolitik

Zufrieden oder undankbar – Familien nach 1984

Eltern und Kinder – Stiefkinder der Politik auch im vereinigten Deutschland? Deutschland – Ost und Deutschland-West: Ein Vergleich

VII. Neue sozialethische Herausforderungen am Ende des Jahrhunderts

Protestantisches Menschenbild und evangelische Sexualethik als Voraussetzung für einen lebensförderlichen Umgang mit der Immunschwächekrankheit AIDS

Kirchen und AIDS

Theologische Überlegungen zur Vielfalt der Geschlechterverhältnisse

VIII. Von der Sexualethik zur Familienpolitik

Von der Sexualethik zur Familienpolitik – Gesellschaftliche Kontexte in autobiographischer
Perspektive

IX. Anhang
Vita Siegfried Keil.
Bibliographie
Kurzvita Uwe Sielert und Michael Haspel

Vorwort

Siegfried Keil hat die Familienpolitik der letzten Jahrzehnte unter den sozial-liberalen und christlich-liberalen Regierungen im Sinne der Theologie, der evangelischen Kirche und der Familien an entscheidender Stelle begleitet und mitgestaltet. Als Theologe und Sozialpädagoge, Seelsorger und Wissenschaftler hat er Brücken über die zum Teil hohen Grenzwälle zwischen einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen hinweg sowie zwischen Theorie und Praxis geschlagen. Als Sozialwissenschaftler stand er immer fest auf dem Boden der Realität, ohne dabei die erstrebenswerten Ziele einer freien und sich weiterentwickelnden Gesellschaft aus den Augen zu verlieren. Nüchtern analysierte er Zustand und Drift des sozialen Ganzen wie auch seiner Teile, bezog Stellung und begründete seine Voten auf der Grundlage eines unerschütterlichen Glaubens an die Entscheidungsautonomie des Individuums in allen es betreffenden existenziellen Fragen. Um dieses Gravitationszentrum herum konstruierte er einen rechtlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmen, der auf Wandel angelegt ist, und das heißt auf Verbesserung angesichts einer sich im rasanten Tempo verändernden Welt, die allein in Folge der vielen technischen Innovationen jedes Jahrzehnt ihr Gesicht und ihre Existenzgrundlage verändert.
Die Aufsätze von Siegfried Keil, die in diesem Band abgedruckt sind, zeigen die Reaktionen eines für das Wohlergehen von Jugend und Familie streitenden Theologen, Gesellschaftswissenschaftlers und Seelsorgers. Sie verdeutlichen, wie ein seit Jahrzehnten mit hohem Einsatz agierender Hochschullehrer Therapien für einen permanent nach Heilung rufenden Patienten entwickelt. Die Einführung (I) von Uwe Sielert und Michael Haspel legt offen, wie Siegfried Keil für seinen Kompetenzbereich den sozialen Wandel mitzugestalten bemüht war: vom Sexualverhalten über Schwangerschaftskonflikte, Scheidungsfragen, Familien- und Jugendprobleme bis hin zu AIDS und der Gentechnologie. Die Aufsätze lassen jedoch nur ganz am Rande die architektonischen Leistungen von Siegfried Keil an den einzelnen Hochschulen erkennen, an denen er als Lehrer und Leiter, als Inspirator, Forscher und Organisator tätig war: als Rektor der PH Ruhr sowie als Direktor der Evangelischen Hauptstelle für Familien- und Lebensberatung in Rheinland, Düsseldorf, des Instituts für Sozialpädagogik an der Universität Dortmund und des Instituts für interdisziplinäre Gerontologie und angewandte Sozialethik an der Philipps-Universität Marburg. Nicht erst in dieser letztgenannten Position hat sich Siegfried Keil mit dem Thema „Alter und Altern“ einem weiteren familienpolitischen Problemkreis zugewandt, der nicht nur unter dem Blickwinkel der Renten- und Pflegeversicherung von höchster Aktualität ist.
