Cover-Bild Das Ornament der Masse
(1)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Charaktere
13,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Suhrkamp
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: keine Angabe / keine Angabe
  • Seitenzahl: 352
  • Ersterscheinung: 01.02.1977
  • ISBN: 9783518368718
Siegfried Kracauer

Das Ornament der Masse

Essays
Knabe und Stier. Zwei Flächen. Analyse eines Stadtplans. Die Photographie. Die Reise und der Tanz. Das Ornament der Masse. Über Erfolgsbücher und ihr Publikum. Die Biographie als neubürgerliche Kunstform. Aufruhr der Mittelschichten. Die Wartenden. Die Gruppe als Ideenträger. Die Hotelhalle. Die Bibel auf Deutsch. Katholizismus und Relativismus. Die Wissenschaftskrisis. Georg Simmel. Zu den Schriften Walter Benjamins. Franz Kafka. Kalikowelt. Die kleinen Ladenmädchen gehen ins Kino. Film 1928. Kult der Zerstreuung. Langeweile. Abschied von der Lindenpassage.

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.01.2022

„Katzen in Großaufnahme wesen in den Salons.“ (275)

0

Bei Kracauer sollte man wie bei einem Adler auf eine beträchtliche Spannweite gefasst sein, wobei die Reichweite oft begrenzt war, was nicht selten an der Aufnahmefähigkeit eines breiten Publikums gelegen ...

Bei Kracauer sollte man wie bei einem Adler auf eine beträchtliche Spannweite gefasst sein, wobei die Reichweite oft begrenzt war, was nicht selten an der Aufnahmefähigkeit eines breiten Publikums gelegen hat. Die vorliegende Auswahl von zwei Dutzend Artikeln, die von 1920 (Nr.16 über Georg Simmel, 209-48) bis 1931 (Nr.9, Aufruhr der Mittelschichten, 81-105) in der FZ (dem Vorgänger der FAZ) erschienen waren, besorgte der Meister (1889-1966) noch selbst und Suhrkamp nahm bei der Publikation zwei Anläufe - 1963 und 1977 (st 371). Letzterer erreichte 2021 die 14. Auflage, ersterer blieb vom Kollegen Adorno nicht unkommentiert - „wir sind seit meiner Jugend miteinander befreundet“, heißt es in einem Vortrag Adornos beim Hessischen Rundfunk vom 7.2.1964, der Kracauer als „wunderlichen Realist(en)“ und „participant observer“ (96) zu fassen versuchte (Noten zur Lit. III, 83-108), ihm auch ein „Nachdenken auf eigene Faust“ bescheinigte, in Verbindung mit einem „antisystematischen Zug seines Denkens“ zugunsten „eines verspielten Vergnügens am hübschen Einfall“ (85f), wenn nicht gar „Desinteresse an allem bloß Gelehrten (...), soupcon gegen Theorie“ sowie gegen den „schlechte(n) Bann, den Gedanken ausüben“ können. (91) Als man sich 1995 in Harvard entschloss, diese Kollektion durch Thomas Levin übersetzen, herausgeben und mit einer Einführung versehen zu lassen, holte die Reichweite gegenüber der Spannweite weiter auf, auch weil „der vom Inkommensurablen Besessene“ (Adorno, 93) inzwischen geradezu den Zeitgeist verkörperte, also v.a. seine „free-associational curiosity“, seine „idiosyncratic glosses (that) are supple, at times lyrical, meditations on cultural transition“, „musings of an inveterate flaneur, a rapt spectator and an inexorable detective.“ (harvard.edu) Im Nachwort der deutschen Wiederauflage 1977 schätzte Karsten Witte den Rang des Autors so ein: „Kracauers wichtigster Beitrag ist, dass sein Blick auf die Randzonen der Hochkultur fiel und sich den Medien der populären Kultur zuwandte: Kino, Straßen, Sport, Operette, Revue, Reklame und Zirkus. Die Klammer vom frühen zum späten Werk ist die Intention, aus ephemeren Kulturphänomenen gleichzeitige gesellschaftliche Tendenzen zu dechiffrieren.“ (336f) Ähnlich wie Wolfgang Koeppen oder Robert Spaemann gehörte Kracauer zur Gruppe der eingeschworenen Feinde von jeder Art primitiver Naturalismus, wie er auch heute wieder überall am Werk ist und den Kracauer insbesondere in den Erzeugnissen von Technik und Medien gesteigert und propagiert fand - das Schlüsselwort Ornament erweist sich dabei geradezu als Trägerreagenz solcher Art manipulativer Propaganda. Am Beispiel einer Photographie der Großmutter im Fotoalbum zeigt Kracauer die manipulative mediale Entleerung des eigentlich verehrungswürdigen individuellen Gegenstandes der Abbildung und registriert nur noch „den räumlichen Abklatsch der Personen“: Die Photographie „vernichtet ihn (den Dargestellten), indem sie ihn abbildet.“ „Nun geht das Bild wie die Schlossfrau durch die Gegenwart“ und „die Photographie wird zum Gespenst, weil die Kostümpuppe gelebt hat“ (31f), reduziert auf „seine() Naturbeschaffenheit“, medial umgeben nur noch „von dem Scheinzusammenhang seiner Individualität.“ (26) Den Zeitgenossen Kracauers begegneten in den „photographische(n) Wochenration(en)“ der Illustrierten „eines der mächtigsten Streikmittel gegen die Erkenntnis“ (34), dass „unter der Photographie eines Menschen (...) seine Geschichte wie unter einer Schneedecke vergraben (ist)“. (26) Denn „die Züge der Menschen sind allein in ihrer ´Geschichte´ erhalten.“ (32) Die Mächte der Mechanisierung „deuten über Raum und Zeit nicht hinaus. Sie sind von Gnaden eines Intellekts, der die Gnade nicht kennt. (...) Dieser abgelöste Intellekt zeugt die Technik und erstrebt eine Rationalisierung des Lebens, die es der Technik zugeordnet sein lässt. Da er aber eine solche radikale Einebnung des Lebendigen nur unter Preisgabe der geistigen Bestimmung des Menschen erreichen kann, (...) um den Menschen so glatt und geleckt wie ein Auto zu machen, ist mit dem von ihm geprägten maschinell-figürlichen Getriebe ein wirklicher Sinn ohne weiteres nicht zu verbinden. Das Technische wird sich darum Selbstzweck, und eine Welt entsteht, die, vulgär gesprochen, nichts anderes begehrt als die größtmögliche Technisierung alles Geschehens.“ (45) Aber auch „das Ornament ist sich Selbstzweck“ (52) und es wurde in Kracauers Tagen mutmaßlich von „de(n) amerikanischen Zerstreuungsfabriken“ (50) propagiert. „Massenfreiübungen“ werden unterfüttert von „Kalkulabilität“ - „der Mensch als Massenteilchen allein kann reibungslos an Tabellen emporklettern und Maschinen bedienen. Das gegen Gestaltungsunterschiede indifferente System führt von sich aus zur Verwischung nationaler Eigenarten (...) an allen Punkten der Erde.“ (53)
Michael Karl

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Charaktere