"An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen" (Matthäus 7:16)
Angela Merkel hat viele Reden gehalten. Wenn man das, was sie dort gesagt hat, wirklich immer geglaubt hat, wäre man jetzt ziemlich durcheinander. Beispielsweise wollte sie 2003 auf dem Leipziger Parteitag ...
Angela Merkel hat viele Reden gehalten. Wenn man das, was sie dort gesagt hat, wirklich immer geglaubt hat, wäre man jetzt ziemlich durcheinander. Beispielsweise wollte sie 2003 auf dem Leipziger Parteitag der CDU die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland stark reduzieren. 2015 machte sie aber genau das Gegenteil und öffnete die Schleusen. Nicht erst bei Merkel, aber besonders bei ihr, kann man sehen, dass die CDU eine Karrieristen-Partei ist, die sich keineswegs an irgendwelchen ach so bedeutsamen Werten orientiert, sondern eher an den Ansichten und Vorhaben des jeweiligen Vorsitzenden. Das jüngste Beispiel verblüfft nur diejenigen, die naiv genug sind, um dieses Grundprinzip der CDU nicht zu sehen.
Mit der Zeit von Merkel begann sich dieses Schema jedoch erstmals gegen Deutschland zu wenden. Auch das ist kein Wunder. Es ist eher ein Wunder, dass das nur wenige Beobachter erkennen. Das Land ist gespalten, die Infrastruktur marode und die Kommunen stehen fast alle vor dem Bankrott. Bemerkenswert ist, dass die Mitklatscher von damals heute so tun, als wären sie gerade erst in die Politik gekommen.
Vera Lengsfeld versucht in diesem Buch zu erklären, was Merkel wirklich antrieb. Das gelingt ihr teilweise und oberflächlich betrachtet ganz gut, auch wenn der Text an manchen Stellen so seine Längen aufweist. Aber auch sie kommt leider nicht auf den eigentlichen Punkt. Denn es entstehen doch Fragen: Was befähigt eine in der DDR sozialisierte Frau zu einem Ministerposten in der völlig anders organisierten Bundesrepublik? Welche Fähigkeiten und welches Wissen sind die Grundlage für ihre spätere Kanzlerschaft?
Die Antwort ist: Solche Fähigkeiten und solches Wissen können damals nicht vorhanden gewesen sein. Und genau deshalb zögerte Merkel stets und wartete ab, bis die Richtung für sie irgendwie klar war. Das ist der eigentliche Grund für ihr Durchwurschteln.
Dazu muss man noch Merkels politischen Hintergrund sehen. Sie war in der DDR keine Oppositionelle. Ihr Vater genoss den Ruf, ein roter Kirchenfunktionär zu sein. Auch Merkels Karriere in der DDR spricht keineswegs für irgendeine Staatsfeindschaft. Ohne dass ich das verurteilen würde: Sie war eine Angepasste. Und sie genoss offenbar einige Privilegien. Bekam man an einer DDR-Uni nach dem Studium eine Anstellung, dann war die auf vier Jahre befristet. In dieser Zeit musste man promovieren. Und selbst dann war die Festanstellung kein Selbstläufer. Merkel hingegen hat rekordverdächtige acht Jahre für ihre Doktorarbeit gebraucht. Folgen hatte das nicht. Merkel war also eine wenig erfolgreiche Doktorandin der Physik, die es trotz fehlender fachlicher Fähigkeiten bis in die Kanzlerschaft brachte. Das ist bemerkenswert und sagt viel über Politik aus.
Nach der Wende trat sie nicht etwa in die CDU ein, sondern ging zum Demokratischen Aufbruch, dessen Vorsitzender ein DDR-Anwalt war. Nur Naivlinge konnten annehmen, dass er nicht der Stasi rechenschaftspflichtig war. Merkel hätte das wissen müssen, denn sie verkehrte wenigstens tangential in den Kreisen, die dieser Anwalt gelegentlich verteidigte.
Dass Merkel dann in ihrer Kanzlerschaft Deutschland und die CDU ruiniert hätte, ist nicht ganz richtig, schließlich gibt es beide noch. Aber ihr Beitrag für eine solche zukünftige Entwicklung ist erheblich. Ihre Partei, manchmal auch als Kanzlerwahlverein verspottet, ist ihr schließlich begeistert gefolgt.
Immerhin findet die Autorin deutliche Worte für Merkels verheerende Politik. Wie die ehemalige Bundeskanzlerin tatsächlich im Inneren denkt, konnte man in der Corona-Zeit deutlich verfolgen. Oder bei ihrer legendären Botschaft aus Südafrika anlässlich der Wahl in Thüringen. Von demokratischem oder liberalen Gedankengut war sie dabei meilenweit entfernt. Im Gegenteil, die Tendenz zur staatlichen Übergriffigkeit konnte nicht mehr übersehen werden. In der Krise zeigt sich eben der Kern eines Menschen.
Wenn Merkel wirklich ein Prinzip hatte, dann war es die gnadenlose Abstrafung ihrer innerparteilichen Gegner. Es ist also nicht wirklich überraschend, dass dabei eine Partei umerzogen wurde, in der es nun keine wirklichen Meinungsunterschiede mehr gibt. Da Merkel ihre Partei dann auch noch immer mehr nach links verschob, dahin, wo sie wirklich zu Hause ist, muss man sich heute nicht mehr wundern, dass man wählen kann, was man will und dennoch immer eine linke Regierung bekommt.
Diesen Prozess beschreibt Vera Lengsfeld recht ausführlich und auch oberflächlich sehr gut. Sie erklärt aber die wahren Gründe für Merkels Politik nicht. Und sie erklärt nicht, wie sie die CDU ohne eigene Hausmacht auf so freche Weise übernehmen konnte. Frechheit und Mut in entscheidenden Situationen – das sind Merkels wirkliche Stärken. Und damit hat sie offenbar die männlichen Leitfiguren der westdeutschen CDU in die Knie gezwungen. Niemand in der deutschen Nach-Wende-Politik ist anfangs dermaßen unterschätzt worden wie Angela Merkel. Leider geht Frau Lengsfeld darauf nicht tiefgründig ein. Wenn es einen Beweis dafür bräuchte, dass Frechheit siegt, dann hat ihn Angela Merkel geliefert.