Cover-Bild Die Gespenster von Demmin
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Hanser Berlin in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 240
  • Ersterscheinung: 17.08.2020
  • ISBN: 9783446267848
Verena Keßler

Die Gespenster von Demmin

Wie sehr bestimmt die Geschichte unsere Gegenwart? Verena Keßlers Debüt über die Haltlosigkeit des Erwachsenwerdens „brummt nur so vor Lebendigkeit. Traurig, witzig, abgründig – Bombe!“ Stefanie de Velasco

Larry lebt in einer Stadt mit besonderer Geschichte – Ende des Zweiten Weltkriegs fand in Demmin der größte Massensuizid der deutschen Geschichte statt. Für Larry ist ihre Heimatstadt aber vor allem eins: langweilig. Sie will so schnell wie möglich raus in die Welt und Kriegsreporterin werden. Während Larry mit den Unzumutbarkeiten des Erwachsenwerdens kämpft, steht einer alten Frau der Umzug ins Seniorenheim bevor. Beim Aussortieren ihres Hausstands erinnert sie sich an das Kriegsende in Demmin und trifft eine folgenschwere Entscheidung.
Mit Leichtigkeit und Witz erzählt Verena Keßler von Trauer und Einsamkeit, von Freundschaft und der ersten Liebe. Ein Roman über die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen und die Möglichkeit, sie zu überwinden.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.10.2020

Die Leichtigkeit des Todes

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Larry, die eigentlich Larissa heißt, spielt schon seit Jahren mit dem Tod. Gewissermaßen. Denn ihr Karriereziel heißt: Kriegsreporterin und das wird man nicht einfach so ins Blaue hinein. Denkt Larry und ...

Larry, die eigentlich Larissa heißt, spielt schon seit Jahren mit dem Tod. Gewissermaßen. Denn ihr Karriereziel heißt: Kriegsreporterin und das wird man nicht einfach so ins Blaue hinein. Denkt Larry und trainiert schon mal für gewisse Situationen, in die sie möglicherweise geraten könnte. Vor allem Gefangenschaft inklusive Folter: darauf bereitet man sich wunderbar mit Übungen wie Kopfüber vom Baum hängen oder Waterboarding vor. Fär Einsätze unter schwierigen Bedingungen, bei denen eine gewisse Balance erforderlich, ist ein stundenlanges Auf-dem-Stuhl stehen eine gute Vorbereitung. Unter anderem. Dass ihre Mutter das nicht so sieht und am besten gar nicht mitbekommt, daran hat Larry sich längst gewöhnt. Überhaupt ihre Mutter: sie nervt durch ständig wechselnde Männerbekanntschaften, die den Mädelshaushalt gehörig durcheinander bringen. Wobei sie sich fast danach zurück sehnt: ist doch die neueste Errungenschaft offenbar etwas für länger, wenn nicht für die Ewigkeit: er zieht schon bald mit in den Haushalt ein, ohne dass Larry so richtig gefragt wird.

Ihren Vater sieht sie nur selten, der hat nämlich bereits kurz nach ihrer Geburt die Flucht ergriffen - und das nicht wegen Larry, sondern aus einem wirklich tragischen Grund: Larrys älterer Bruder verunglückte, während ihre Mutter mit ihr schwanger war: eine Tragödie, die auch Larry spürt. Und zwar bereits ihr ganzes Leben lang.

Wobei das Sterben insgesamt eine große Rolle spielt in diesem Roman, der in Demmin angesiedelt ist, einer Stadt, in der vor dem Anrücken der Roten Armee ein Massenselbstmord stattfand: vor allem Frauen mit Kindern ertränken sich im Fluss oder erhängten sich.

Es gibt einen zweiten, wesentlich kürzeren Erzählstrang aus der Sicht einer alten Dame, einer Überlebenden dieser Tragödie. Auch für sie ist der Tod ein lebenslanger Begleiter gewesen.

Auch wenn der Tod über allem schwebt und sozusagen das verbindende Element der beiden Handlungsstränge ist, erzählt Autorin Verena Keßler mit leichter Hand, die jedoch alles andere als oberflächlich wirkt. Im Gegenteil, die junge Autorin offenbart ein Talent, ihr Sujet mit knappen Worten lebendig darzustellen, das seinesgleichen sucht. Sowohl Handlung als auch Setting und Figuren wirken kraftvoll und lebendig. Es bleibt genug Raum für den Leser, um eigene Bilder zu entwickeln. Und auch, um den subtilen Humor, der sich durch den Roman zieht, zu genießen.

Ein großartiger Coming-of-Age-Roman, ebenso eindringlich wie ungewöhnlich. Eine neue Autorin, die zu begeistern vermag - mich jedenfalls!

