Eine sanfte Melancholie
„Das große Sterben des damaligen Sommers begann mit dem Tod eines Kindes, eines Jungen mit goldblondem Haar und einer dicken Brille, der auf der Bahnstrecke kurz hinter New Bremen in Minnesota ums Leben ...
„Das große Sterben des damaligen Sommers begann mit dem Tod eines Kindes, eines Jungen mit goldblondem Haar und einer dicken Brille, der auf der Bahnstrecke kurz hinter New Bremen in Minnesota ums Leben kam, zermalmt von tausend Tonnen Stahl, die über die Prärie Richtung South Dakota donnerten. Er hieß Bobby Cole.“ S. 9
40 Jahre sind vergangen seit dem Sommer 1961, den Protagonist Frank Drum noch einmal Revue passieren lässt, seit der Tragödie, die das Ende seiner Kindheit markieren sollte. Frankie, 13 Jahre alt und das mittlere Kind einer Pastorenfamilie mit schottischen Wurzeln, wächst in einer kleinen Gründerstadt im weiten Westen Amerikas auf. Die Menschen kennen sich im beschaulichen New Bremen, haben ein Auge aufeinander, aber auch ihre Geheimnisse, eigenen Päckchen zu tragen. Von den Sorgen der Erwachsenen weitestgehend unberührt führen die Kinder ein unbeschwertes Leben, stromern am Ufer des Minnesota River umher, an den Bahngleisen und im Steinbruch; dies ist ihr Königreich, die ganze Welt zu ihren Füßen, den verlockenden Duft der Freiheit in der Nase. Doch dieser Sommer verändert alles, der Tod greift in den unterschiedlichsten Gestalten um sich und macht auch vor Frankies Familie nicht halt, zwingt den Jungen in die frühe Auseinandersetzung mit schweren Themen wie Schuld, Vergebung, Verlust, aber auch Zusammenhalt, Glaube und Akzeptanz; lässt ihn wachsen und begreifen, seinen eigenen Weg aus der Trauer finden.
„Für eine kurze Zeit waren wir glücklich“ von William Kent Krueger, übersetzt von Tanja Handels, ist ein dicht erzählter Coming of Age Roman, so spannend wie ein Krimi und mit einer Sogwirkung, die mich nur so durch die Seiten fliegen ließ. Die atmosphärische Stimmung, einfühlsam gezeichneten vielschichtigen Figuren und zwischenmenschlichen Regungen konnten mich sehr begeistern. Eine sanfte Melancholie hängt über der Geschichte, die mich mit Wehmut an Filme wie „My Girl“ und „Stand by me“ erinnert hat. Leseempfehlung!
„Die Toten sind nie weit von uns entfernt. Sie sind in unseren Herzen und in unseren Köpfen, und am Ende trennt uns wirklich nur ein einziger Atemzug von ihnen, ein letzter Lufthauch.“ S. 413