Die Kapitelüberschriften, unter denen wir die Texte vorlegen, benennen zugleich zeitliche und sachliche Zusammenhänge. Auf die Historische und systematische Grundlegung (II) folgen zunächst Texte Zum Aufbruch evangelischer Sexualethik (III) und dann andere, die bezeugen: Evangelische Familienberatung konsolidiert sich (IV). Die sich anschließenden Analysen und Stellungnahmen hatten keinen geringen Einfluss auf Die familienrechtlichen Reformen der sozialliberalen Koalition (V), sie fragten dann nach Restauration oder Neubeginn unter der christlich-liberalen Regierung (VI) und sie reagierten schließlich auf Neue sozialethische Herausforderungen am Ende des Jahrhunderts (VII). Unter dem Entwicklungsbogen Von der Sexualethik zur Familienpolitik erscheinen dem Autor selbst in einem rückschauenden Beitrag, der den Band abschließt, gesellschaftliche Kontexte in autobiographischer Perspektive (VIII).
Dabei kommt der Theologe programmatisch fast zu kurz. Weil der Mensch das Wort Gottes als soziales Wesen hört, ist Siegfried Keil den Soziologen ein Soziologe geworden. Seine „wissenschaftliche Hermeneutik der menschlichen Existenz“ entwirft er freilich stets als Theologe. Seine kritischen Schüler wollen aus einer engagierten Theologie Bewertungskriterien für die zur Auswahl stehenden soziologischen Paradigmen ableiten. Oder sie fragen umgekehrt, ob die soziologischen Standards nicht das theologische Paradigma hätten transformieren müssen. Der jetzt mögliche Blick zurück hilft jedenfalls den Kontext zu verstehen, in dem sich solche Fragen mit einer gewissen Notwendigkeit gestellt werden mussten, weil sie sich entfalten konnten.
Dieser Kontext ist in der Tat ein biographischer, aber man sollte ihn – mit dem Theologen Siegfried Keil – in der Tradition Schleiermachers verstehen. Hier erschließt christliche Theologie den Wirkungsprozess, der von Jesus Christus ausgeht, als Kulturprozess, in dem die christliche Traditionsgemeinschaft gerade so zu sich selbst findet, dass sie sich von den säkularisierten Wirkungen christlicher Verkündigung in Frage stellen lässt. In dieser wissenschaftlicher Selbstreflexion der christlichen Traditionsgemeinschaft ist beides beieinander: jenes Aufgeben der Sicherheit, jenes Zerbrechen alter Formen, ja jene Selbstentäußerung und Selbstverleugnung, die in der Nachfolgeorientierung eingeübt werden – und jenes sich Wiederfinden in fremder Umgebung, jenes Heimischwerden in der Fremde, jenes freie Ausgreifen ins Neue, das sich nach Ostern in Zeit und Raum, in Gesellschaften und Kulturen wirksam gezeigt hat.
Beieinander sind auch: kritische Wissenschaft und kirchliches Engagement, institutionelle Gestaltungsfähigkeit und pädagogische Selbstbeschränkung, fachliche Expertise und politische Einflussnahme im Dienste derer, die sonst überhört und übergangen werden. Die Herausgeber verstehen in diesem Sinne diesen zweiten Band mit Texten Siegfried Keils als Teil eines wissenschaftlichen Lebenswerks, das sich gerade in biographischer Perspektive von seinem theologischen Sachbezug her verstehen lässt und zu einem Ganzen zusammenfügt. Wir danken den Kommentatoren Uwe Sielert und Michael Haspel, dem Redakteur Rainer Schröter mit Nora Katte und Christina Petri, für Schreibarbeiten Jeanette Pimper und Ulrike Rau. Für einen Beitrag zu den Druckkosten danken wir dem Freundeskreis Marburger Theologie e.V., der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und der Evangelischen Kirche im Rheinland. Wir möchten mit diesem Band einen großen Gelehrten, Organisator und Berater ehren. Am 24. April 2004 vollendete Siegfried Keil sein 70. Lebensjahr.

Peter Borscheid, Wolfgang Nethöfel
Institut für interdisziplinäre Gerontologie und angewandte Sozialethik

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