Veröffentlicht am 25.09.2020

Geschickte Verknüpfung von Gegenwart und Vergangenheit auf einmalige Weise

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Verena Keßler hat in ihrem ersten Roman „Die Gespenster von Demmin“ eine wenig bekannte historische Episode verarbeite. Denn in Demmin, dem Handlungsort der Geschichte, töteten sich in den ersten Maitagen ...

Verena Keßler hat in ihrem ersten Roman „Die Gespenster von Demmin“ eine wenig bekannte historische Episode verarbeite. Denn in Demmin, dem Handlungsort der Geschichte, töteten sich in den ersten Maitagen des Jahres 1945 eine hohe dreistellige Anzahl Einwohner selbst, meist Frauen und ihre Kinder, aus Angst vor den Übergriffen der einmarschierten Rotarmisten.

Larissa Schramm, die sich lieber Larry rufen lässt, ist eine der beiden Protagonistinnen des Romans. Sie ist 15 Jahre alt und eine der etwa 11.000 heutigen Bewohner der Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern. Die zweite Protagonistin, ihre Nachbarin Frau Dohlberg, steht kurz vor dem Umzug in ein Seniorenheim. Sie wohnt seit eh und je in Demmin und hat die Tragödie der letzten Kriegstage miterlebt. Obwohl beide sich viel zu sagen hätten, ergeben die Umstände es nicht, dass die beiden Hauptfiguren sich untereinander über ihr Leben und ihre Wünsche austauschen.

Verena Keßler schreibt ihren Roman in einem unterhaltsamen, leicht lesbaren Stil. Sie versteht es durch ihre Sätze, von denen jeder an genau der Stelle steht an der er benötigt wird, eine Fülle an Emotionen zu transportieren. Beide Handlungsstränge laufen parallel.

Obwohl Larrys Alltag unbeschwert erscheint, bemerkt man bald eine Last auf ihr, die sich im Laufe der Erzählung klärt und ihren Grund in einem schweren Verlust innerhalb ihrer Familie findet. Damit und mit der Geschichte des Orts hängen wahrscheinlich auch Larrys eigenwillige Hobbies zusammen. Bereits in Kindertagen bildete Larry mit ihrer Freundin ein Gespensterjägergespann. Jetzt widmet sie einen Teil ihrer Freizeit einem Training verschiedener Szenarien, in denen sie bis an den Rand ihrer Kräfte und des Erträglichen geht, um sich abzuhärten für ihren späteren Traumberuf als Kriegsreporterin. Dadurch bringt die Autorin eine gehörige Portion Spannung in ihren Roman ein, denn es kommt durch Larrys Übungen zu einigen heiklen Situationen. In einem weiteren Teil ihrer freien Zeit verdient sie sich ein Taschengeld durch die Pflege von Gräbern auf dem nahen Friedhof.

So wie Larry sich darauf vorbereitet, sich in Krisengebieten auf sich allein gestellt, mit wenig Habseligkeiten zurechtzukommen, so plant die Nachbarin von gegenüber ihren Aufenthalt im Heim, der streng geregelt ist mit nur wenigen persönlichen Gegenständen, die sie mitnehmen darf. Mit dem Aussortieren, Wegwerfen und Abgeben ihrer Habe, scheint jedes Mal ein Stück von ihr selbst zu verschwinden, während Larissa an ihrer selbstgesetzten Aufgabe zu wachsen scheint. Verena Keßler nutzt Frau Dohlberg als Figur, um die Schrecken der Vergangenheit ans Licht zu bringen und zu verdeutlichen, warum es zu einem Massenselbstmord in Demmin gekommen ist.

Verena Keßler setzt sich in ihrem Roman „Die Gespenster von Demmin“ mit dem Verlust geliebter Menschen auf einmalige Weise auseinander, indem sie geschickt Gegenwart und Vergangenheit verknüpft. Dennoch gibt sie durch einige amüsante Szenarien ihrer Schilderung immer wieder einen stellenweisen heiteren Unterton. Entsprechend einer typischen Coming-of-Age-Geschichte fehlt es auch nicht an ersten Liebesgefühlen und außerdem Eltern, die nicht der Vorstellung ihres Kindes entsprechen. Der Roman ist tiefgründig, bewegt und hallt nach. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 27.07.2024

Ein toller Coming-of-Age Roman und vielversprechendes Debüt!

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Larry (eigentlich Larissa aber wer heißt bitte schön so?), die Ich-Erzählerin des Romans, ist 15 und ein typischer Teenager - aufmüpfig und latent schlecht gelaunt. Um der Langeweile der Kleinstadt zu ...

