1964 kommt der Italiener Lucio Paradiso nach Deutschland, um als Gastarbeiter zu arbeiten und sich mit dem Geld in seiner Heimat den Traum einer eigenen Eisdiele zu erfüllen, während in Venezien Tiziana auf seine Rückkehr wartet. Aber wie es das Schicksal will, trifft Lucio mit Monika die Liebe seines Lebens…
2018. Susanne Werner hat die 50 bereits überschritten und arbeitet als Tischlerin und Restauratorin. Die Auflösung des 70er Jahre Interieurs einer bereits geschlossenen Eisdiele hat ihr Interesse geweckt, weshalb sie ins Bergische Land reist, um die Möbel zu begutachten und vielleicht ein Schnäppchen zu machen. Die Stewardess Francesca Adler verkauft mit dem Nachlass das Erbe ihres Vaters. Während der Besichtigung der Stücke findet Susanne das Foto des früheren Ladeninhabers und muss feststellen, dass sie ihm sehr ähnlich sieht. Schon lange sucht Susanne nach ihren leiblichen Eltern, denn sie wurde zur Adoption freigegeben. Auch Francesca ist die Ähnlichkeit zwischen Susanne und ihrem Vater Lucio aufgefallen. Deshalb setzt sie ihre vermeintliche Halbschwester Susanne kurzerhand vor die Tür, um nur ja nicht an einem alten Geheimnis zu rühren. Aber sie hat nicht mit Susannes Hartnäckigkeit gerechnet, denn diese reist nach Italien, um sich auf Spurensuche zu begeben…
Stefanie Gerstenberger hat mit „Gelateria Paradiso“ einen tiefgründigen und gefühlvollen Roman vorgelegt, der mit einem eingängigen und fesselnden Schreibstil den Leser schnell in seinen Bann zieht und nicht wieder loslässt. Die eingestreuten italienischen Redewendungen sowie die Lebensart und die Köstlichkeiten lassen die Geschichte noch authentischer wirken, wobei auch die Recherchearbeit der Autorin mit einem Adoptivkind und ehemaligen Gastarbeitern sowie realistische Beschreibungen der damaligen Lebensverhältnisse dazu beitragen. Die Beschreibung der Örtlichkeiten sind farbig und bildgewaltig, gerne folgt der Leser der Einladung, sich in das mediterrane Italien zu begeben, um dort vor Ort die Protagonisten zu beobachten und auch das Geheimnis zu ergründen. Durch gut platzierte Perspektivwechsel zwischen Francesca und Susanne sowie den Einblick in Lucios Vergangenheit erhält der Leser einen sehr guten Eindruck in die so unterschiedlich verlaufenen Leben sowie in die Gedanken- und Gefühlswelt, wodurch auch die so verschiedenen Verhaltensweisen der beiden Frauen zwar nachvollziehbar und verständlich sind, wenngleich sie auch nicht immer sympathisch sein müssen. Sehr geschickt strickt die Autorin ein altes Familiengeheimnis, an dem mancher fast zerbrochen wäre.
Die Charaktere sind sehr schön portraitiert und mit viel Leben versehen worden. Sie wirken glaubhaft, individuell und sehr authentisch, was es dem Leser leicht macht, sich ihnen nah zu fühlen, sich in sie hineinzuversetzen und mit ihnen zu fiebern. Susanne hatte eine unschöne Kindheit als ungeliebtes Adoptivkind. Sie ist eine sehr sympathische Frau, die immer auf der Suche ist. Sie ist fleißig und offen, aber auch stur. Mit Francesca muss man als Leser erst warm werden, denn sie wirkt sehr selbstbezogen, gierig und intrigant, aber auch verloren und einsam. Obwohl sie beruflich erfolgreich ist, ist es gerade die von ihr verströmte Lieblosigkeit, die den Leser immer wieder hinterfragen lässt, was ihr wohl Schlimmes passiert sein mag. Lucio ist ein Mann, dessen Leben arbeitsreich, aber auch geheimnisvoll ist. Aber auch Lennart, Tiziana und Monika tragen ihren Teil dazu bei, dass die Handlung immer im Fluss und durchweg spannend bleibt.
„Gelateria Paradiso“ ist ein wunderschöner und gefühlvoller Roman über ein altes Familiengeheimnis, eine Zeitreise in ein Stück deutscher Geschichte und viel italienischem Flair. Herrlich erzählt, so dass man das Buch gar nicht aus der Hand legen mag und enttäuscht ist, sobald die letzte Seite gelesen ist. Hierfür gibt es eine absolut verdiente Leseempfehlung!