Cover-Bild Bagatellen
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  • Verlag: Bibliothek der Provinz
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 72
  • Ersterscheinung: 1997
  • ISBN: 9783852521541
Willibald Feinig

Bagatellen

Prosa
Unwahrscheinlich, daß der Weg von Kleingradenegg herab damals schon Spitzkehren mitten im Hang machte. Die Janitscharen werden, als sie das Kirchlein nicht zum Brennen brachten (Steinschindeln), die Wasserlinie entlang geritten sein und Hafenberg angezündet haben, das Matthäus Merlan auf der Karte des ducatus Carinthiae anno Domini sechzehnhundertundnochetwas als Burg verzeichnet, wie Dietrichstein. (War er nie in der Gegend? Kein Verlaß, selbst auf renommierte Geographen und Historiker, auch Dehio, Die Kunstdenkmäler Österreichs, Kärnten, neubearbeitet 1976, läßt den Bauerntag 1478 in Ossiach stattfinden, dabei kamen die Aufständischen wie jeder Kärntner mindestensläutengehörthat im Weiler Vassach zusammen.)
An der Felskante, von wo der Weg schräg durch den Wald hinab zur Rogg führt, könnte sie Photius gesehen haben. Vielleicht war es das lautlose wiederholte Abtauchen von Pferdeleibern in seinem Augenwinkel und etwas Buntes zwischen den Eichen/Buchen (Fichtenmonokulturen gab's in den Tallagen nicht). Etwas, das den Mönch an den Rhythmus der Bewegungen hinter den Zinnen von Rumeli Kisarö erinnerte, an die blitzenden Stäbe mit den Roßhaarschwänzen, an den Ponton über das Goldene Horn, an den 29. Mai 1453.
Vielleicht war es auch eine plötzliche, geballte, schwarzweiße Rauchsäule über Hafenberg, die ihn die Hand ans Beutelbuch legen und stehenbleiben ließ. Oder ein übereilter Vogel, der stutzig machte. Jedenfalls an der Stelle, wo die Schlucht sich weitet. Neben, sagen wir, einem runden Meilenstein mit hervortretenden weißen Quarzadern und den gerade noch erahnbaren Buchstaben MP. In der Ebene, die dort beginnt, auf dem Boden, rinnt das Wasser nicht weniger schnell, aber leiser (Krebswasser). Auf den sauren (damals) Wiesen lassen wir Schotter und Geröll herumliegen, vom letzten Dauerregen oder von einem der tage- und nächtelangen brüllenden Gewitter, wie sie sich in den Kesseln des Nockgebirges verfangen.
Heuer war die Esche über den Fensterrand gewachsen. Bei Photios' Einzug in den Turm wird sie ein Busch auf dem Grabenrand gewesen sein. Mitte September 1454 waren die Stallungen frisch gedeckt gewesen (Stroh?). Am Hang vis-à-vis, zwischen den Obstbäumen, auf denen sich gerade die Schwalben lärmend zusammenrotteten, hatte der kleine Grieche damals zwei Huben mit hohem Dach und weißen Mörtelfugen gezählt. Jetzt waren drei Keuschen dazugekommen, alles weder dem Bamberger Ambthof ze Veldtkirchen noch dem Abt von Ossiach noch dem Dietrichsteiner pflichtige, armselige Freibäuerlein, ein Gemisch aus deutschem und slawischem Dialekt sprechend, der ihn an seine vergessene Muttersprache erinnerte. Welches war das Heuschreckenjahr? 1477? Der Himmel schnatterte, über die kahlgefressenen Felder kam der Bote des Bundes. Ungarn wie Türken waren die Duorzner bis jetzt entgangen.
Der Wind dreht. Einen Moment lang ist das Toben der Rogg in der Mühlschlucht zu hören – zumindest der hört es, der weiß, daß der Bach am Fuß der Felswände über Wehre und durch Schleusen hindurch muß. Photius hört es.
Er ist auf dem Rückweg von der Steyerburg, ist den Mühlweg gegangen wie immer. Er hat mit dem gestrengen Ritter Christoff von Halleck (wie er elf Jahre später auf seiner Grabplatte genannt wird) Johannes gelesen. Schnell muß der Türkenpfennig her, sonst nützt er nichts.

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