Ein wichtiger, faszinierender Text
Meine Meinung:
Nachdem die Buchhändlerin und Bookfluencerin Maria-Christina Piwowarski anfangs 2021 unter dem Hashtag #tovelesen die neu übersetzte Kopenhagen-Trilogie ins Bewusstsein der ganzen deutschsprachigen ...
Meine Meinung:
Nachdem die Buchhändlerin und Bookfluencerin Maria-Christina Piwowarski anfangs 2021 unter dem Hashtag #tovelesen die neu übersetzte Kopenhagen-Trilogie ins Bewusstsein der ganzen deutschsprachigen Buchbubble gebracht hat, sind die Bücher mittlerweile aus keinem Instagram-Feed und Buchblog wegzudenken. Endlich habe ich den ersten Band der Trilogie gebraucht kaufen können. Es ist absolut schade, dass diese Bücher nicht viel früher mehr Aufmerksamkeit begonnen haben und ich bin um so glücklicher, die packende, aus dem Leben gegriffene und ungeschönte Erzählsprache der dänischen Autorin entdeckt zu haben.
Spannend: Ditlevsen erzählt autofiktional aus einer/ihrer Kindheit im Kopenhagen der 1920er Jahren. Klingelt das bei jemandem? Erst gerade habe ich "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" von Eeva-Liisa Manner gelesen, das im Finnland der 1920er/1930er spielt. Ich lese immer parallel und normalerweise bringe ich auch noch so ähnliche Geschichten nicht durcheinander. Bei diesen beiden Büchern ist es mir auf den ersten paar Seiten wirklich schwer gefallen, sie auseinanderzuhalten, weil die Zeit, die Lebensumstände der jeweiligen Protagonistin und vor allem auch die Sprache der Autorinnen sich so ähnlich sind. Manner ist viel lyrischer und Ditlevsen erzählt direkter und auch schonungsloser und nach einigen Kapiteln entwickelt sich die Geschichte der jungen Protagonistin ganz anders, aber man bemerkt doch, dass die beiden Geschichten zu einer ähnlichen Zeit spielen
Die Protagonistin will unbedingt schreiben, aber der Vater sagt ihr, dass Mädchen keine Dichter sein können. Um keine negative Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, stellt sie sich unwissend, träumt vor sich hin und geht unbeirrbar ihren Weg. Die Umstände sind schwierig, der Vater ist ohne Arbeit, die Mutter scheint ohne Liebe und der Bruder ist krampfhaft dabei, sich von der Familie abzunabeln.
Ich habe einige Kritik an der Sprache und dem starken autobiographischen Part gelesen und ja, das kann man mögen oder nicht und ja, ich wüsste nichts über Ditlevsens Leben, wenn Piwowarski deren Werk nicht pausenlos in die Kamera gehalten hätte...aber: Ditlevsen konnte schreiben. Ein Text aus weiblicher Feder, der vor etwa siebzig Jahren enstanden ist und so packend erzählt und so viel Freiheitsdrang und Unabhängigkeit ausstrahlt, ist wirklich aussergewöhnlich und mir hat er auch noch sehr gut gefallen.
Meine Empfehlung:
Die ersten paar Seiten haben mich gefordert, weil ich mich auf die Sprache und die Geschichte einlassen musste, aber ich habe diesen Text sehr gerne gelesen und freue mich sehr auf die Folgebände. Und vor allem anerkenne ich, wie aussergewöhnlich und ihrer Zeit voraus Ditlevsen geschrieben und erzählt hat und bin froh, dass die Autorin mehr Aufmerksamkeit bekommt und dass vielleicht dadurch auch generell vermehrt nach weiblichen Texten aus den letzten Jahrhunderten gegriffen wird.