Friedrichshain, du meine Hoffnung
So wie heute die coolen Berliner auf Friedrichshain, das angesagteste Viertel überhaupt, ihre Hoffnung, nein: vielmehr ihre Zukunft setzen, so setzten in den frühen Jahren der DDR auch manche ...
So wie heute die coolen Berliner auf Friedrichshain, das angesagteste Viertel überhaupt, ihre Hoffnung, nein: vielmehr ihre Zukunft setzen, so setzten in den frühen Jahren der DDR auch manche derer, die damals an diese Staatsform glaubten - und auch einige, die dies nicht taten, alles, was möglich war, darauf. Besonders auf die Karl-Marx-Allee, die zunächst Stalinallee hieß und etwas ganz Großes werden sollte - aus dem Schutt und Staub, zu dem Berlin auch in diesem Stadtteil im Zweiten Weltkrieg geworden war, sollten neue Gebäude, wahre Prachtbauten, wie Phönix aus der Asche aufsteigen. Kurzum: hier sollte die neue Prachtallee der DDR entstehen, die bis ins Herz der Stadt, nach Mitte also, führen sollte.
Die Autoren Ulrike Gerold und Wolfram Hänel beschreiben in ihrem Roman "Allee unserer Träume" das Schicksal der Architektin Ilse, die Teil des Teams ist, das diese Allee plant und zu errichten beginnt - auch über Ilses Leben vor und nach dieser Zeit. Ilse war eine von denen, die eher in die Sache hineingerieten - von der Staatsform als solcher war sie nicht überzeugt: was für sie wichtig war, war die Realisierung ihrer Ideale in ihrem Spezialbereich, der Architektur.
Fiktive Schicksale sind es, die die Autoren schildern, doch hinter allem steckt ein Körnchen Wahrheit - wenn auch Lichtgestalten der DDR-Architektur wie Hans Scharoun nicht im Roman vorkommen, haben er und seine Kollegen doch jeweils ein Pendant im Roman. Eines, das zwar nicht unbedingt 1:1 an das jeweilige "Vorbild" angelehnt ist, aber sich in das Team fügt, zu dem Besonderen, was daraus und aus der Arbeit wird, beiträgt.
Ilse ist die einzige Frau des Teams und auch, wenn sie als Architektinnicht wie heute ihren Weg gehen kann, steht sie ihren Mann - auf eine sehr eigene, verwegene Art und Weise.
Ilses Schicksal hat - wie man sich denken kann - Höhen und Tiefen, ebenso wie die Beschreibung ihrer Person. Manche Ausführungen werden zu sehr in die Länge gezogen, dagegen werden andere Stationen ihres Lebens, die möglicherweise wichtig gewesen wären, nur nebensächlich abgehandelt. Die Zeit der Nationalsozialisten kommt fast gar nicht zur Sprache. Und so kann sich der Leser ein nur unvollständiges Bild davon machen, was Ilse und die andere Figuren bewegte, was sie prägte und was sie abstieß.
Ein unglaublich spannendes Thema "verbraten" die beiden Autoren in diesem Roman, doch leider, leider vermögen sie - zumindest aus meiner Sicht - nicht durchgehend, es vollkommen auszufüllen, ihm Leben einzuhauchen, den Leser zu bewegen, ihn ins (Ost)Berlin der 1950 Jahre zu versetzen. Dabei hätten einige wenige Sätze an der ein oder anderen Stelle, auch das Weglassen manch anderer Ausführungen genügt, um dies zu ändern.
Eine spannende Zeit, über die hier ein nicht ganz so spannender Roman geschrieben wurde! Dennoch - es sollte jeder Leser entscheiden, ob ihm das alles reicht, oder ob ihm zu viel fehlt. Für mich ist dies ein vielversprechender Roman, aus dem wesentlich mehr hätte werden können!