Eine Studentin am Bauhaus zwischen Aufbruch und Vorurteilen
Weimar im Jahr 1921: Luise Schilling ist die Tochter einer großbürgerlichen Familie aus Berlin, die es sich in den Kopf gesetzt hat, Architektin zu werden. Mit Mühe hat sie ihre Eltern überzeugt, sie am ...
Weimar im Jahr 1921: Luise Schilling ist die Tochter einer großbürgerlichen Familie aus Berlin, die es sich in den Kopf gesetzt hat, Architektin zu werden. Mit Mühe hat sie ihre Eltern überzeugt, sie am Bauhaus studieren zu lassen. Dort muss sie feststellen, dass ihre Ambitionen von einigen Männern belächelt werden. Um dem geheimnisvollen Jakob näher zu kommen, in den sie sich verliebt hat, schließt sie sich der Gruppe rund um den einflussreichen Johannes Itten an, die Anhänger des Mazdaznan, einer religiösen Lehre, sind. Wie wird sich Luise am Bauhaus schlagen?
Ich war vor einiger Zeit in Weimar und habe mich dort mit dem Bauhaus auseinandergesetzt. Deshalb war meine Neugier schnell geweckt, als ich las, dass dieses Buch den Leser mit in die 1920er Jahre nach Weimar nimmt und an der Seite einer Studentin das Bauhaus erkunden lässt. Das Cover zeigt ein nachkoloriertes Bauhaus-Foto, auf dem die Studenten unbeschwert in die Kamera schauen. So muss sich auch die fiktive Protagonistin Luise gefühlt haben, als sie endlich ihrer traditionell denkenden Familie entkommen ist und in Weimar den Vorkurs beginnt.
Luise hat das Ziel, Architektin zu werden, doch bald lenken andere Dinge sie von ihren Bemühungen ab. Als sie sich verliebt, schließt sie sich den berüchtigten „Kuttenträgern“ rund um Johannes Itten an. Dieser hat zwar keine allzu hohe Meinung von ihren Fähigkeiten und auf die Rituale rund um das praktizierte Mazdaznan hat sie wenig Lust, doch so kann sie Jakob nahe sein. Letzterer zeigt Interesse, lässt sie jedoch zappeln.
Luise wirkte auf mich oft wie eine Mitläuferin, die in ihrem Wunsch, dazuzugehören, beinahe sich selbst verleugnet. Doch im entscheidenden Moment findet sie dann doch wieder zu sich selbst zurück. Sie rebelliert nie energisch, sondern sucht sich still ihren Weg, zum Beispiel indem sie in einer Werkstatt arbeitet, für die sie nicht vorgesehen ist, die Pläne ihres Bruders für sie kommentarlos ignoriert und mit dem Direktor Walter Gropius über ihre Ideen spricht. Doch nicht alles führt zum Erfolg, ihre Entscheidungen ziehen auch Entbehrungen und Enttäuschungen nach sich.
Während der Zeit in Weimar, in Dessau und auch bei Ausflügen nach Berlin erlebt man als Leser die verschiedensten Facetten der Weimarer Republik. Luise begegnet überzeugten Kommunisten, einem Studenten aus Palästina, Sympathisanten des nationalistischen Gedankenguts und gänzlich Unpolitischen und erlebt eine Welt zwischen Großbürgertum und Armut, Emanzipation und Diskriminierung, Tradition und Aufbruch, Fleiß und Exzess.
Der Autorin vermittelte mir ein umfassendes Bild der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Ich hatte aber teils den Eindruck, dass sie den Anspruch verfolgt, auf den 250 Seiten alles möglichst vollumfänglich darzustellen. Ich hätte mir stattdessen noch mehr Einblicke ins Bauhaus wie ausführlichere Begegnungen mit historischen Persönlichkeiten wie Klee oder Kandinsky gewünscht. Mit dem titelgebenden Abschluss von Luises Bauhaus-Zeit konnte die Autorin mich auf den letzten Seiten überraschen. Anhand einiger Dokumente erfährt man schließlich in aller Kürze, wie es Luise in den Jahrzehnten danach ergangen ist.
In „Blaupause“ erlebt der Leser an der Seite der fiktiven Luise die Bauhaus-Zeit in Weimar und Dessau. Sie trifft auf so manche historische Persönlichkeit und ihr Wunsch nach Zugehörigkeit und Unterhaltung ist oft größer als ihr Wille zum Erfolg in einer Umgebung, die so manche Vorurteile gegen Frauen hat. Man erfährt viel über die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Ich hätte mir aber noch tiefere Einblicke in das Arbeiten am Bauhaus gewünscht. Das Buch bietet eine interessante Perspektive auf die Zeit der Weimarer Republik, für die ich sehr gute vier Sterne vergebe.