Band 4
der Reihe "Forschungen und Berichte zur Archäologie in Baden-Württemberg"
65,00
€
inkl. MwSt
- Verlag: Reichert, L
- Themenbereich: Geschichte und Archäologie
- Genre: keine Angabe / keine Angabe
- Seitenzahl: 365
- Ersterscheinung: 10.10.2017
- ISBN: 9783954902309
Gammertingen, St. Michael
Auswertung der archäologischen Ausgrabungen insbesondere unter herrschafts-, siedlungs- und landesgeschichtlicher Fragestellung
Die am Nordrand der schwäbischen Kleinstadt Gammertingen gelegene baulich unscheinbare Michaelskapelle wurde im Jahr 1981 fast vollständig archäologisch untersucht. Schon im Vorbericht wurde deutlich, dass die Kapelle in vorstädtische Zeit zurückreichte und auf eine herrschaftliche Eigenkirche zurückgehen dürfte. Dies kann nun konkretisiert werden: Die Michaelskapelle entstand im 10. Jahrhundert auf einer den Grafen von Gammertingen zuzuordnenden Niederungsburg, deren Kernburg aus zwei miteinander verbundenen und von einem gemeinsamen Graben umgebenen künstlich aufgeschütteten Hügeln bestand. Während auf dem in den benachbarten Flusslauf hineingebauten Osthügel das herrschaftliche Wohngebäude zu rekonstruieren ist, war der unscheinbarere Westhügel der sakralen Nutzung zugeordnet. Mit dem um 980 errichteten ersten massiven Kirchenbau beginnt unmittelbar die Nutzung als Familiengrablege der ansässigen Hochadelssippe. Die acht erfassten Bestattungen konnten über molekulargenetische Untersuchungen zu einem vier Generationen umfassenden Stammbaum zusammengefügt werden. Die offenbar nach festem Belegungsmuster bestatteten Toten sind mit den jeweiligen männlichen Familienoberhäuptern identisch oder im ersten Grad blutsverwandt. Im Verbund mit der Gräberstratigrafie und radiometrischen Untersuchungen der Gebeine lassen sich für die Belegungszeit des 10./11. Jahrhunderts sehr exakte Datierungen formulieren, was auch Auswirkungen auf die Chronologie der in den Gräbern gefundenen Keramik hat.
Der Zentralbefund Erbgrablege steht nicht allein, sondern ist in eine Entwicklung eingebunden, die mit einem ersten Herrenhof des mittleren 7. Jahrhunderts beginnt, in dessen Umfeld in größerem Maßstab Eisenverhüttung betrieben wurde. Nach einer „goldenen Generation“ der Gammertinger Grafen in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts, die die neue Höhenburg Baldenstein errichten ließ und die Michaelskapelle zur Basilika mit Seitenturm ausbaute, begann ein schleichender Niedergang, der mit dem Aussterben der Grafen in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts seinen Schlusspunkt fand. Nur mit Glück blieb der ausgebrannte Torso der gräflichen Eigenkirche erhalten, bis in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts die Gründung der Stadt Gammertingen erfolgte. Die Michaelskapelle wurde als Schlosskapelle in den stadtherrschaftlichen Bezirk miteingebunden und erbrachte als solche bis in die Neuzeit hinein relevante Befunde zur Stadt-, aber auch zur Landesgeschichte.
Die Arbeit zeigt, dass eine interdisziplinär und methodenbewusst aufgestellte Archäologie in der Lage ist, das herrschaftsgeschichtlich effektiv immer noch „dunkle Zeitalter“ vor dem Einsetzen einer der etwas breiteren klösterlich getragenen Schriftüberlieferung im späteren 11. Jahrhundert deutlich zu erhellen. Auch wenn es erwartungsgemäß nicht gelang, eine direkte Verbindung vom spangenhelmtragenden „Fürst von Gammertingen“ des späten 6. Jahrhunderts bis zu den Grafen des Hochmittelalters zu knüpfen, kann der Befund von Gammertingen doch paradigmatische Bedeutung beanspruchen – in dem Sinn, dass die in den frühen Schriftquellen noch nicht aufscheinende Bedeutung lokaler Kontinuität für die Frage nach der Entstehung des hochmittelalterlichen Adels gleichwohl prominent mitbedacht werden muss.
Der Zentralbefund Erbgrablege steht nicht allein, sondern ist in eine Entwicklung eingebunden, die mit einem ersten Herrenhof des mittleren 7. Jahrhunderts beginnt, in dessen Umfeld in größerem Maßstab Eisenverhüttung betrieben wurde. Nach einer „goldenen Generation“ der Gammertinger Grafen in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts, die die neue Höhenburg Baldenstein errichten ließ und die Michaelskapelle zur Basilika mit Seitenturm ausbaute, begann ein schleichender Niedergang, der mit dem Aussterben der Grafen in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts seinen Schlusspunkt fand. Nur mit Glück blieb der ausgebrannte Torso der gräflichen Eigenkirche erhalten, bis in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts die Gründung der Stadt Gammertingen erfolgte. Die Michaelskapelle wurde als Schlosskapelle in den stadtherrschaftlichen Bezirk miteingebunden und erbrachte als solche bis in die Neuzeit hinein relevante Befunde zur Stadt-, aber auch zur Landesgeschichte.
Die Arbeit zeigt, dass eine interdisziplinär und methodenbewusst aufgestellte Archäologie in der Lage ist, das herrschaftsgeschichtlich effektiv immer noch „dunkle Zeitalter“ vor dem Einsetzen einer der etwas breiteren klösterlich getragenen Schriftüberlieferung im späteren 11. Jahrhundert deutlich zu erhellen. Auch wenn es erwartungsgemäß nicht gelang, eine direkte Verbindung vom spangenhelmtragenden „Fürst von Gammertingen“ des späten 6. Jahrhunderts bis zu den Grafen des Hochmittelalters zu knüpfen, kann der Befund von Gammertingen doch paradigmatische Bedeutung beanspruchen – in dem Sinn, dass die in den frühen Schriftquellen noch nicht aufscheinende Bedeutung lokaler Kontinuität für die Frage nach der Entstehung des hochmittelalterlichen Adels gleichwohl prominent mitbedacht werden muss.
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