24,00
€
inkl. MwSt
- Verlag: Manutius
- Themenbereich: Philosophie und Religion
- Genre: keine Angabe / keine Angabe
- Seitenzahl: 230
- Ersterscheinung: 30.04.2024
- ISBN: 9783944512310
Gründe der Freiheit
Kant und Hegel begriffen die Französische Revolution als einen Epochen-
umbruch, wie auch Goethe, der im Unterschied zu diesen den Epochen-
umbruch jedoch auch als einen Schiffbruch sehen wollte – in allen irdi-
schen Dingen sah er das gleiche Aufsteigen und Vergehen und verglich
dieses mit dem »Wasser, das durch ein Schiff verdrängt wird« und das
dann »gleich hinter ihm wieder zusammenstürzt«. Auch das war schön
gesagt. Sein geschichtsphilosophischer Kommentar von der spurlosen Bahn
dessen, was die Zeitgenossen Fortschritt nannten, lässt sich als das Bild
einer historischen Ernüchterung lesen, die dem »Geschichtsstolz des aus-
gehenden Jahrhunderts der Aufklärung ... auf die Fortgängigkeit der einmal
aufgefundenen Wege« die einfache These entgegenhält: Das Meer der
Geschichte kennt keine Spuren von Gewesenem. »Fortschritte wie Unter-
gänge hinterlassen dieselbe unberührte Oberfläche.«
Von der friedlichen Revolution im Jahr 1989 hat kein bedeutender
Denker so gesprochen. Wenngleich es sich auch hier um eine ›große
Umwälzung‹ gehandelt hat, schließlich hat genau 200 Jahre nach der gro-
ßen Revolution der Franzosen der Sozialismus die Bühne der Weltgeschich-
te verlassen – und wurde ins Meer der Geschichte verklappt. Allenfalls
von einer ›nachholenden Revolution‹ war die Rede. Und auch dies nur
verhalten. Enthusiasmus sieht anders aus. Dieser hielt sich in engen Gren-
zen – jedenfalls bei den Denkern und hier wiederum besonders bei jenen,
die die Geschichte aus der Perspektive des ›Kammerdieners‹ betrachteten.
Dies erstaunte mich – damals. Ich war davon überzeugt: Im Jahr 1989 ist
nicht nur der alte Osten von der Bühne der Weltgeschichte verschwunden,
sondern auch der alte Westen – nur hat dies bis heute fast niemand bemerkt.
Und ich bin auch heute noch davon überzeugt. Das 20. Jahrhundert, das
Historiker auch das ›Zeitalter der Extreme‹ nannten, ging in den Herbst-
tagen des Jahres 1989 zu Ende – mit Konsequenzen, die bis in unsere
Gegenwart reichen und vermutlich über diese hinaus. Was damals vor-
schnell das ›Ende der Geschichte‹ genannt wurde, war in Wahrheit der
Beginn des 21. Jahrhunderts, das vielleicht einmal als das Ende des alten
Europas und das Jahrhundert Chinas in die Geschichtsbücher eingehen
wird.
umbruch, wie auch Goethe, der im Unterschied zu diesen den Epochen-
umbruch jedoch auch als einen Schiffbruch sehen wollte – in allen irdi-
schen Dingen sah er das gleiche Aufsteigen und Vergehen und verglich
dieses mit dem »Wasser, das durch ein Schiff verdrängt wird« und das
dann »gleich hinter ihm wieder zusammenstürzt«. Auch das war schön
gesagt. Sein geschichtsphilosophischer Kommentar von der spurlosen Bahn
dessen, was die Zeitgenossen Fortschritt nannten, lässt sich als das Bild
einer historischen Ernüchterung lesen, die dem »Geschichtsstolz des aus-
gehenden Jahrhunderts der Aufklärung ... auf die Fortgängigkeit der einmal
aufgefundenen Wege« die einfache These entgegenhält: Das Meer der
Geschichte kennt keine Spuren von Gewesenem. »Fortschritte wie Unter-
gänge hinterlassen dieselbe unberührte Oberfläche.«
Von der friedlichen Revolution im Jahr 1989 hat kein bedeutender
Denker so gesprochen. Wenngleich es sich auch hier um eine ›große
Umwälzung‹ gehandelt hat, schließlich hat genau 200 Jahre nach der gro-
ßen Revolution der Franzosen der Sozialismus die Bühne der Weltgeschich-
te verlassen – und wurde ins Meer der Geschichte verklappt. Allenfalls
von einer ›nachholenden Revolution‹ war die Rede. Und auch dies nur
verhalten. Enthusiasmus sieht anders aus. Dieser hielt sich in engen Gren-
zen – jedenfalls bei den Denkern und hier wiederum besonders bei jenen,
die die Geschichte aus der Perspektive des ›Kammerdieners‹ betrachteten.
Dies erstaunte mich – damals. Ich war davon überzeugt: Im Jahr 1989 ist
nicht nur der alte Osten von der Bühne der Weltgeschichte verschwunden,
sondern auch der alte Westen – nur hat dies bis heute fast niemand bemerkt.
Und ich bin auch heute noch davon überzeugt. Das 20. Jahrhundert, das
Historiker auch das ›Zeitalter der Extreme‹ nannten, ging in den Herbst-
tagen des Jahres 1989 zu Ende – mit Konsequenzen, die bis in unsere
Gegenwart reichen und vermutlich über diese hinaus. Was damals vor-
schnell das ›Ende der Geschichte‹ genannt wurde, war in Wahrheit der
Beginn des 21. Jahrhunderts, das vielleicht einmal als das Ende des alten
Europas und das Jahrhundert Chinas in die Geschichtsbücher eingehen
wird.
Meinungen aus der Lesejury
Es sind noch keine Einträge vorhanden.