"Drei können ein Geheimnis behalten, wenn zwei tot sind..."
Ein Jahr ist Phils Tod nun schon her und DCI Karen Pirie von der Einheit der Historical Cases kann immer noch nicht wieder schlafen. Auch ihre neue Vorgesetzte macht ihr das Leben schwer und setzt ihr ...
Ein Jahr ist Phils Tod nun schon her und DCI Karen Pirie von der Einheit der Historical Cases kann immer noch nicht wieder schlafen. Auch ihre neue Vorgesetzte macht ihr das Leben schwer und setzt ihr einen Spitzel in die kleine Einheit aus Jason und ihr. Karen ist schleierhaft, warum sie auf der Abschußliste steht. Aktuell ermittelt sie in einem Fall brutaler Vergewaltigungen und Morden an Prostituierten in den 80er Jahren. Nachdem Tod eines Opfers bricht eine Zeugin das Schweigen und neue Beweise kommen ans Licht. Während sie diesen verblassenden Spuren nachgeht, führt es sie soweit in den Norden, dass ihre Freundin River sie unmittelbar an einem Tatort im Moor anfordert. Im Jahre 1944 wurden Kriegsschätze im Moor vergraben, die die Enkelin mithilfe einer Schatzkarte ihres verstorbenen Großvaters suchte. Doch zwischen den Oldtimermaschinen findet sich auch eine Leiche und deren Turnschuhe, sind deutlich jüngeren Datums und wurden 1995 Kult. Anders als sonst lässt Karen aber auch ein Gespräch nicht los, das sie in einem Café belauscht hat und das sämtliche Alarmglocken bei ihr losschrillen lies. Sie meldet ihrem alten Freund Jimmy, dem Leiter der Abteilung für Gewaltprävention, dass sie befürchtet, dass eine enttäuschte Ehefrau bereits jetzt das Entlastungsalibi für den kommenden Mord an ihrem Ehemann plane...
Dass zwei Fälle miteinander verknüpft werden, ist in Krimis und Thrillern eigentlich gängige Praxis. Natürlich haben Ermittler so viel zu tun und zwischendurch müssen sie frustriert Rumsitzen und Warten, bis forensische Ergebnisse vorliegen, dass genügend Zeit für einen weiteren Fall bleibt. Hier war es jedoch der 3. Fall der zuerst meine Aufmerksamkeit erregte, der Fall, der nicht in der Vergangenheit spielt, weder 1944, noch 1995 oder in den 80ern, nein, der sich wahrscheinlich erst in der Zukunft ereignet wird. In einer Zeit in der forensische Kniffe dank zahlreicher Krimiserien jedem Bürger bekannt seinen können und bei der Planung der Tat berücksichtigt werden können. Bei Altfällen müssen die Ermittler oft alte Beweise mit neuer Technik bearbeiten und sich Gedanken machen, welche Möglichkeiten dem Täter damals zur Verfügung standen und wie er eigentlich damals plante, so ganz ohne Internet. Hier treffen zwei völlig verschiedene Vorgehensweisen aufeinander, sowohl technisch, als auch psychologisch, was ich sehr interessant finde.
DCI Karen Pirie ist ein spröder Charakter, nicht so angelegt, dass sich das Leserherz ihr sofort öffnet. Dennoch gelingt es ihr nach und nach durch ihre unerschütterliche Hartnäckigkeit wenn es um die Nachverfolgung der winzigsten Hinweise geht, um Gerechtigkeit und Gewissheit nach vielen Jahren für die Hinterbliebenen zu finden. Sie glaubt an das was sie tut, an seinen Sinn, seine Bedeutung, die ihr wichtiger sind, als Beliebtheit oder Karriere. In diesem Fall wirkt sie aber erstaunlich weiblich und verletzlich. Sie ist sogar selbst überrascht, über die irrationalen Gefühle, die sie erwischen und damit meine ich nicht ihre Fehde mit ihrer Vorgesetzten genannt, der Hundekuchen. Neben Hartnäckigkeit, Akribie und einem weitverzweigten Netz an kompetenten Spezialisten helfen Karen und ihrem Assistenten Jason auch Intuition und etwas Glück. Manchmal muss man nicht nur den richtigen Riecher haben, sondern auch noch dazu am passenden Schild vorbei fahren... Da Böse zeigt hier in diesen Fällen viele Gesichter, durch alle Zeiten und nicht zuletzt in den Taten der Kriegsbeuten, die bisweilen auch heute noch stolz an prominenter Stelle zu besichtigen ist. Leid wird nicht vergessen, auch nach all den Jahren, schmerzt es die Hinterbliebenen. Dabei kommt Karen auch oft die große Beliebtheit der BBC-Serie „Waking the Dead“ zu Gute, die die Bereitschaft der Befragten erhöht, sich für so alte Fälle noch richtig ins Zeug zu legen.
Raffiniert finde ich hier die Persönlichkeit des Hamish MacKenzie, des unkomplizierten, gutaussehenden Highland Bauern, dessen Natürlichkeit und gutes Aussehen alle Frauen um ihn herum nicht kalt lässt. Das klingt abgedroschen? Ist es absolut nicht. Karen ist ihm gegenüber misstrauisch, weil er zu gut ist, um wahr zu sein. Gekonnt spielt die Autorin hier mit umgekehrten Geschlechterrollenklischees, wie auch an anderen Stellen. Dies ist eine der Stärken dieser Reihe, die Intelligenz in der Anlage der Figuren und ihre psychologische Stimmigkeit. Besonders gut gefallen mir dabei in diesem Fall auch immer wieder die Anspielungen auf schottische rechtliche und regionale Besonderheiten und Differenzen mit London. So verfügt Schottland nicht nur über ein eigenes Parlament und Premier, sondern auch das strafprozessuale Vorgehen unterscheidet sich. Keine Sorge, das kommt nur nebenbei und erschlägt den Fall nicht. Dafür musste ich aber Grinsen, als en passant auf eine mögliche baldige Abstimmung über den Austritt aus dem Vereinigten Königreich hingewiesen wurde. Autorin Val McDermid ist Schottin durch und durch und nutzt ihre prominente Stimme, um gehört zu werden.
Wolfgang Berger hat mich mit seiner männlichen Stimme für eine weibliche Ermittlerin, wie spröde sie auch sein mag, erst mal irritiert. Dadurch bin ich auch nicht sofort voll eingestiegen in den Fall. Aber bald schon habe ich mich eingehört und konnte nicht mehr aufhören.