Larry (eigentlich Larissa aber wer heißt bitte schön so?), die Ich-Erzählerin des Romans, ist 15 und ein typischer Teenager - aufmüpfig und latent schlecht gelaunt. Um der Langeweile der Kleinstadt zu entkommen widmet sie sich intensiv den Vorbereitungen für ihre Zukunft als furchtlose Kriegsreporterin in der Ferne und säubert nebenbei, gegen ein kleines Taschengeld, den Friedhof im Ort. Dabei schnackt sie gerne mit den alten Leuten, die viel zu erzählen haben und zuhören, das kann Larry sehr aufmerksam; und spüren kann sie sie auch, die Gespenster von Demmin.

Die alte Frau Dohlberg von nebenan packt indes ihre Sachen zusammen; mitnehmen ins Altenheim kann sie nicht viel und einfach alles dem Entrümpler überlassen, das geht auch nicht. So gleitet nun alles noch einmal durch ihre zittrigen Hände, jedes Stück ein Hüter der Vergangenheit und die Erinnerungen an die furchtbaren Geschehnisse kurz vor Kriegsende 1945 dringen schmerzhaft an die Oberfläche. Zu Hunderten haben sie sich damals selbst umgebracht, die Demminer, aus Angst vor der Roten Armee; haben sich einen Strick genommen oder wateten, die Kinder eng an den Körper gebunden, in die Peene.

Der Perspektivwechsel zwischen dem jungen Mädchen heute und den Erinnerungen der alten Dame empfand ich als starkes Stilmittel, das Verena Kessler gekonnt einsetzt, um sehr anschaulich und greifbar die Auswirkungen eines kollektiven Traumas bis in die nächsten Generationen aufzuzeigen. Wir haben es hier mit zwei glaubhaften Figuren zu tun, die mit großer Authentizität ein mir bisher unbekanntes, aufwühlendes Stück deutsche Geschichte erzählen und die ich sehr gerne ein Stück begleitet habe. Ein toller Coming-of-Age Roman und vielversprechendes Debüt!

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Veröffentlicht am 31.01.2022

Die Geister der Vergangenheit

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Wie vermutlich bei vielen anderen, hat auch bei mir das Buch vor allem durch seinen Handlungsort Interesse geweckt. Demmin, ein Ort, der vor allem dafür bekannt ist, dass es 1945 vor dem Einmarsch der ...

Wie vermutlich bei vielen anderen, hat auch bei mir das Buch vor allem durch seinen Handlungsort Interesse geweckt. Demmin, ein Ort, der vor allem dafür bekannt ist, dass es 1945 vor dem Einmarsch der Roten Armee zu einem Massenselbstmord vor allem von Frauen und ihren Kindern kam.

Die Autorin folgt zwei sehr unterschiedlichen Protagonistinnen in dieser Stadt. Die 15-jährige Larry absolviert verbissen ein von ihr selbst erdachtes Überlebenstraining, um endlich aus Demmin rauszukommen und ist ganz versessen darauf ihre Zukunft zu gestalten.

Ihre Nachbarin Frau Dohlberg muss ihren letzten Gang ins Altenheim gehen und sortiert schweren Herzens ihre Sachen aus. Dabei erinnert sie sich an die Vergangenheit und eben den Tag 1945, an dem auch ihre Familie Selbstmord beging, aber sie selbst es nicht konnte.

Die Autorin zeichnet Demmin als einen Ort, der geprägt ist von den unzähligen Toten. Larry verdient sich auf den Friedhof mit Aufräumarbeiten etwas zu ihrem Taschengeld hinzu und immer wieder wird thematisiert, wie die vielen Leichen im Fluss schwammen. Szenenweise kommen Erinnerungen bei Frau Dohlberg hoch.

Larry und ihre große Klappe haben mir gleich gefallen. Sie ist ruppig, hat aber ein gutes Herz. Dagegen bleibt Frau Dohlberg und gerade gegen Ende hin der historische Hintergrund eher blass. Larry hat für Coming of Age Romane typische Probleme. Konflikte mit der Mutter und Trauer über die Trennung der Eltern, Freundschaft, die erste Liebe und Versuche sich selbstständig zu machen und den Platz in der Welt zu finden.
Sehr gut gefallen hat mir, wie ernst die Autorin ihre jugendlichen ProtagonistInnen nimmt und auch die Freundschaften. Sie alle haben so ihr Päckchen zu tragen und nehmen Bürden aus den Elternhäusern mit und trotzdem bleibt die Stimmung trotz Melancholie und teilweise morbider Themen heiter.

Insgesamt habe ich nicht so viel über Demmin gelernt wie erhofft, da war eine kurze Recherche auf wikipedia ergiebiger. Wahrscheinlich hat die Autorin mehr Wissen gesammelt, aber es passte dann doch nicht so sehr in den Roman. Enttäuscht bin ich aber trotzdem nicht, denn Larry habe ich doch sehr gern begleitet bei einem Stück ihres Weges zum Erwachsensein.

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